In der aktuellen Debatte ist immer häufiger von sogenannten „klimaneutralen Treibstoffen“ oder „erneuerbaren Kraftstoffen“ die Rede. Dabei handelt es sich meist um Treibstoffe, die mittels Carbon Capture and Utilization (CCU) aus Kohlendioxid hergestellt werden. Weil bei der Herstellung Kohlendioxid verbraucht wird, werden Treibstoffe aus CCU-Prozessen gern als „klimaneutral“ dargestellt. Doch das ist irreführend!

Der WWF beobachtet die Debatte um das vermeintlich große Klimaschutzpotential von CCU (siehe WWF-Positionspapier und Factsheets) mit großer Sorge und fordert, dass die Erneuerbaren Energien Richtlinie der EU (RED) für „erneuerbare Kraftstoffe“ klare Nachhaltigkeitskriterien festlegt. Auch für den Import von Treibstoffen aus CCU-Verfahren muss gelten, dass:

  • 100 % Strom aus erneuerbaren Energien genutzt wird
  • Fossile CO2-Quellen ausgeschlossen werden
  • Eine Lebenszyklusanalyse erfolgt und eine Mindesteinsparung gegenüber dem existierenden Vergleichskraftstoff nachgewiesen wird - zum Beispiel mindestens 70% der Treibhausgaseinsparung in Summe.


Ohne diese Kriterien läuft die EU Gefahr, Kraftstoffe als „erneuerbar“ zuzulassen, die im Ergebnis höhere Treibhausgasemissionen verursachen als herkömmliche Kraftstoffe und die zu erhöhtem Verbrauch fossiler Energieträger führen.

Wofür stehen die verschiedenen Begriffe in der CCU-Diskussion?

  • Unter CCU (Carbon Capture and Utilization) versteht man eine Gruppe von neuen Verfahren, mit denen man die gleichen Stoffe herstellt, die heute als fossile Energieträger bergmännisch gefördert oder aus fossilen Energieträgern mit emissionsintensiven Prozessen der Grundstoffchemie hergestellt oder ersetzt werden. Dazu gehören vor allem Methan (Erdgas), Treibstoffe (Benzin, Diesel, Kerosin), Synthesegas und andere Grundchemikalien als Ausgangsmaterial für die Herstellung von z.B. Kunstoffen, Farben,  Körperpflegeartikeln und weiteren Produkten der chemischen und pharmazeutischen Industrie. CCU verwendet jedoch Kohlendioxid (CO2) und Wasser und einen strombasierten Prozess (Elektrolyse), um diese Stoffe zu erhalten.
  • Power-to-Gas bezeichnet eine Gruppe von Verfahren, wobei durch Elektrolyse gasförmige Energieträger hergestellt werden. Es handelt sich dabei in der Regel entweder um Wasserstoff (H2, ausgehend von Wasser) oder um das Erdgas-Äquivalent Methan (CH4, ausgehend von Wasser und Kohlendioxid).
  • Ähnlich funktioniert Power-to-Liquid. Darunter versteht man eine Gruppe von Verfahren, bei denen durch Elektrolyse flüssige Energieträger hergestellt werden. Power-to-Liquid-Verfahren sind CCU-Verfahren, deren Produkte Äquivalente von Benzin, Diesel und Kerosin (Flugbenzin) sind.
  • Power-to-X betont als Oberbegriff die Vielfalt der Produkte und Anwendungen, die aus Strom bereitgestellt werden können. Er schließt sämtliche Power-to-Gas, Power-to-Liquid und CCU-Verfahren ein und könnte in Zukunft auf weitere Elektrolyseverfahren, zum Beispiel zur Herstellung stickstoffhaltiger Verbindungen, ausgeweitet werden.
  • „Renewable liquid and gaseous transport fuels of non-biological origin“ ist der Fach-begriff aus der Erneuerbaren Energien Richtlinie der EU (RED) für die Power-to-X-Produkte im Verkehrssektor. Laut der EU kann durch sie der Anteil der erneuerbaren Energien im Straßenverkehr gesteigert werden. Die von der EU gewählte Bezeichnung ist leider irreführend, denn „renewable“ wären diese Produkte nur, wenn eine Reihe von Kriterien an deren Herstellung geknüpft worden wären. 

CCU ist nicht klimaneutral

Unter einem Kohlenstoffkreislauf versteht man die chemische Umwandlung kohlenstoffhaltiger Verbindungen, ohne dass dabei zusätzliches CO2 in die Atmosphäre entweicht. Das ist auch das ultimative Ziel von CCU.

Doch wird CCU für die Herstellung von Treibstoffen im Verkehr verwendet, entsteht kein Kohlenstoffkreislauf. CO2 strömt weiterhin in die Atmosphäre. Wird mit CCU-Gas in Wohnhäusern geheizt, entsteht ebenfalls kein Kohlenstoffkreislauf. Bei der Herstellung chemischer Grundstoffe und bei der Verwendung als Langzeitspeicher im Energiesystem können jedoch klar nachvollziehbare, von den Anlagenbetreibern kontrollierbare Kohlenstoffkreisläufe entstehen. Für CCU wird aber sehr viel Strom benötigt. Ob der Kohlenstoffkreislauf dann auch klimaneutral ist, hängt davon ab, wie der Strom hergestellt wird.

Schlecht für unser Trinkwasser: Viel Masse macht auch viel Mist

Wer nur so viele Tiere hält, wie er vom eigenen Hof ernähren kann, braucht keine Sorge vor zu viel Mist zu haben. Deshalb gibt es die flächengebundene Tierhaltung: Auf einem Biohof müssen mindestens 20 Prozent des Futters vom eigenen Betrieb oder aus regionalen Betriebskooperationen stammen. „Bei Bio-Verbänden wie Bioland und Demeter ist es sogar mindestens die Hälfte“, betont Markus Wolter vom WWF. Werden zu viele Tiere pro Fläche gehalten, kann der Boden ihren Mist und ihre Gülle nicht aufnehmen. Stoffe daraus versickern ins Grundwasser oder verdunsten in die Atmosphäre. In Gebieten Deutschlands mit sehr vielen konventionell gehaltenen Tieren wie zum Beispiel in Westfalen oder im westlichen Niedersachsen gibt es dadurch große Probleme mit dem Trinkwasser.

CCU ist ein Stromfresser

CCU benötigt in Relation zu Vergleichsprozessen etwa die fünffache Strommenge. Fährt ein Auto zum Beispiel mit CCU-Benzin, so ist sein Stromverbrauch circa fünf Mal so groß wie der eines Elektroautos. Verwendet eine Wohnhausheizung CCU-Heizgas, so verbraucht sie circa fünf Mal so viel Strom wie eine Wärmepumpe. Die zusätzlichen Strombedarfe für die Herstellung chemischer Grundstoffe könnten die Größenordnung heutiger Stromverbräuche erreichen. 

t zudem das Grund- und Flusswasser. Bei uns in Deutschland wiederum führt der übermäßige Einsatz von Futter- und Düngemitteln aus Übersee zur Überdüngung und zur Belastung des Grundwassers mit Nitraten und Phosphor. Auch für das Klima bedeutet die Intensivtierhaltung eine größere Belastung als der ökologische Landbau.

CCU kann nur wenig zum Einsparen von Treibhausgasen beitragen

Das Treibhausgaspotential von CCU-Verfahren und Produkten ist von Fall zu Fall sehr unterschiedlich. Aber mit dem heutigen deutschen Strom verursachen fast alle CCU-Produkte mehr klimaschädliche Emissionen als der Status quo. Erst wenn die Kohlekraftwerke abgeschaltet sind und die deutsche Stromversorgung zu ca. 80 % aus erneuerbaren Energien erfolgt, würden die mit CCU-Benzin fahrenden PKW mit den normalen Benzinern gleichauf liegen. Nennenswerte Einsparungen erzielen kann man erst mit nahezu 100 Prozent erneuerbarem Strom.

Aktuelle Szenario-Studien, die diese Problematik im Kontext von Energiewende und Klimaschutz detaillierter beleuchten und quantifizieren, haben Energieeffizienz, Direktelektrifizierung und Wasserstoff über Power-to-Gas als die vorrangigen und vorteilhafteren Technologieoptionen ermittelt. Die verbleibenden Potentiale werden dann über CCU realisiert, wobei CCU-Treibstoffe überwiegend oder ausschließlich importiert werden.

In Summe über alle CCU-Potentiale könnten lediglich ein bis maximal acht Prozent der CO2 Emissionen durch CCU gemindert werden. Aus Klimaschutzsicht kann man CCU mithin auch sehr kritisch als ein Ablenkungsmanöver werten. Es wird der Eindruck erweckt, als wäre es nicht wirklich nötig, fossile Emissionen zu mindern, denn das aus Kraftwerken und Industrieanlagen stammende CO2 wäre ja ein wertvoller Rohstoff. In der Tat führt an weitreichenden CO2-Vermeidungsmaßnahmen nichts vorbei, denn selbst bei maximaler Ausnutzung sämtlicher CCU-Potentiale müssten 99 bis 92 Prozent schlicht vermieden werden.

CCU in der klimaneutralen Wirtschaft

Andererseits ist für das Ziel der Klimaneutralität jeder Beitrag nötig, und auch die Treibhausgasminderung durch CCU – so gering sie auch sein mag – wird gebraucht.

Die größere Bedeutung von CCU liegt allerdings in einer erweiterten Perspektive von Sicherung der Rohstoffbasis und Ressourceneffizienz. In einer nahezu 100 % auf erneuerbaren Energien basierenden Energieversorgung bilden CCU-Prozesse eine Option zur Langzeitspeicherung von Strom und tragen durch flexible, an die Wetterverhältnisse angepasste Fahrweise zur Stabilität des Gesamtsystems und zur maximalen Ausnutzung aller verfügbaren Strommengen bei. In einer klimaneutralen Wirtschaft, die Erdöl, Erdgas und Kohle nicht mehr verwendet, bilden CCU-Prozesse neben Biomasse aus nachhaltiger Herstellung die neue Rohstoffbasis für die chemische Industrie. Für Mobilitätsanwendungen, für die derzeit keine anderen Antriebe vorstellbar sind, insbesondere Flugverkehr, stellen CCU-Treibstoffe ebenfalls eine Alternative zu erdölbasierten Treibstoffen dar.