Unseren Insekten geht es schlecht. Umso wichtiger, dass sie besser geschützt werden! Kann es eine insektenfreundliche Politik und Wirtschaft geben? Fünf deutsche Biosphärenreservate werden zu Modelllandschaften für den Insektenschutz. So sollen Maßnahmen gemeinsam mit Landnutzer:innen entwickelt und optimiert und gleichzeitig bessere politische Rahmenbedingungen für den Insektenschutz geschaffen werden.

Das Projekt BROMMI ist mit ersten Planungen im Januar 2020 gestartet und ging im Frühjahr 2021 in die Umsetzung. Fünf deutsche Biosphärenreservate werden zu Modelllandschaften für Insektenschutz. Die Biosphärenreservate stehen exemplarisch für unterschiedliche Landschaftsräume in Deutschland. Ziel ist es, die hier erprobten Maßnahmen in andere Regionen zu übertragen und so Lebensraum für Insekten in ganz Deutschland zu schaffen.

Die Verfahren und Strukturen zum Insektenschutz werden in landwirtschaftlich genutzten, aber auch kommunalen Flächen in den fünf ausgewählten Biosphärenreservaten entwickelt, erprobt, überprüft und nachjustiert. 

Das Projekt wird im Bundesprogramm Biologische Vielfalt vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) gefördert. Alle Partner beteiligen sich zusätzlich noch mit Eigenmitteln.

Die Rolle des WWF

Die Westliche Weidenjungfer (Chalcolestes viridis) © Florian Lauer / WWF
Die Westliche Weidenjungfer (Chalcolestes viridis) © Florian Lauer / WWF

Der WWF übernimmt die Koordination des Gesamtprojektes und fungiert so als Schnittstelle zwischen Umsetzung und Forschung, Behörden und Öffentlichkeit. Damit sichert der WWF die enge Abstimmung zwischen allen Partner:innen und gewährleistet die konsequente Verzahnung zwischen Forschung und Umsetzung ebenso wie die Bündelung der Ergebnisse.

Die Schaffung von mehr Lebensraum für Insekten und die Etablierung einer insektenfreundlichen Landwirtschaft gelingen nur mit gesellschaftlichem Rückhalt. BROMMI wird daher gemeinsam mit den Schlüsselgruppen nach Lösungen suchen und durch eine intensive Politik- und Öffentlichkeitsarbeit die Bedeutung der Insekten kommunizieren. 

Dabei will BROMMI die Bevölkerung für eine dauerhafte Förderung des Insektenschutzes in der Fläche mobilisieren und gleichzeitig die politischen Rahmenbedingungen für den Insektenschutz verbessern.

Insekten sind ein entscheidender Teil des Fundamentes, auf dem wir unseren Wohlstand aufbauen. Ohne sie wird das Leben, wie wir es kennen, nicht weiter gehen. Nicht nur die Regale im Supermarkt bleiben leer, auch der Gesang der Vögel verstummt und unser Boden verliert seine Fruchtbarkeit.

Florian Lauer, Projektmanager Insektenschutz, WWF Deutschland

Insektenschutz politisch verankern

Das Projekt wird viele Ansätze zunächst modellhaft ausprobieren. Die gewonnenen Erkenntnisse wird der WWF intensiv kommunizieren und sich so auf bundesweiter politischer Ebene ebenso wie auf Länderebene für die Anpassung der Förderrichtlinien und Gesetzgebungen mit Blick auf den Nutzen von Insektenschutz engagieren. Fachliche und wissenschaftliche Erkenntnisse werden an die entsprechenden Entscheidungsträger:innen weitergegeben, um Grundlagen für die politische Arbeit zu schaffen und die Verantwortlichen mit wissenschaftlichen Erkenntnissen bei der Schaffung politischer Rahmenbedingungen zu unterstützen. 

Dabei wird der WWF Synergieeffekte zu den verschiedenen Arbeitsbereichen herausarbeiten und aufbereiten. So werden gezielte Vorschläge für eine Optimierung der Förderstrukturen und die Weiterentwicklung von Gesetzgebungen für den Insektenschutz erarbeitet. 

Das Thema Insektenschutz und die Projektergebnisse werden in die kontinuierlich stattfindende Kommunikation integriert und auf alle politischen Ebenen übertragen. Durch Lobbyarbeit wird das Thema auch in Parteiprogramme und Koalitionsverträge eingebracht.  

Warum das Ganze?

Zwei Hirschkäfer © Florian Lauer / WWF
Zwei Hirschkäfer © Florian Lauer / WWF

Trends aus mehr als 100 Langzeitstudien zeigen, dass 37 Prozent aller Insektenarten rückläufige Vorkommen aufzeigen, während Populationen von 18 Prozent der Arten, welche einen direkten Bezug zur Landwirtschaft haben (darunter auch Schädlinge!), ansteigen.

Global ist ein Aussterben von etwa 40 Prozent aller Insektenarten innerhalb der nächsten Jahrzehnte zu befürchten. Die Ausmaße sind so groß, dass mittlerweile vom sechsten großen Massenaussterben gesprochen wird.

Gerade der Rückgang der früher häufigen Arten ist besorgniserregend, da sie einen großen Einfluss als Nahrung haben und wichtige Akteure bei den Ökosystemleistungen sind.

Diverse Faktoren begünstigen das Artensterben

Verantwortlich für den Rückgang der Insekten sind vielfältige Faktoren, welche sich häufig gegenseitig beeinflussen und je nach Art unterschiedlich wirken. Die genaue Ursache für den Rückgang einer Art muss daher nicht automatisch auch für andere Arten zutreffen.   

Dennoch können als Haupttreiber für den Rückgang folgende Faktoren in Reihenfolge ihres Einflusses genannt werden:  

  1. Habitatverlust durch Umwandlung in intensiv genutzte Agrarflächen und Urbanisierung
  2. Auswirkungen von Agrarchemikalien hauptsächlich durch synthetische Pestizide und Düngemittel (sowie chemische Belastungen aus Industrie und weiteren Quellen)
  3. ​​​​​​​Biologische Faktoren wie Pathogene und invasive Arten
  4. ​​​​​​​​​​​​​​Klimawandel   

Ein weiterer Faktor ist die Lichtverschmutzung. Eine Vielzahl der Insekten ist dämmerungs- oder nachtaktiv und wird somit von der Beleuchtung beeinflusst. So werden Insekten desorientiert und teilweise in ihren Entwicklungszyklen gestört. Die nächtliche Beleuchtung irritiert nachtaktive Insekten, sodass sie unablässig Laternen umschwirren, an denen sie vor Erschöpfung sterben oder von Fledermäusen und Vögeln gefressen werden.   

Die Effekte von Pflanzenschutzmitteln auf Insekten sind noch weniger gut untersucht als die anderen Aspekte des Landnutzungswandels, weswegen es hier schwerer ist, Aussagen zu treffen. Es muss berücksichtigt werden, dass im Flugradius von vielen Insekten zumeist diverse unterschiedliche Insektizide angewendet werden und diese gegebenenfalls miteinander in Wechselwirkung stehen.  

Düngemittel sorgen großflächig für einen Rückgang des Artenreichtums auf Wiesen indem nur wenige nährstoffliebende Arten begünstigt werden – mit unausweichlichen Folgewirkungen für die Insektenwelt.   

Mehr Bewirtschaftung führt nicht zu mehr Ernte

Eine Wollbiene (Anthidium florentinum) © Florian Lauer / WWF
Eine Wollbiene (Anthidium florentinum) © Florian Lauer / WWF

In einer großen Studie in Frankreich, in der 54 Hauptkulturen (die angebaute Hauptfrucht) integriert waren, wurde festgestellt, dass die Vorteile der Intensivierung der Anbaukultur mit zunehmender Abhängigkeit von Bestäubern zurückging. Dies ging so weit, dass eine weitere Intensivierung der Bewirtschaftung nicht in einem Wachstum der Ernte resultierte und sogar die Stabilität der Ernte reduzierte. Das zeigt, dass eine immer weiter geführte Intensivierung der Agrarwirtschaft langfristig negative Folgen für die Produktivität bestimmter Nutzpflanzen haben kann

Dabei wird klar, dass Insekten einen wesentlichen und nicht zu ersetzenden Bestandteil jedes terrestrischen Nahrungsnetzes auf der Erde bilden und zusätzlich diverse Leistungen wie Bestäubung, Kompostierung und Schädlingsbekämpfung erbringen.

Es gibt eine flächendeckende Zustimmung von EU-Bürger:innen, dass die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU noch immer zu wenig für den Schutz der Biodiversität und des Klimas tut. Hierbei liegen die Werte bei 92 Prozent bei Personenkreisen außerhalb der Landwirtschaft und bei 64 Prozent bei Landwirt:innen.

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