Nach den Vorstellungen von Lobbyverbänden soll die Wasserrahmenrichtlinie massiv aufgeweicht werden. Laut einem neuen Report der Verbändekoalition „Living Rivers Europe“ drängen einige einflussreiche Industrieverbände aus Energie, Chemie, Bergbau und Landwirtschaft die EU-Kommission, das für Anfang Dezember 2025 angekündigte Umwelt-Omnibuspaket zu nutzen, um die Wasserrahmenrichtline deutlich abzuschwächen.
Knapp 92 Prozent der deutschen Oberflächengewässer sind derzeit in keinem guten ökologischen Zustand. Dabei schreibt die Europäische Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) vor, dass alle Gewässer in der EU bis spätestens 2027 in einem „guten“ ökologischen und chemischen Zustand sein müssen. Diese Ziele verfehlt Deutschland bisher meilenweit. Chemisch ist sogar kein einziges Gewässer in einem guten Zustand. Trotzdem wird jetzt wieder an der Wasserrahmenrichtlinie gesägt.
„Wir fordern die EU-Kommission auf, sich den einseitigen Interessen einzelner Industrieverbände nicht zu beugen und die Finger von der Wasserrahmenrichtlinie zu lassen. Die Wasserrahmenrichtlinie wirkt und schützt Europas Gewässer und Europas Grundwasserqualität. Das hat die EU-Kommission geprüft und im sogenannten „Fitness-Check“ 2019 bestätigt. Europas Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht auf saubere, sichere und bezahlbare Wasserressourcen und intakte Gewässerökosysteme“.
WWF-Gewässerschutzexperte Dr. Ruben van Treeck
Wie die Wasserrahmenrichtlinie aufgeweicht werden soll
Zu den Forderungen der gegen den Gewässerschutz lobbyierenden Verbände zählt, dass das Verbot der Verschlechterung des Zustands von Gewässern und Grundwasservorkommen gestrichen wird. Somit könnte es wieder zu mehr Verschmutzung durch Industrie oder Landwirtschaft kommen. Außerdem soll das in der Wasserrahmenrichtlinie enthaltene Ziel, bis 2027 Europas Gewässer und Grundwasservorkommen insgesamt wieder in einen besseren Zustand zu bringen, in weitere Ferne verschoben werden.
Die Industrieverbände wollen auch das „one-out-all-out“-Prinzip abgeschafft wissen. Dieses regelt, dass die ökologische Bewertung sich nach der am schlechtesten abschneidenden Teilkomponente richtet. Fällt diese Regelung, könnten Gewässer und Grundwasservorkommen beispielsweise durch den Eintrag bestimmter Chemikalien massiv im roten Bereich sein, aber dennoch eine gute Gesamtbewertung bekommen. „Das ist, als ob man einem Gebäude, dessen Fundament verrottet ist, dennoch einen guten Zustand bescheinigt, weil das Dach intakt ist und die Wände gestrichen sind. Diese Logik ist völlig absurd und öffnet Tür und Tor für die Verschmutzung unserer Flüsse, Stillgewässer und Grundwasserspeicher“, kritisiert Wasserexperte van Treeck.
Der WWF fordert statt einer Aufweichung eine Stärkung des Gewässerschutzes. Die beschlossenen Maßnahmen der müssen umgesetzt werden, statt Richtlinien zu lockern und Fristen zu verlängern. Gesunde Gewässer und sauberes Grundwasser sind von grundlegender Bedeutung für Wasser- und Ernährungssicherheit, öffentliche Gesundheit und die Wettbewerbsfähigkeit Europas.
Was für unsere Gewässer passieren muss:
- Deutlich mehr politischen Willen die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie zu erreichen. Die Umsetzung muss klar priorisiert werden.
- Sektoren wie Landwirtschaft, Verkehr und Industrie müssen verpflichtend zur Einhaltung der Schutzziele verpflichtet werden, um Gewässer beispielsweise vor Nitratbelastungen zu schützen.
- Barrieren in Flüssen wie Wehre sollen zurückgebaut werden, um die ökologische Durchgängigkeit der Gewässer wiederherzustellen.
- Die Maßnahmenplanung muss besser gestaltet und mit ausreichenden Finanzmitteln unterlegt werden.
- Es muss ein Flächenmanagement etabliert werden, um Flächen für die ökologische Gewässerentwicklung zu sichern.
- Alle relevanten Akteure müssen frühzeitig einbezogen werden und die Öffentlichkeit soll besser über die Nutzen der Umsetzung informiert werden.
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Zustand der Gewässer in Deutschland -
Forderungen der Umweltverbände zur Reform