Seit Beginn der Industrialisierung heizt die Menschheit der Erde zunehmend ein. Allein der Anteil des Kohlenstoffs CO2 stieg in den vergangenen rund 150 Jahren um 44 Prozent. In der Atmosphäre verbleiben solche Treibhausgase tausende von Jahren. Die Folge: Wärme wird nicht mehr in den Weltraum abgestrahlt und der Klimawandel forciert. Die Diskussionen drehen sich meist darum, wie sich Emissionen von CO2 und anderen Treibhausgasen einsparen lassen. Aus gutem Grund soll die gesamte Wirtschaft transformiert werden. Neben solchen technischen brauchen wir aber auch naturbasierte Lösungen. Die Nutzung landwirtschaftlicher Flächen, Moore und Wälder setzt einerseits immens viel CO2 frei. Sie trägt weltweit 20 Prozent zum Ausstoß von Treibhausgasen bei. Rund 15 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen stammen aus der Vernichtung von Wäldern. Andererseits binden vor allem Ökosysteme, die nicht von Menschen ausgebeutet werden, Kohlenstoff in erheblichem Umfang.
Nachhaltiges Wirtschaften ist nicht nur in der Industrie und bei der Energieversorgung gefordert. Wie wir landwirtschaftliche Flächen, Moore und Wälder nutzen, entscheidet darüber, wie viel Kohlenstoff dort freigesetzt wird. Auf der anderen Seite können solche Ökosysteme viel CO2 speichern – wenn man sie lässt. Diese Kapazitäten sollten wir nutzen.
Wälder bedecken rund 30 Prozent der Landoberfläche und sie speichern etwa die Hälfte des im Boden gebundenen Kohlenstoffs. Dieser Speicher lässt sich noch deutlich auffüllen. Da selbst eine erfolgreiche Energiewende nicht zu einer emissionsfreien Wirtschaft führt, sind wir auch langfristig auf diese Speicherkapazitäten angewiesen. Das als Weltklimarat bekannte Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) veröffentlichte am 4. April 2022 den 6. Sachstandsbericht seiner Arbeitsgruppe 3 zur Minderung des Klimawandels. Eine gute Nachricht darin lautet, dass richtiges Management der Landnutzung eine der kosteneffektivsten Maßnahmen zur Erreichung der Emissionsreduktionen sein kann. Die negative Nachricht lautet: Bisher wurde das nicht erreicht. Eher im Gegenteil: Tagtäglich werden große Mengen Kohlendioxidäquivalente durch die heutige Landnutzungsweise freigesetzt.
Mit Aufforsten allein ist es nicht getan
Die ökologische Waldwende hin zu einer naturnahen Wirtschaftsweise ist auch in Deutschland schon seit Jahren Thema. Der jahrzehntelange Fokus auf intensive Holznutzung führte zu einer Forstwirtschaft, die junge struktur- und artenverarmte Forste hervorbrachte, vor allem anfällige Nadelwälder. Man spricht hierbei auch von einer Degradierung der Wälder, da sie ökologisch weniger leisten können. Zur ökologischen Waldkrise hinzu kommen jetzt noch die Wetterextreme. Waldbestände sind durch Trockenheit und Hitze erheblich geschwächt. Ein wichtiges Instrument, um die Waldwende insbesondere bei privaten Waldeigentümern voranzutreiben, wäre das Bundeswaldgesetz. Der WWF und andere Umweltschutzorganisationen fordern darin, ökologische Mindeststandards für eine schonendere Waldwirtschaft festzuschreiben. Nur ein schonender, ökologisch verträglicher Umgang ermöglicht Wälder, den zunehmenden Wetterextremen zu trotzen.
Ökologisch entscheidend ist dabei jedoch, wie das konkret geschehen soll. Statt einfach den Anbau schnellwachsender Nadelbäume zu fördern, müssen die hiesigen Wälder wieder resilienter gemacht werden. Wichtig ist etwa eine Verbesserung des Wasserhaushaltes, wie der Verschluss von Entwässerungsgräben und die Wiedervernässung von Waldmooren. Naturverjüngung des Bestandes auf Schadflächen sowie Erhalt und Mehrung von Totholz können Wälder langsam wieder zu robusteren Ökosystemen entwickeln, die entsprechend mehr leisten können.
Laubwälder bieten nicht nur Lebensraum für viele Tiere, Pflanzen und Pilze. Sie erhöhen auch den Grundwasserspiegel, sorgen für ein kühleres Waldklima und beugen so auch Bränden vor.
Damit sind sie ein natürlicher Verbündeter im Kampf gegen die Erderhitzung. Der dringend notwendige Umbau weg von naturfernen, anfälligen Nadelforsten hin zu naturnahen Laubmischwäldern geht bislang zu langsam voran. Hier muss massiv nachgelegt werden, insbesondere durch angepasste Wilddichten, die eine vielfältige Naturverjüngung ermöglichen. Dabei sollten aus Naturschutzgründen nur heimische Baumarten gepflanzt werden. WWF Deutschland fordert zudem, insbesondere im öffentlichen Wald mindestens zehn Prozent der Fläche wieder seiner natürlichen Entwicklung zu überlassen, ohne Eingriffe. Denn Naturwälder binden deutlich mehr CO2 als akkurat aufgeräumte Forste in Monokultur.
Die Richtung stimmt, aber es geht noch besser
In der Europäischen Union (EU) ist die Fläche der Wälder in den vergangenen Jahrzehnten wieder gewachsen. Die EU will diese Entwicklung weiter vorantreiben. Sie hat Wald als Klimaschutz auf ihre Agenda gesetzt und im vergangenen Jahr eine neue Forststrategie angekündigt: Die Mitgliedstaaten sind aufgefordert, bis 2030 drei Milliarden weitere Bäume zu pflanzen. Dies kann auf landwirtschaftlich nicht mehr genutzten Flächen geschehen, aber auch Ackerland, das bisher nur für Biomasse- oder Futtermittelerzeugung verwendet wird. Die Mitgliedstaaten sollen Landwirte ermutigen, neue Wälder anzulegen. Handelbare CO2-Zertifikate sind ein Instrument, die diesen Schritt attraktiv machen können. Kosten für die Gründung sowie Erhaltung neuer Wälder lassen sich zudem durch staatliche Förderungen kompensieren. Fraglich ist bisher aber, wie lange Förderungen dafür gelten sollen.
Doch die Politik der EU geht noch weiter. Sie hat sich verpflichtet, bis 2050 klimaneutral zu werden und will bis 2030 mindestens 55 Prozent ihrer klimaschädlichen Treibhausgase im Vergleich zum Jahr 1990 reduzieren. Eine wichtige Rolle spielen dabei Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (kurz: LULUCF). Die EU-Kommission möchte in diesem Sektor ein absolutes Ziel für die Netto-Bindung von Treibhausgasen festlegen: 310 Megatonnen Kohlenstoffdioxidäquivalente. Das ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, bleibt aber hinter dem technisch möglichen Potenzial von 600 Megatonnen auf halber Strecke zurück. Immerhin wird das Ziel für die CO2-Bindung auf national verbindliche Ziele heruntergebrochen.
Was Wälder für das Klima leisten
- Wälder speichern weltweit rund 653 Milliarden Tonnen Kohlenstoff, nicht nur in den Bäumen, sondern auch im Mineralboden und der Strauch- und Bodenvegetation.
- Wälder bedecken rund 30 Prozent der Landoberfläche und speichern etwa die Hälfte des im Boden gebundenen Kohlenstoffs.
- Eine Buche zum Beispiel kann 300 bis 500 Jahre alt werden. In dieser Zeit nimmt sie jährlich CO2 aus der Atmosphäre auf und speichert einen Teil in ihrem Holz.
- Tropische Regenwälder speichern 50 Prozent mehr Kohlenstoff als Wälder außerhalb der Tropen.
- Rund 15 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen werden jährlich durch das Abholzen, Waldbrände und die Übernutzung von Wäldern verursacht.
Die gewünschte CO2-Bilanz lässt sich nur erreichen, wenn die Treibhausgasquellen zügig reduziert und gleichzeitig die Senken – also Wälder – vergrößert werden. Um hier nichts schönzurechnen, müssen Produkte, die langfristig Kohlenstoff speichern, separat angerechnet werden. Sie dürfen nicht mit natürlichen Senken verrechnet werden. Die Umbenennung von geernteten Holzprodukten in kohlenstoffspeichernde Produkte lehnen WWF Deutschland und 19 weitere Umweltschutzorganisationen daher ab: Der Begriff impliziere, dass eine langfristige Speicherung von Kohlenstoff erfolgt, was bei den überwiegenden Nutzungsarten (Bioenergie, Papier, Pappe, kurzlebige Holzprodukte, rund 80 Prozent der Holzprodukte in Deutschland) nicht gegeben sei.
Die Tropen: unsere globalen Klimaanlagen
Von besonderer Bedeutung für den Klimaschutz sind tropische Regenwälder mit ihrer enorm großen oberirdischen Biomasse. Sie speichern 50 Prozent mehr Kohlenstoff im Bestand als Wälder außerhalb der Tropen. Zudem steuern diese gigantischen Waldlandschaften durch Verdunstung und ihre Wasserkreisläufe das Wetter. Sie funktionieren wie globale Klimaanlagen: Die Bäume setzen die auf ihre Kronen einstrahlende Sonnenenergie in Wasserdampf um, der einen kühlenden Effekt auf die Atmosphäre hat. Dortige Rodungen forcieren den Klimawandel erheblich. Auch die bisherige Klimaveränderung hat bereits einen direkten Einfluss auf die Vitalität der Tropenwälder. Dauert dieser Trend an, gehen wichtige Funktionen der Wälder verloren. Teile der Wälder im Amazonasbecken sind im letzten Jahr bereits CO2-Quellen gewesen. Dennoch entfallen immer noch rund zwei Drittel der globalen Entwaldung auf die Tropen und Subtropen.
Um hier gegenzusteuern, beteiligt sich der WWF unter anderem daran, eine Biomassekarte im größten nationalen Waldgebiet des Kongobeckens zu erstellen, der Mai Ndombe Region. Diese erlaubt mithilfe von Daten und hochauflösenden Fotos eine detaillierte Schätzung über die Kapazität der dortigen Waldbestände, Kohlenstoff zu speichern. 430.000 Hektar Wald wurden dafür überflogen und hochauflösende Fotoaufnahmen der Waldoberfläche aufgenommen. Die Biomassekarte dient als Grundlage für die zukünftige Berechnung der Kohlendioxidemissionen im größten nationalen Waldgebiet des Kongobeckens und stellt Klimaschutzinitiativen in der Region im Rahmen des UN-Programms REDD+ (Reducing Emissions from Deforestation and Degradation) eine sehr präzise Datengrundlage zur Verfügung. Ein wichtiger Beitrag für die nachhaltige Wirtschaftsentwicklung und Armutsbekämpfung in der DR Kongo.
Dramatischer Kipp-Punkt: die Zeit drängt
Der Amazonas steht schon jetzt an der Schwelle zu dramatischen Veränderungen, die in erster Linie auf den ungebremsten intensiven Landnutzungswandel zurückzuführen sind und durch den Klimawandel verstärkt werden. Abholzung, Dürre und Waldbrände setzen große Mengen an CO2 frei, das bislang dort gebunden war.
Schreitet die Entwicklung weiter voran, hätte dies enorme Auswirkungen auf die Klimaregulierung des Amazonasgebietes. Die Niederschlagsmenge im Osten Amazoniens wird sich bis zum Ende des Jahrhunderts voraussichtlich um über 20 Prozent verringern. Damit stiege die dortige Temperatur um über 2°C, vielleicht sogar um bis zu 8°C. Die Folge: Ausbreitung von Trockenheit und Hitze. Großflächiges Waldsterben sowie die Ausbreitung von savannenähnlichen und semiariden Vegetationsformen wären die Folgen und könnten Trockenheit und Hitze noch verstärken. Damit würde der heutige Stabilisator des Klimas, der Tropenwald, sein CO2 freisetzen – also zu einem noch größeren Motor der globalen Erwärmung werden, als die schon laufende Waldzerstörung es bereits tut.
Das könnte dann auch die großen Meeresströmungen im Atlantik beeinflussen, die ihrerseits eine wichtige Rolle für das globale Klima spielen. Denn 15 bis 20 Prozent des weltweiten Süßwasserabflusses kommen aus diesen Wäldern und fließen in den Atlantik.
Heute kann dieser „Point of no Return“ noch vermieden werden. Ein Vorteil ist, dass die Wälder derzeit noch schnell wieder nachwachsen, wenn sie nicht mehr als landwirtschaftliche Fläche genutzt oder Feuern ausgesetzt werden. Sind sie davor geschützt, entwickeln die meisten degradierten Flächen im Amazonasgebiet wieder ein geschlossenes Blätterdach und könnten helfen, innerhalb von 15 Jahren die Niederschläge wieder zu stabilisieren. Je länger der Wald sich erholen kann, desto mehr nimmt seine Brennbarkeit ab. Die Menge des Wasserdampfs in der Atmosphäre nimmt wieder zu und bildet dort wieder mehr Regenwolken. Der vermehrte Regen erleichtert wiederum die Erholung des Waldes, und die Häufigkeit von Waldbränden nimmt weiter ab.
Bremsen mit Effekt
Die Entwaldung im Amazonas lässt sich aber weiterhin verhindern und aufhalten. Aber nur, wenn
- in bilateralen Abkommen keine Produkte und Mechanismen aufgenommen werden, die mit Entwaldung und Waldschädigung zu tun haben oder diese fördern können.
- die Gesetzgebung gegen Entwaldung und Waldschädigung in der EU vorangetrieben wird, eine wirklich effektive Verordnung zum Stopp der durch die EU verursachten Entwaldung und Naturzerstörung erlassen wird.
- andere Länder und Kontinente davon überzeugt werden können, dass das Aufhalten der Entwaldung und Waldschädigung einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz beiträgt.
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