Im Frühjahr 2025 beschloss der Bundestag die Einrichtung eines Sondervermögens für Infrastruktur und Klimaneutralität. Dafür wurde das Grundgesetz um den Artikel 143h erweitert. Aktuell geht es um die konkrete rechtliche Ausgestaltung des Sondervermögens. Die wichtigsten Fragen mit Blick auf Klima und Biodiversität beantworten wir hier.

1. Welche Ziele werden mit dem Sondervermögen verfolgt?

Windräder © iStock / GettyImages
Windräder © iStock / GettyImages

Die Politik möchte mit den neu geschaffenen Mitteln den Investitionsstau im Land auflösen und die Modernisierung vorantreiben. Dafür sind laut neuem Artikel 143h Grundgesetz „zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur“ und „zusätzliche Investitionen zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2045“ in Höhe von insgesamt 500 Mrd. Euro in den kommenden zwölf Jahren vorgesehen.

100 Mrd. Euro der Summe gehen an Länder und Kommunen, 100 Mrd. Euro an den bestehenden Klima- und Transformationsfonds (KTF). Zudem sind 300 Mrd. Euro für weitere Programme und Maßnahmen des Bundes vorgesehen. Die generelle Ausrichtung des Sondervermögens ist klar: Es geht um zusätzliche Investitionen in eine zukunftsfähige Infrastruktur, die Erreichung der verfassungsrechtlich festgelegten Klimaziele sowie übergreifend um Impulse für Innovation und Wirtschaftskraft.  

2. Warum ist Klimaschutz beim Sondervermögen besonders wichtig?

Bei der gesetzlichen Ausgestaltung des Sondervermögens nimmt die Orientierung am Ziel der Klimaneutralität eine besondere Stellung ein. Dieses Ziel ist einerseits expliziter Bestandteil des Bundestagsbeschlusses. Andererseits ergibt sich aus verfassungsrechtlicher Sicht die Notwendigkeit, die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen zu priorisieren. Dies hat ein aktuelles Rechtsgutachten nochmals verdeutlicht. In dem Gutachten wird auf die feste Verankerung von Klima- und Umweltbelangen im Grundgesetz verwiesen. So bezieht sich Artikel 20a GG auf den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen – und damit unter anderem auf den Schutz des Klimas. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang die intertemporale Freiheitssicherung hervorgehoben.

Das heißt: Wir müssen jetzt und in den unmittelbar folgenden Jahren unsere CO2-Emissionen in ausreichendem Maß mindern. Anstrengungen zur Treibhausgasreduktion dürfen nicht auf die Zeit nach 2030 oder gar 2035 vertagt werden. Der Umbau bei Mobilität, Wärme und Strom ist demnach zeitnah zu leisten. Das Klimaschutzgesetz (KSG) legt hierfür die entsprechenden Emissionspfade fest. Nochmalige Konkretisierungen sind spätestens mit dem Klimaschutzprogramm nötig, welches die Bundesregierung bis zum 25. März 2026 vorlegen muss. Darin ist zu zeigen, wie die zulässigen Emissionsmengen bis 2040 und darüber hinaus konkret eingehalten werden können – inklusive der hierfür notwendigen Finanzierung.  Schon jetzt ist abzusehen: Ein rechtmäßiges Klimaschutzprogramm 2026 wird auf die Mittel aus dem Sondervermögen angewiesen sein, auch über den Klimatransformationsfonds hinaus.

3. Wie sieht eine zukunftsfähige Infrastruktur aus?

Netzinfrastruktur © Chris Martin Bahr / WWF
Netzinfrastruktur © Chris Martin Bahr / WWF

Aus der deutlichen Verankerung von Klimaschutz im Grundgesetz folgt für die Errichtung und Verausgabung des Sondervermögens: Eine moderne und zukunftsfähige Infrastruktur muss eine klimaorientierte und sozial gerechte Infrastruktur sein. Mit der jährlichen Zuweisung von zusätzlichen 10 Mrd. Euro an den Klima- und Transformationsfonds (KTF) bis 2035 ist ein erster, dringend notwendiger Schritt getan. Ein konsequenter und verfassungskonformer Klimaschutz geht jedoch wesentlich weiter. Letztlich dürfen sämtliche Investitionen – auch die Gelder für Länder und Kommunen sowie die zusätzlichen Bundesmittel – den deutschen Klimazielen nicht widersprechen. Zudem sollte ein Großteil der Gelder unter Klima- und Biodiversitätsgesichtspunkten wirkungsvoll investiert werden. Auch ist immer auch die soziale Ausgestaltung von Investitionen und Förderungen mitzudenken.  

Zu berücksichtigen ist dabei stets: Öffentliche Mittel dürfen den verfassungsrechtlich festgeschriebenen Klimaneutralitätszielen nicht entgegenlaufen. Dies wäre beispielsweise bei Investitionen in veraltete fossile Strukturen der Fall. Hier drohen fatale Lock-in-Effekte. Wie auch auf EU-Ebene sollte daher bei allen Vorhaben gelten: Do no significant harm. 

Ein konsequenter Klimaschutz ist jedoch nicht nur rechtlich geboten, sondern auch volkswirtschaftlich sinnvoll. Studien zeigen, dass uns nicht umgesetzte Klimaschutzmaßnahmen mit jedem Jahr teurer zu stehen kommen – Zögern kostet. Zudem sind Investitionen in Klima und Biodiversität vielfach Investitionen in echte Zukunftsbranchen. So steigt das Marktvolumen für Umwelttechnik und Ressourceneffizienz seit Jahren kontinuierlich; Deutschland ist bereits heute einer der Weltmarktführer und könnte seine Position weiter ausbauen. Die Signalwirkung für Unternehmen und private Investitionen ist also bei der Ausgestaltung des Sondervermögens mitzudenken.

4. Wofür sollte das Sondervermögen konkret ausgegeben werden?

Das Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität zielt auf die Modernisierung des Landes und die Sicherung seiner Zukunftsfähigkeit. Entscheidend ist also, dass das Geld tatsächlich in Maßnahmen und Projekte fließt, die Zukunftsfähigkeit im Blick haben. Das Ziel der Klimaneutralität ist hierfür wesentlich und sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich geboten. So gilt die Erreichung von Klimaneutralität als „objektiver Verfassungsauftrag“ 

Wenn Deutschland seine gesetzlich fixierten CO2-Reduktionsziele erreichen möchte, braucht es klare Umsetzungsmaßnahmen – und umfangreiche öffentliche Investitionen. Der Expertenrat für Klimafragen geht von 29 bis 84 Mrd. Euro aus, die bis 2030 pro Jahr notwendig sind, der WWF von mindestens 50 Mrd. Euro. Diese Mittel müssen auch mit Hilfe des Sondervermögens schnell mobilisiert werden. Nur so kann der bisherige Rückstand bei der Zielerreichung aufgeholt werden. Nicht zuletzt das Klimaschutzprogramm 2026, das sich an konkreten Emissionsminderungen messen lassen muss, wird auf klimaschutzgerechte Investitionen aus dem Sondervermögen angewiesen sein.

In den einzelnen Sektoren kommen verschiedene Maßnahmen beispielhaft in Frage – von energetischer Sanierung über die Förderung von Schiene und ÖPNV bis hin zur Unterstützung industrieller Transformation. Mitzudenken ist dabei immer auch die sozial gerechte Ausgestaltung der Maßnahmen, unter anderem in Bereichen wie Mobilität und Wärmeversorgung.

Investieren in Zukunftsfähigkeit und Klimaneutralität heißt auch: Kein Geld für fossile Technologien und Strukturen von gestern! Es darf keine neugebauten Autobahnen, keine Erschließung neuer Gasfelder und keine Förderung von Hybridfahrzeugen über das Sondervermögen geben. Auch die Senkung von Strompreisen ist keine investive Aufgabe im Sinne der Schaffung einer nachhaltigen Infrastruktur.

Was hingegen wichtig ist: die Einrichtung einer effizienten Kontrolle und Evaluation. Die zielgerichtete Verwendung der Mittel für eine nachhaltige, moderne und klimagerechte Infrastruktur muss kontinuierlich überprüft werden.

5. Warum ist die Zusätzlichkeit der Investitionen entscheidend?

Die Zukunft ist Erneuerbar. © Huangyifei / iStock / GettyImages
Die Zukunft ist Erneuerbar. © Huangyifei / iStock / GettyImages

Ausgangspunkt für die Einrichtung des Sondervermögens für Infrastruktur und Klimaneutralität war die Feststellung, dass die öffentlichen Haushalte unter hohem Druck stehen. Notwendige Investitionen blieben vielfach aus. Mit dem nun geschaffenen finanziellen Spielraum kann in moderne Strukturen und die Zukunftsfähigkeit des Landes investiert werden. Unter anderem muss es darum gehen, die verfassungsrechtlich festgeschriebene Klimaneutralität bis 2045 auch tatsächlich zu erreichen.

Hierfür sind entschiedene Maßnahmen zur Reduktion von Emissionen notwendig, beispielsweise die energetische Sanierung von Gebäuden, der ÖPNV-Ausbau oder die Förderung kommunaler Wärmenetze. Diese Maßnahmen sind zusätzlich anzugehen und zu finanzieren. Dafür ist das Sondervermögen gedacht. Keinesfalls darf es jetzt zu einem „Verschiebebahnhof“ kommen, bei dem Projekte aus dem regulären Haushalt umgeschichtet werden, um auf diese Weise Raum für bereits bestehende Maßnahmen zu schaffen. So sind die Mittel für Klimaschutz im Kernhaushalt mindestens konstant zu halten. Die Zusätzlichkeit ist Kern des Sondervermögens, muss aber gesetzlich noch deutlich klarer definiert und abgesichert werden. Auch die vorgesehenen Kontroll- und Evaluationsmechanismen müssen auf diesen Punkt besonders achten. 

  • Reichtagskuppel © iStock / Getty Images Klimaschutz muss Recht bekommen

    Gesetzlich verbindliche Klimaschutzziele sind die Basis für Planungssicherheit im Transformationsprozess. Weiterlesen ...

  • Reichtstagsgebäude © iStock / GettyImages Klimaschutzgesetz

    Das Klimaschutzgesetz schreibt die deutschen Klimaschutzziele bis 2030 gesetzlich verbindlich fest und schafft einen Rechtsrahmen für Klimaschutz in Deutschland. Weiterlesen...