Sie trippeln, sie kriechen, sie schweben, zirpen und schleichen, manche Menschen versetzt schon der bloße Gedanke an sie in Panik: Insekten. Dabei sind sie für uns, für Tiere und Pflanzen unverzichtbar. Besonders für das sensible Ökosystem der Regenwälder dieser Erde. Welche Bedeutung die Insekten haben und warum sie kleine Helden sind, die es zu schützen gilt, auf diese Fragen suchen wir eine Antwort und begeben uns dafür tief in den tropischen Dschungel.

Eighty-eight Schmetterling © Day's Edge Productions / WWF-US
Der Diaethria clymena aus der Familie der Edelfalter ist einer der auffälligsten Schmetterlinge im peruanischen Amazonas-Becken. Besonders prägnant ist seine Flügelzeichnung in Form einer 88. Daher auch seine englische Bezeichnung als Eighty-eight butterfly. © Day's Edge Productions / WWF-US

Gellende Affenschreie gefolgt vom anklagenden Kakadu-Kreischen: So einnehmend fremd wie abenteuerlich intensiv sind die Laute und Farben der Lebenswelten im Regenwald. Anmutige, blau schillernde Schmetterlinge genießen die Wasserfälle, während Wespen und Ameisen das aufgeheizte Klima als förderlich empfinden, um ihre riesigen Nester zu bauen. Leise ist es im grünen Herzen dieser Erde nie. Aktivität herrscht zu jeder Tages- und Jahreszeit, wenn man den verschlungenen Pfaden folgt, die tief in die dicht bewachsenen Bereiche führen. Denn genau diese Orte, die dunklen und feuchten Ecken des Waldes, bevorzugen Insekten.

Von Zwergen und Reinigungstrupps

Regenwälder: Für die meisten Menschen sind das hohe verschlungene Bäume, exotische Pflanzen und wilde Tiere. Die wirkliche Regenwaldwelt ist mikroskopisch klein, teilweise hauchzart und manchmal sogar unsichtbar für das menschliche Auge. Wie die kleinste bisher bekannte InsektenartDicopomorpha echmepterygis, die Zwergwespe Die Männchen dieser Arthaben eine Körperlänge von nur 0,139 Millimetern. Der Entomologe John T. Huber von „Natural Resources Canada“ hat sie erst vor wenigen Jahren entdeckt. Beim genauen Anblick der winzigen Zwergwespe war Huber sofort verliebt. Vor seinem Auge zeigte sich eine fragile, schillernde Schönheit. Lange, grazile Flügel mit leicht ausfransendem Saum. Diesem magischen Anblick verdankt sie ihren Spitznamen „Fairyflies” – also Feenfliege. 

So faszinierend klein die Feenfliege ist, so faszinierend emsig sind ihre Verwandten, die Ameisen. Wie die Feenfliege gehören sie zu den Hautflüglern und sind die heimlichen Herrscher der Regenwälder. Ihre Biomasse übertrifft in einigen Teilen der tropischen Regenwälder die von Säugetieren, Vögeln, Reptilien, Amphibien etc.  zusammengenommen. Auf einem einzigen Baum im peruanischen Teil Amazoniens konnten bereits 43 Ameisenarten identifiziert werden. Mehr Ameisenarten als auf den gesamten britischen Inseln zusammen. Zu Millionen tummeln sich die kleinen Krabbler auf den schattig-feuchten Waldböden des Dschungels, auf und unter Bäumen und Gehölzen.

Wie in unseren heimischen Wäldern sind sie auch im Regenwald als Putzkolonne im Dauereinsatz. Denn Ameisen fressen andere Insekten und tote Tiere. Durch ihre schiere Menge verwerten sie die Tiere äußerst schnell und helfen so mit, die Ausbreitung von Krankheiten im Wald zu verringern. Fun Fact: Einige Ameisenarten nutzen Blätter, um Pilze zu züchten, von denen sie sich dann ernähren.

Bei Insekten sind inzwischen ca. eine Million Arten beschrieben. Hochrechnungen lassen vermuten, dass es tatsächlich aber zwischen 2,5 bis 3 Millionen Insektenarten gibt. So laufen wir Gefahr, viele Arten zu verlieren, bevor sie überhaupt entdeckt wurden und damit unter Umständen auch Möglichkeiten, Krankheiten zu heilen. Denn aus den Giften der Insekten könnte Stoffe gewonnen werden, die als Heilmittel dienen könnten.  Da die kleinen Helden äußerst variabel in ihrer Ausprägung sind und die Unterschiede zwischen einigen Arten marginal, ist die Klassifizierung entsprechend schwer. Denn wie wir Menschen mal kurze, mal lange Haare, helle oder dunklere Haut oder Sommersprossen haben, so variieren auch Form und Farben der Insekten. Forscher arbeiten zur Unterscheidung der Arten mit Barcoding und Gensequenzierung. So sind derzeit mehr als 500.000 Käferarten bekannt; viele davon aus den Regenwäldern rund um den Globus.

Morgendämmerung im artenreichen Tieflandregenwald Costa Ricas © Peter Weish
Morgendämmerung im artenreichen Tieflandregenwald Costa Ricas © Peter Weish

Doch so uneinig die Experten bei der Klassifizierung sind, so einig sind sie bei der Diagnose „Artensterben” der Insekten – und zwar in Massen und im Rekordtempo. Allein für Deutschland zeigt eine Studie des Entomologischen Vereins Krefeld einen Insektenschwund von 75 Prozent. Das ganze Ausmaß dieses Ergebnisses zeigt sich allerdings erst mit dem Wissen, dass weltweit die Biomasse der Insekten die aller Säugetiere übertrifft. Der Mensch bringt es auf lediglich 0,01 Prozent an Biomasse, was in etwa gerade einmal der aller Termiten auf der Erde entspricht.

Etwa zwei Drittel der Biomasse der Insekten entfallen dabei auf die tropischen Gebiete. Tendenz rasant fallend. Der internationale Weltbiodiversitätsrat, kurz IPBES, schätzt anhand der vorhandenen Daten die Anzahl der bedrohten Insektenarten schon jetzt als hoch ein. Eine wissenschaftlich exakt belegbare Zahl zum globalen Rückgang gibt es nicht. Forscher gehen davon aus, dass in den nächsten Jahrzehnten 40 Prozent aller Insekten weltweit aussterben werden, wenn wir nicht unsere Lebensweise verändern und beginnen, die kleinen Helden zu schützen.

Der Zombie-Pilz: Wenn Ameisen ferngesteuert werden

Die parasitischen, entomopathogenen Pilze namens Ophiocordyceps unilateralis greifen Ameisen durch ihre Sporen an. Ihre Chemikalien breiten sich dabei komplett im Insekt aus, mutieren das Verhalten des Tieres und töten es schließlich. Dabei treibt dann ein Fruchtkörper aus, der aus dem Kopf der Ameise wächst.

Ophiocordyceps unilateralis © Florian Lauer / WWF
Ophiocordyceps unilateralis © Florian Lauer / WWF
Juvenile Heuschrecken aus der Gattung Tropidacris erkunden den Regenwald © Markus Thamm
Juvenile Heuschrecken aus der Gattung Tropidacris erkunden den Regenwald © Markus Thamm

Das betrifft Insekten in allen Teilen der Welt, auch in Regenwäldern in Mittel- und Südamerika, in Australien oder Afrika. Denn der grüne Dschungel steckt in unserem Essen, in Papier oder auch in Duschgel. In mehr Produkten, als die meisten Menschen denken. Dabei sind Insekten schon wesentlich länger auf diesem Globus als wir und ihre Bedeutung für das Leben auf der Erde immens. Regenwälder sind Hotspots der Artenvielfalt und damit auch der Insektenvielfalt.

Insekten retten kann jeder

Unser Konsumverhalten, unsere Essgewohnheiten, unsere Art der Landwirtschaft verursachen global wirkende Klimaveränderungen, auf die besonders viele tropische Insekten extrem empfindlich reagieren. Erschwerend kommt hinzu, dass es nur wenig Wissen über die Ökologie oder die Erhaltung dieser riesigen Tierklasse gibt, von der zudem eben nur ein winziger Bruchteil bisher überhaupt entdeckt worden ist.

Deswegen hat es sich der WWF zur Aufgabe gemacht, Insekten auf der ganzen Welt zu schützen. Eine anspruchsvolle Aufgabe, aber eine lösbare. Denn jedes einzelne Wald-Schutzprojekt des WWF, sei es die Ausweisung neuer Regenwaldschutzgebiete oder die Bewahrung der Orang-Utans Borneos, schützt auch die Insekten in diesen Wäldern. Und damit die Artenvielfalt dieser Regionen. Der Zusammenhang zeigt sich dabei am besten, wenn man sich die Komplexität und Sensibilität des Ökosystems als ein fragiles und zartes Spinnennetz vorstellt. Jede Art bildet hierbei einer der sensiblen Fäden. Fehlt ein Faden, ist die Stabilität des gesamten Netzes gefährdet. Je weniger Spinnenfäden im Netz sind, um so unsicher und angreifbarer ist das gesamte System. Nur mit adäquaten Schutzprojekten und einem nachhaltigen Lebensstiel können wir dieses zarte, aber so wundervolle Gespinst erhalten. Jeder einzelne Faden im Netz ist eine einzelne Schutzmaßnahme.

Forschungsstation La Gamba - selbst aktiv werden

Zahlreiche Engagierte auf der ganzen Welt haben sich dem Artenschutz verschrieben. So auch Wissenschaftler der Universität Wien. Sie gründeten die Forschungs- und Weiterbildungsinstitution Tropenstation La Gamba (https://www.lagamba.at/) in Costa Rica am Rande eines der artenreichsten Tieflandregenwälder Mittelamerikas. Hier leisten Mitarbeiter vor Ort einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der Artenvielfalt. Doch vor allem ermöglichen sie es jedem Naturinteressierten – vom Studenten bis hin zum Freiwilligen – selbst aktiv zu werden. Es ist also möglich, Insekten zu schützen, Bäume zu pflanzen, Forschung hautnah zu erleben – jetzt, sofort und für jeden.

Luftbild der Tropenstation La Gamba © Anton Weissenhofer
Luftbild der Tropenstation La Gamba © Anton Weissenhofer
Fakten und Skurriles aus der Welt der Insekten
  • 66 % aller Arten der Erde entfallen auf Insekten.
  • 90 % der Blütenpflanzen und 70 % der Nutzpflanzen sind im Regenwald von der Bestäubung der Insekten abhängig.
  • Auf 4.800 m² Regenwald wurden bereits 6.144 verschiedene Insektenarten gefunden.
  • Eine Studie in Puerto Rico zeigte, dass 98 % der kronen- und bodenbewohnende Käfer in den Wäldern in den letzten Jahrzehnten verschwunden sind.

So können Sie Wälder schützen