Wälder zu schützen, ist eine dauerhafte Aufgabe. Nachhaltiger Erfolg stellt sich dabei nur ein, wenn die Menschen, die im und vom Wald leben, mit eingebunden sind.

Rio Juruena bei Sonnenaufgang © Zig Koch / WWF
Wälder zu schützen, bewahrt nicht nur den ökologischen Reichtum, sondern auch ihren kulturellen. © Zig Koch / WWF

Wir Außenstehende fassen selbst den größten noch zusammenhängenden Tropenwaldkomplex der Welt, das Amazonasbecken, in ein Bild: gigantische Bäume, die bis zu 70 Meter hochwachsen, exotische Insekten und Vögel, die zwischen den Wipfeln herumschwirren; auf dem Boden sowohl anmutige als auch gefährliche Säugetiere und im Wasser bunte Fische neben archaischen Reptilien. Solch eine Imagination unberührter als auch schützenswerter Natur hat eine Leerstelle, die sich zum Beispiel auch bei der Savanne oder den Mangrovenwäldern zeigt. Bei der Auseinandersetzung mit Wäldern und der Frage, wie wir sie schützen können, wird ein entscheidender Faktor oft übersehen: der Mensch als Teil des Ökosystems. Gesellschaften, die in und von Naturräumen leben, die diese ökonomische Grundlage erhalten müssen, um ihre eigene Zukunft zu sichern.

So hat die grüne Lunge unserer Erde am Amazonas neben seiner überwältigenden Artenvielfalt auch einen kulturellen Reichtum von unschätzbarem Wert, der jedoch weit weniger bekannt ist. Dort leben über 400 indigene Völker, die über 300 verschiedene Sprachen sprechen und deren vielfältige Kultur auf dem Lebensraum Regenwald basiert. Nur gemeinsam mit diesen Menschen können ambitionierte Waldschutzprojekte vorankommen. Das gilt weltweit, ob am Amazonas, in Afrika, Asien oder Europa.

Tiefes Verständnis für das lokale Ökosystem

Frauen auf dem Weg zur Arbeit im Gemeinschaftwald Karanle Korridor in Nepal. © James Morgan / WWF-US
Die örtliche Bevölkerung spielt eine zentrale Rolle beim Schutz von Wäldern. Wie z. B. im ausschließlich von Frauen betriebenen Gemeinschaftswald im Karnali Korridor, Nepal. © James Morgan / WWF-US

„Im Zuge unseres langjährigen Engagements in verschiedenen Erdteilen haben wir immer wieder erfahren, wie wichtig es ist, bei Waldschutzprojekten auch die lokalen Gegebenheiten zu betrachten“, sagt Konstantin Ochs, Projektmanager Südamerika des WWF Deutschland. Er setzt sich für die Rechte traditioneller und indigener Völker ein. „Viele der wichtigsten ökologischen Habitate liegen in den weltweit ärmsten, von menschenrechtlichen Fragen besonders betroffenen Regionen.“ Da nachhaltige Lösungen vor Ort nur mit lokalem Wissen und Engagement herbeigeführt werden können, arbeitet der WWF stets mit lokalen Partnern zusammen. Rechtsstaatlichkeit ist in fast all seinen Schwerpunktregionen herausfordernd. Dies gilt neben dem Amazonas auch für das Kongobecken, das südliche und östliche Afrika, aber auch für die Mekong-Region, Borneo und Sumatra sowie den Fernen Osten Asiens. 

„Die örtliche Bevölkerung spielt eine entscheidende Rolle beim Schutz der Wälder“, betont Ochs. Sie habe oft ein tiefes Verständnis für das lokale Ökosystem, einschließlich der darin lebenden Pflanzen- und Tierarten, sowie für die ökologischen, kulturellen und wirtschaftlichen Werte der Wälder. „Indem wir Menschen vor Ort in den Waldschutz einbeziehen, werden sie zu Verwaltern ihrer eigenen natürlichen Ressourcen.“ Genau dies kann dazu beitragen, die Wälder nachhaltig zu sichern. Oft sind die lokalen Gemeinschaften für ihren Lebensunterhalt auf die Ressourcen ihrer Umwelt angewiesen: indem sie etwa Nichtholzprodukte aus dem Wald sammeln, indem sie jagen und fischen sowie durch traditionelle landwirtschaftliche Praktiken. „Diese Gemeinschaften haben ein Interesse daran, Ihre Lebensgrundlage so zu bewirtschaften, dass sie erhalten bleibt“, so Ochs. „Sie leben am nächsten an diesen Ökosystemen und sind auf sie angewiesen.“

So überwachen und melden lokale Gemeinschaften illegale Aktivitäten im Wald, warnen etwa frühzeitig vor Gefahren wie illegalem Holzeinschlag, Jagd oder Landnutzungsänderungen. „Die Einbindung lokaler Gemeinschaften in den Waldschutz trägt nicht zuletzt zu mehr Gleichheit und sozialer Gerechtigkeit bei“, sagt Ochs. „Sie erhalten mehr Mitspracherecht bei Entscheidungen, die ihr Leben und ihre Lebensgrundlage betreffen.“

Mit Drohnen und Handy-Apps gegen illegale Aktivitäten

Im brasilianischen Amazonas zum Beispiel sind die Bewohner großem Druck ausgesetzt. Der WWF unterstützt dort die indigene und traditionelle Bevölkerung im Kampf um ihr Überleben und ihr Land. „Es ist das größte Projekt des WWF Deutschland in Südamerika“, sagt Ochs. „Wir schützen dort eine Fläche von etwa 10,7 Millionen Hektar zusammen mit den Bewohnern.“ Fast 50.000 Menschen leben auf 30 indigenen Territorien und zwei Territorien traditioneller Völker. Die Gebiete befinden sich an der größten Entwaldungsfront der Erde. Sie sind die letzten grünen Inseln, die sich neben den bereits bestehenden Schutzgebieten der Abholzung entgegenstemmen. 

Illegaler Holzeinschlag, Jagd, Bergbau und Landraub nehmen in Brasilien zu, damit einher gehen Waldbrände. Gegen illegale Aktivitäten wird hingegen zu wenig getan. Die Gewalt eskaliert, Drohungen gegen indigene Völker und andere Menschenrechtsaktivisten im Umweltbereich haben zugenommen. „Einer unserer Hauptaugenmerke liegt auf dem Bundesstaat Rondônia, wo wir mit der Kanindé Ethno-Environmental Defense Association und mehreren lokalen indigenen Vereinigungen zusammenarbeiten“, erläutert Ochs. „In den fünf am stärksten bedrohten indigenen Gebieten unterstützen wir dort die Gemeinden bei der Nutzung von Technologien wie Drohnen, Handy-Apps und Fernerkundungsdaten, damit sie illegale Aktivitäten verfolgen und melden können.“

Die Risiken für Umweltschützer an vorderster Front reduzieren

Txai Paiter Surui, Aktivistin und Jurastudentin aus Rodonia, Brasilien. © Mboakara Uru-eu-wau-wau / WWF-Brazil
Txai Paiter Surui ist junge Aktivistin und Jurastudentin aus Rodonia, Brasilien, und Repräsentantin der Guardians of the Forest, eines Bündnisses von Gemeinschaften, die tropische Wälder in aller Welt schützen. © Mboakara Uru-eu-wau-wau / WWF-Brazil

Im ersten Schritt hat der WWF Deutschland gemeinsam mit den Gemeinden Überwachungsprogramme entwickelt, die Wissenschaft und Technologie mit traditionellem Wissen und lokaler Verwaltung verbinden; im zweiten Schritt hat er die Menschen vor Ort für den Einsatz der Technologien geschult. Die Ausgebildeten können nun Daten sammeln, verarbeiten und verwalten. Dazu gehören hochauflösende Karten, Fotos und geografische Koordinaten, außerdem Know-how zu Sicherheit und Menschenrechten. „Bislang haben wir 25 indigene Beobachter geschult“, so Ochs.
 
Dadurch sind indigene Gemeinschaften und zivilgesellschaftliche Organisationen nun besser in der Lage, Beweise für Abholzungen und Übergriffe vorzulegen, Beschwerden bei den zuständigen Behörden vorzubringen und diese zu wirksamen Maßnahmen zu drängen. „Die Drohnenbilder und -videos haben auch dazu beigetragen, in internationalen Foren wie den UN-Klimagipfeln und in nationalen und internationalen Medien auf ihren Kampf aufmerksam zu machen“, sagt Ochs. „Die Technologie verringert zudem die Risiken für Umweltschützer an vorderster Front.“

Instrumente für gemeinsamen Waldschutz

Wie der WWF mit lokalen Bevölkerungen kooperiert

Landrechte geben der lokalen Bevölkerung rechtliche Anerkennung, Anreize und Unterstützung. Dies ist Voraussetzung dafür, dass Gemeinschaften sich an Schutz und/oder nachhaltiger Nutzung der Wälder beteiligen.

Traditionelles Wissen und Praktiken der lokalen Bevölkerung im Zusammenhang mit der Waldbewirtschaftung und -erhaltung werden anerkannt und respektiert. Dies kann die Unterstützung traditioneller waldbezogener Lebensgrundlagen und die Anerkennung gewohnheitsrechtlicher Landrechte beinhalten.

In den partizipativen Planungs- und Entscheidungsprozessen zum Schutz des Waldes und für dessen nachhaltige Nutzung nimmt die lokale Bevölkerung eine zentrale Rolle ein.

Aufklärungs- und Bildungsaktivitäten werden gefördert, um die lokale Bevölkerung über die Bedeutung des Waldschutzes und die damit verbundenen Vorteile zu informieren.

Der Aufbau von Partnerschaften mit lokalen Organisationen, einschließlich gemeindebasierter Organisationen, Nichtregierungsorganisationen und anderen Interessengruppen erleichtert die Zusammenarbeit beim Schutz und bei der gemeinsamen Bewirtschaftung der Wälder. 
 

Die Rechte indigener Völker stärken

Reise in die Zentralafrikanische Republik nach Bayanga im Dzanga-Sangha Nationalpark. © Thomas Nicolon / WWF
Örtliche Experten sind oft die ersten Ansprechpartner für die Bevölkerung und helfen ihnen bei Problemen. Amolet Martial Yvon ist z. B. Rechtsanwalt in der Zentralafrikanischen Republik und kümmert sich um Belange im Menschenrechtszentrum im Dzanga-Sangha-Nationalpark: "Wir nehmen hier manchmal Verletzte auf und behandeln sie. Sie vertrauen uns, dass wir ihre Probleme lösen. Die Regierung sollte mehr für den Schutz indigener Völker tun, aber wir tun, was wir können." Thomas Nicolon / WWF

Der Einsatz von Drohnen und Fernerkundung ermöglicht es den Gemeinden beispielsweise, die Abholzung zu überwachen und zu dokumentieren und aus sicherer Entfernung Alarm zu schlagen, um eine direkte Konfrontation mit illegalen Holzfällern zu vermeiden. Das Risiko von Vergeltungsmaßnahmen oder einer Eskalation der Gewalt, wenn die Gebiete besser geschützt werden, bleibt jedoch bestehen.

So wie es eine dauerhafte Aufgabe ist, Wälder zu schützen, ist auch die Kooperation mit Menschen und deren Vereinigungen vor Ort ein Prozess, der immer weiterentwickelt wird. Um die eigene Arbeit auch in diesem Bereich weiter zu verbessern, hat der WWF Deutschland 2019 eine unabhängige Untersuchung beim Institut „Human Rights & Responsible Business“ in Auftrag gegeben. Die Analyse enthält Empfehlungen zur Verbesserung, die seitdem in Angriff genommen werden: Standards, Richtlinien, Maßnahmen und Projektstrukturen werden vereinheitlicht. Ein wichtiger Schritt dabei ist die systematische Implementierung der „Environmental and Social Safeguards Standards“. Mit diesem Instrument lassen sich menschenrechtliche Risiken in den WWF-Projekten gezielt analysieren und vorbeugen.

„Die Förderung der Menschenrechte ist eine zentrale Anforderung bei der Konzeption und Umsetzung unserer Naturschutzprojekte“, sagt Ochs. „Es geht darum, lokale Strukturen der Partizipation und Governance zu fördern, die Rechenschaftspflicht staatlichen Handelns zu verbessern und die Rechte indigener Völker zu stärken.“

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