Fast würde es das süße Tier heute nicht mehr geben: Das Goldene Löwenäffchen stand ganz oben auf der internationalen Roten Liste gefährdeter Arten. Es galt als „vom Aussterben bedroht“ – und das hat ihm das Leben gerettet. Heute gibt es immerhin wieder über 1.000 seiner Art. Doch was hat die Rote Liste damit zu tun? Und wie gelangt ein Tier auf diese Liste? Woher weiß man, wie bedroht eine Art wirklich ist? Und wer hält bei den vielen Tier- und Pflanzenarten unserer Erde die Rote Liste immer aktuell?

Über 1.000 Menschen stapfen gleichzeitig durch ein riesiges, schneebedecktes Waldgebiet in Russland und legen dabei etwa 26.000 Kilometer zurück: Sie suchen nach frischen Spuren von Amur-Tigern. Das müssen sie gleichzeitig tun, um zu wissen, wie viele der Tiere es in diesem Gebiet noch gibt. In Kambodscha zählen WWF-Experten Leoparden, indem sie mit Kamerafallen Fotos von zwei Seiten machen. Anhand der individuellen Tupfenmuster können sie unterscheiden, wie viele verschiedene Leoparden ihnen vor die Linse gelaufen sind. Schwieriger wird es, wenn die Tiere sich individuell nicht unterscheiden lassen. Dann müssen die Biologen auf kompliziertere Zählmethoden oder DNA-Analysen zurückgreifen. Auch Elefanten und Nashörner kann man mit Hilfe ihrer DNA zählen, die man aus ihren Kothaufen gewinnt. Manchmal werden zur Kotsuche sogar eigens abgerichtete Spürhunde eingesetzt.

26.06.2023 Update: WWF Russland verlässt internationales WWF-Netzwerk

Die russische Generalstaatsanwaltschaft hat am 21. Juni 2023 die Aktivitäten des World Wide Fund for Nature (WWF) in Russland für „unerwünscht“ erklärt. Diese Entscheidung folgt auf eine bereits im März bekannt gegebenen Verlautbarung, in welcher der WWF als «ausländischer Agent» eingestuft wurde.

Der WWF Deutschland und das gesamte, weltweite WWF-Netzwerk sind erschüttert darüber, dass unsere gemeinsame Naturschutzarbeit als „auf dem Territorium der Russischen Föderation unerwünscht“ eingestuft wird. Infolgedessen und mit sofortiger Wirkung hat der WWF Russland die schwierige Entscheidung getroffen, nicht länger Teil des WWF-Netzwerks zu sein.

Wenige Tiere zählen ist schwieriger

Der Jangtse-Flussdelfin ist bereits ausgestorben © naturepl.com / Mark Carwardine / WWF
Der Jangtse-Flussdelfin ist bereits ausgestorben © naturepl.com / Mark Carwardine / WWF

Artenzählungen sind aufwändig und teuer und werden immer mühsamer, je seltener die Art ist. "Es ist sehr viel schwieriger nachzuweisen, dass ein Tier nicht mehr existiert, als nachzuweisen, dass ein Tier existiert", erklärt Volker Homes, Artenschutzexperte beim WWF. "So ist der Jangtse-Flussdelfin sehr wahrscheinlich ausgestorben. Aber mit absoluter Sicherheit kann das niemand sagen. Schließlich gibt es die skurrilsten Wiederfunde von Tieren." So dachte man zum Beispiel, dass der Quastenflosser seit dem Ende der Kreidezeit ausgestorben war, bis man ihn 1938 im Indischen Ozean wieder entdeckte.

Man geht von 10 Millionen Arten auf der Welt aus. Gerade einmal 70.000 sind auf der internationalen Roten Liste bedrohter Tiere und Pflanzen erfasst. Aber schon das ist ein großer Erfolg, weil man über viele Arten einfach noch sehr wenig weiß. Etwa ein Drittel aller untersuchten Arten wird als bedroht gelistet. Auf der ganzen Welt prüfen viele verschiedene Expertengruppen regelmäßig, wie stark die einzelnen Arten gefährdet sind. Zusammengehalten werden diese Experten vom Dachverband IUCN (International Union for Conservation of Nature) – der Weltnaturschutzunion.

Ab wann gilt eine Art als bedroht?

Die internationale Rote Liste beruht auf wissenschaftlichen Kriterien und ist damit die verlässlichste und renommierteste Quelle über den Zustand der Artenvielfalt. Wie bedroht eine Art ist hängt nicht nur davon ab, wie viele Tiere oder Pflanzen es noch gibt. Auch der Lebensraum spielt eine wichtige Rolle. "Es macht einen großen Unterschied, ob eine Art über halb Ostafrika verbreitet ist, oder nur in einem kleinen Vulkankegel in Kenia vorkommt", erklärt Arnulf Köhncke vom WWF. "Wenn ein Gebiet sehr klein ist, mag es hier noch 5.000 Tiere geben – trotzdem kann die Art durch eine mögliche Zerstörung des Gebietes stark bedroht sein." Außerdem überprüfen die Experten die Fortpflanzungsrate der jeweiligen Art und beobachten genau, wie sich ihre Population entwickelt.

Die IUCN: Herausgeberin der Roten Liste

Die internationale Rote Liste gefährdeter Arten gibt es seit 1963, seitdem wird sie ständig aktualisiert. Herausgeberin ist die Weltnaturschutzunion IUCN. Das ist das größte und älteste Netzwerk für weltweiten Naturschutz. Als Dachverband bringt die IUCN Ministerien und Behörden, Nichtregierungsorganisationen und Wissenschaftler aus mehr als 160 Staaten zusammen. Der WWF ist eines der bedeutendsten Mitglieder dieses Netzwerks. Aber auch das Bundesamt für Naturschutz beispielsweise ist Teil der Weltnaturschutzunion. Die IUCN hat ihren Hauptsitz in Gland in der Schweiz und Länderbüros in mehr als 45 Ländern. Neben ihrer Arbeit als Dachverband betreut die Organisation auch eigene Umweltschutz- und Nachhaltigkeitsprojekte über die Rote Liste gefährdeter Arten hinaus.

Für viele Arten ist die Rote Liste die letzte Rettung

© David Lawson / WWF-UK
© David Lawson / WWF-UK

Das Goldene Löwenäffchen in Brasilien ist das beste Beispiel: Mit einem Bestand von unter 300 Tieren in freier Wildbahn galt es in der Roten Liste als "vom Aussterben bedroht". Dieser Status verschaffte dem kleinen Äffchen Priorität im Artenschutz. Es wurde in Zoos nachgezüchtet, ausgewildert und ein Schutzgebiet eingerichtet. Heute ist es Symboltier des Atlantischen Regenwaldes in Brasilien und konnte nach 30 Jahren intensiver Artenschutzarbeit in seiner Bedrohung auf "stark gefährdet" herabgestuft werden. Denn die Rote Liste unterscheidet zwischen verschiedenen Kategorien, so zum Beispiel ob eine Art in der Wildnis bereits ausgestorben, ob sie vom Aussterben bedroht, stark gefährdet oder gefährdet ist. Letztendlich dient dies vor allem Entscheidungsträgern. Die Rote Liste gefährdeter Arten ist Grundlage für die Prioritätensetzung im Artenschutz und eine wichtige, anerkannte Argumentationshilfe für den Naturschutz.

Von Stephanie Probst

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