Sie beginnt dort, wo nationale Grenzen enden und erstreckt sich über zwei Drittel der Ozeane – fast die Hälfte unserer Erdoberfläche: die Hohe See. Sie gehört niemandem, und doch ist sie die Heimat unzähliger Lebewesen: Wale, Haie, Schildkröten, Thunfische und geheimnisvolle Tiefseebewohner ziehen hier ihre Bahnen. Und doch ist die Hohe See zunehmend unter Druck und bedroht, denn lange fehlten internationale Regeln zu ihrem Schutz. Doch das soll sich nun ändern.

Am 19. September 2025 wurde die erforderliche Anzahl an Ratifizierungen für das UN-Hochseeschutzabkommen (auch BBNJ-Abkommen / High Seas Treaty) erreicht.

Das ist nicht weniger als ein Paukenschlag und bahnbrechender Erfolg für den internationalen Meeresschutz, denn es bedeutet, dass das Abkommen zum Schutz der Hohen See am 17. Januar 2026 offiziell in Kraft treten wird. Damit gelten künftig erstmals international verbindliche Regeln für die Hohe See.

Was bedeutet „Hohe See”?

Als Hohe See werden Meeresgebiete bezeichnet, die jenseits nationaler Rechtsprechung liegen, also jenseits der max. bis zu 200 Seemeilen (370 km) ins offene Meer reichenden „Ausschließlichen Wirtschaftszonen“ (AWZ) der Küstenstaaten. Nach dem Seerechtsübereinkommen (SRÜ) der Vereinten Nationen (United Nations Convention on the Law of the Sea/UNCLOS) müssen die Staaten der Erde gemeinschaftlich über deren Schutz und Nutzung entscheiden. Dort vorhandene Ressourcen gehören allen und niemandem.

Die Hohe See ist der größte Lebensraum der Erde mit einer faszinierenden Artenvielfalt, wird aber wegen fehlender internationaler Regeln massiv ausgebeutet und ist kaum geschützt. Für die Gesundheit der Meere und das ökologische Gleichgewicht spielt die Hohe See eine zentrale Rolle – als CO2-Senke, Sauerstofflieferant und wichtige Fischereiregion.

Doch Überfischung, Lebensraumzerstörung, Verschmutzung und Versauerung beeinflussen den gesamten Lebensraum, rund 25 Prozent der bekannten Arten in der Hohen See sind bereits bedroht.

Die Biodiversität auf der Hohen See bezeichnet man als Biodiversity Beyond National Jurisdiction (BBNJ).

Und die Zeit drängt, denn die ökologische Tragfähigkeit der Meere ist zunehmend ausgereizt. Schutzgebiete auf Hoher See, wie sie durch das Abkommen in Zukunft ermöglicht werden, zählen zu den wirksamsten Instrumenten, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Jetzt kommt es darauf an, dass den Worten Taten folgen. Nicht irgendwann, sondern jetzt.

Das vom WWF unterstützte Abkommen markiert nach langjährigen Verhandlungen einen Wendepunkt im internationalen Meeresschutz. Zugleich eröffnet es aus Sicht des WWF die große Chance, global vereinbarte Ziele tatsächlich zu erreichen, wie etwa das im Weltnaturabkommen formulierte Ziel, bis 2030 30 Prozent der weltweiten Meeresfläche unter Schutz zu stellen.

„Das Abkommen ist ein Meilenstein für den Meeresschutz. Es wird endlich zwei Drittel unserer Ozeane, in denen bisher kaum Regeln galten, schützen.”

Anna Holl Buhl, Expertin für Meerespolitik beim WWF Deutschland

Kernpunkte des Abkommens

Buckelwal mit Kalb © UWPhotog / iStock / GettyImages
Buckelwal mit Kalb © UWPhotog / iStock / GettyImages

Das Abkommen setzt geeignete Leitplanken zum Schutz der Natur vor schädlichen Aktivitäten wie nicht nachhaltiger Fischerei oder Tiefseebergbau. Es ermöglicht beispielsweise die Ausweisung von Meeresschutzgebieten auf Hoher See, setzt Leitlinien für Umweltverträglichkeitsprüfungen für menschliche Aktivitäten und regelt die Verteilung von Gewinnen aus dem Nutzen von marinen genetischen Ressourcen.

Im Detail: Während Länder in ihren Hoheitsgewässern eigenständig Schutzgebiete ausweisen können, fehlt dieses Mandat bisher auf der Hohen See. Das Abkommen schließt diese Rechtslücke und schafft Zuständigkeiten und Verfahren zur Einrichtung vernetzter Meeresschutzgebiete in Regionen, die außerhalb von nationalen Gerichtsbarkeiten liegen. Auch „blaue Korridore“ für weit wandernde Walarten werden damit ermöglicht.

Es vereinfacht ebenso den Austausch zwischen Staaten und mit den über 20 internationalen Organisationen, die für die Regelung bestimmter Sektoren oder Meeresregionen in der Hohen See zuständig sind.

Das Inkrafttreten des Abkommens sorgt auch dafür, dass in Wirtschaftssektoren Entscheidungen zum Schutz der Meere umgesetzt werden müssen, wie beispielsweise in der Schifffahrt oder bei Überlegungen zum Tiefseebergbau.

Alle Aktivitäten müssen einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden. Das bedeutet beispielsweise, dass jedes neue Fischereifahrzeug, das an einer internationalen Fischerei teilnehmen möchte, auf seine kumulativen Auswirkungen hin geprüft werden muss, bevor es von seinem Flaggenstaat die Genehmigung erhält, Fischereitätigkeiten auf Hoher See auszuüben.

Der Vertrag enthält keine spezifischen Vorschriften für den Bergbau. Die Erarbeitung von Bergbauvorschriften fallen weiterhin in den Zuständigkeitsbereich der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA), obwohl die Vorschriften für Umweltverträglichkeitsprüfungen auch für eventuelle Bergbauaktivitäten gelten würden.

„Durch das Abkommen gibt es jetzt ein rechtlich bindendes Rahmenwerk, das das weltgrößte Reservoir der biologischen Vielfalt unserer Erde schützt. Der Erfolg des Vertrags hängt nun von der raschen Ratifizierung durch möglichst viele weitere Staaten und die effektive Umsetzung und Zusammenarbeit aller Akteur:innen im Meeresbereich ab.“

Anna Holl Buhl, Expertin für Meerespolitik beim WWF Deutschland

Der weitere Fahrplan und Forderungen des WWF

Im nächsten Schritt wird eine Konferenz der Vertragsparteien (COP) eingerichtet, die als Forum für Diskussionen und Entscheidungsfindung im Rahmen des Vertrags dient. Zudem wird ein Ausschuss für Umsetzung und Einhaltung eingesetzt, der für die Klärung von Streitigkeiten im Falle von Vertragsverletzungen zuständig ist.

Für den WWF ist klar: Nur durch effektive Zusammenarbeit und eine entschlossene Umsetzung der vereinbarten Maßnahmen durch alle Beteiligten kann das Abkommen erfolgreich realisiert werden. Konkret fordert der WWF:

  • Aufbau von geeigneten Strukturen: Um handlungsfähig zu werden, müssen zügig institutionelle Strukturen etabliert werden. Dazu gehören ein handlungsfähiges Sekretariat, eine starke wissenschaftlich-technische Arbeitsgruppe mit Fokus auf Kapazitätsaufbau und Meeresforschung, sowie ein Clearing House, das Daten verfügbar macht, Beteiligung erleichtert und Vertrauen schafft. Diese neuen Institutionen brauchen klare Mandate, verlässliche Finanzierung und sie müssen unter Einbeziehung aller relevanten Stakeholder arbeiten.

  • Schutzmaßnahmen vorbereiten: Über geeignete Schutzgebiete muss schon jetzt gesprochen werden. Da menschliche Aktivitäten zunehmend auch die Meeresgebiete außerhalb nationaler Hoheitsgewalt beeinträchtigen, ist der Biodiversitätsschutz hier besonders dringlich.

Dabei ist folgendes hervorzuheben: Das BBNJ-Abkommen geht weit über die Einrichtung von Schutzgebieten als zentrale Säule des Biodiversitätsschutzes hinaus. Auch außerhalb dieser Gebiete ist es entscheidend, dass Meer schonend und naturverträglich zu nutzen, um von seinen Funktionen als Klimaregulator zu profitieren und die Artenvielfalt zu erhalten. Ein wesentliches Instrument hierfür sind Umweltverträglichkeitsprüfungen.

So können Sie helfen

  • Fischschwarm © Wild Wonders of Europe / Zankl / WWF Meeresraumzerstörung

    Die Ozeane sind Quelle des Lebens. Ihre schiere Größe und die Abgeschiedenheit ihrer Lebensräume haben sie für viele Jahrhunderte geschützt und widerstandsfähig gemacht. Diese Widerstandsfähigkeit wird jedoch zunehmend bedroht. Mehr erfahren

  • Korallenriff © Eric Madeja / WWF Meeresschutzgebiete

    Wir brauchen mehr Meeresschutz: Ziel des WWF ist ein globales Netz mariner Schutzgebiete, in denen alle Lebensformen überleben können. Mehr erfahren