Die Entlastungsmaßnahmen der Bundesregierung sind derzeit in aller Munde, ein drittes Paket der Ampel-Koalition ist in Arbeit. Ziel ist es, die Bürger:innen „mit den stark steigenden Energiepreisen nicht allein“ zu lassen. Doch wie sinnvoll und vor allem sozial gerecht und ökologisch sind Heizkosten-Zuschüsse & Co.? Eine aktuelle Studie des DIW Econ im Auftrag der Klima-Allianz Deutschland zeigt: Im geplanten dritten Paket müssen verteilungsgerechte und klimafreundliche Maßnahmen auf den Weg gebracht werden.

Die Studie des DIW Econ „Zielgerichtet, ökologisch und sozial? Bewertung energiepolitischer Entlastungsmaßnahmen“ kommt unter anderem zu dem Ergebnis, dass die bisherigen Maßnahmen der Entlastungspakete I und II angesichts der zunehmenden Unsicherheit in der Energieversorgung wahrscheinlich nicht ausreichen, um Preisanstiege adäquat auszugleichen.

Sie sind ein erster Schritt in die richtige Richtung, doch vor allem die unteren Einkommensgruppen und Renter:innen werden bei den Entlastungsmaßnahmen bisher nicht genügend berücksichtigt – das kritisieren auch Sozialverbände. Einzelne Eingriffe wie der Tankrabatt setzen zudem falsche Anreize im Kampf gegen die Klimakrise.

Das Entlastungspaket III im Detail

Die Studie im Auftrag der Klima-Allianz Deutschland nimmt fünf Maßnahmen zur Entlastung der Bevölkerung unter die Lupe, die aktuell im Rahmen des Entlastungspaket III diskutiert werden. Im Fokus stehen dabei die Fragen: Wie gerecht sind die Maßnahmen? Wie gut sind sie umsetzbar? Und wie klimafreundlich sind sie?

Preisdeckel für einen Gasgrundbedarf

Baustelle einer Erdgas-Pipeline bei Wrangelsburg © Stefan Dinse / iStock / Getty Images
Baustelle einer Erdgas-Pipeline bei Wrangelsburg © Stefan Dinse / iStock / Getty Images

Um Insolvenzen im Bereich der Gasversorgung zu verhindern, hat die Bundesregierung die Gasumlage eingeführt, mit deren Hilfe die Gasanbieter die gestiegenen Preise an Verbraucher:innen weitergeben können. Zusätzlich ist ein Gaspreisdeckel in der Diskussion: Bis zu einem bestimmten Maximalverbrauch soll der Gaspreis pro Kilowattstunde einen festgelegten Wert nicht übersteigen. Wird mehr verbraucht, soll der aktuelle (nicht gedeckelte) Marktpreis gezahlt werden.

Für die Verbraucher:innen wird das Gas damit erheblich teurer – gerade auf einkommensschwache Familien kommen Kosten zu, die nur schwer zu stemmen sind. Eine Preisregulierung würde zwar die Preisentwicklung dämpfen, ist der Studie zufolge aber nur begrenzt zielgenau: Denn davon profitieren auch Haushalte mit hohem Einkommen. Gerade was den Maximalverbrauch angeht ist eine solche Regelung nicht sozial gerecht. Denn Haushalte mit höheren Einkommen haben häufig Wohnungen mit ohnehin geringeren Verbrauchswerten als Haushalte mit niedrigerem Einkommen (Isolierglasfenster, Wärmedämmung an der Fassade etc.).

Aus ökologischer Perspektive ist ein Gaspreisdeckel der Studie zufolge ebenfalls als negativ zu betrachten. Denn wird der Preis reguliert und gedeckelt, fehlt der Anreiz, so viel Gas einzusparen wie möglich. Ökologisch sinnvoller und sozial gerechter sind der Klima-Allianz Deutschland zufolge die zielgerichtete Ausweitung von pauschalen Zuschüssen. Sie könnten die gestiegenen Kosten der Haushalte decken, ohne dass gedeckelte Preise Anreize zum Energiesparen verzerren.

Erweiterter Heizkostenzuschuss

Thermostat © AndreyPopov / iStock / Getty Images
Thermostat © AndreyPopov / iStock / Getty Images

Ein pauschaler Heizkostenzuschuss für alle Haushalte würde zwar für zeitnahe Entlastungen sorgen, wäre aber nicht sozial gerecht, denn er würde gleichmäßig auf alle Haushalte verteilt – unabhängig von deren Verbrauch und Bedarf. Da der Bedarf aber stark von der individuellen Wohnsituation abhängt, droht eine Situation, in der einige Haushalte überkompensiert werden, während stark betroffene Haushalten keine spürbare Entlastung erhalten.

Die Bundesregierung diskutiert daher aktuell einen Vorschlag, einen zielgerichteten Heizkostenzuschuss an Wohngeldempfänger:innen zu zahlen. Eine solche Bedarfsorientierung hätte den Vorteil, dass durch den kleineren Empfänger:innenkreis mehr Pro-Kopf-Mittel zur Verfügung stehen und gezielter effektive Entlastungen geschaffen werden können.

Aus ökologischer Sicht ist die Regelung der Studie zufolge kritisch zu betrachten: Denn eine solche Entlastung schafft nur bedingt Anreize, den Gasverbrauch dauerhaft zu reduzieren. Mittel- und langfristig müsse auf energetische Sanierung von Wohngebäuden gesetzt werden und Preissteigerungen müssten im Rahmen eines Klimageldes abgefedert werden.

Erschwingliches Ticket für den ÖPNV

Öffentlicher Nahverkehr © David Bebber
Öffentlicher Nahverkehr © David Bebber

In der aktuellen Debatte zu weiteren Entlastungsmaßnahmen im Mobilitätsbereich sticht der viel diskutierte Vorschlag eines langfristigen 29-Euro-Monatsticket besonders hervor. Dieses Ticket würde es ÖPNV-Kund:innen erlauben, für umgerechnet einen Euro am Tag den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen.

Die Studie zeigt, dass ein deutschlandweites 29-Euro-Ticket besonders Menschen mit geringem Einkommen unterstützt und einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leistet. Eine attraktive Preisgestaltung muss aber zwingend mit mehr Investitionen in den Ausbau der Bahninfrastruktur verknüpft werden.

Die Finanzierung eines 29-Euro-Tickets kann durch die Abschaffung klimaschädlicher Subventionen, beispielsweise des Dienstwagenprivilegs, sichergestellt werden. Das wäre eine Win-win-Situation für mehr Gerechtigkeit und Klimaschutz im Verkehrsbereich.

Reform der Pendlerpauschale

Autobahnstau © Ralph Frank / WWF
Autobahnstau © Ralph Frank / WWF

Bisher wird durch die Pendlerpauschale jeder Kilometer ab einer Distanz von zehn Kilometern bis zum zwanzigsten Pendelkilometer mit 30 Cent/km und jeder Kilometer darüber hinaus mit 38 Cent/km subventioniert. Eine solche Pauschale fördert lange Arbeitswege und ist somit klimapolitisch fragwürdig. Auch ist sie nicht sozial gerecht, da die Pauschale das zu versteuernde Einkommen reduziert; Besserverdiener:innen werden also stärker entlastet als Geringverdiener:innen.

Der Tankrabatt und die Anhebung der Pendlerpauschale haben massive ökologische Fehlanreize gesetzt und kamen überwiegend Menschen mit höherem Einkommen zugute. Besser wäre eine Umstrukturierung der Pendlerpauschale zu einem Mobilitätsgeld von 10 Cent/km. Ein nach Verkehrsmitteln gestaffeltes Mobilitätsgeld könnte den Anreiz erhöhen, den Arbeitsweg mit klimafreundlichen Verkehrsmitteln zurückzulegen. Gleichzeitig entlastet es im Gegensatz zur Pendlerpauschale geringe Einkommen stärker, indem es die gesamte Einkommensteuerschuld von Pendler:innen reduziert.

Pflanzliche Lebensmittel vergünstigen

Gemüse im Stoffbeutel © Shutterstock / Poring Studio
Gemüse im Stoffbeutel © Shutterstock / Poring Studio

Infolge der steigenden Erzeugerpreise steigen bereits seit Mitte 2021 auch die Verbraucherpreise für Güter des täglichen Bedarfs. Einkommensschwache Haushalte sind hiervon besonders stark betroffen. In den ersten beiden Entlastungspaketen wurden bereits verschiedene Einmalzahlungen für arme und einkommensschwache Haushalte auf den Weg gebracht, um die höheren Kosten abzufedern. Doch nach wie vor bleiben einkommensschwache Haushalte bei Lebensmitteln & Co. stark belastet und Einmalzahlungen helfen nur bedingt. Aus ökologischer Sicht stuft die Studie die Maßnahmen als „neutral“ ein: sie hätten zwar keinen negativen Effekt, aber auch „keine positive Lenkungswirkung im Hinblick auf ein klimafreundlicheres Verhalten“.

Um die Preissteigerungen abzufedern, schlägt die Studie daher eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf pflanzliche Grundnahrungsmittel vor. Mit dieser breit wirkenden Maßnahme kann die Bundesregierung Entlastungen mit einem klaren Impuls für klimafreundliche Lebensmittel verbinden.

Die Forderungen des WWF: Ein sozial gerechtes und klimafreundliches Entlastungspaket III

Aufgrund der weiterhin hohen fossilen Energiepreise sind der Studie zufolge vor allem zielgerichtete Zuschüsse für Haushalte mit geringem Einkommen notwendig. Wir fordern ein gerechtes und klimafreundliches Entlastungspaket. Eine abgestimmte, zukunftsweisende Gesamtlösung, die die aktuelle finanzielle soziale Notlage vieler Menschen ausgleicht, gesellschaftliche Lasten zur Krisenbewältigung gerecht verteilt und unsere Abhängigkeit von fossilen Energieträgern reduziert: Das ist unser Anspruch an die Bundesregierung!

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