Seit Mitte Oktober melden Vogelschützer:innen und Behörden Funde toter oder geschwächter Kraniche. Ein Schwerpunkt des Ausbruchs liegt in Brandenburg. Aber auch andere Bundesländer sind inzwischen betroffen. Untersuchungen des Friedrich-Loeffler-Instituts bestätigen, was viele befürchtet hatten: Das hochpathogene Vogelgrippevirus H5N1, ist erneut ausgebrochen – in einem Ausmaß, das es bei Kranichen in Deutschland bisher nicht gab.
Der aktuelle Ausbruch der Vogelgrippe hat in Brandenburg Hunderte Kraniche das Leben gekostet. Die Vogelgrippe führt uns dramatisch vor Augen, dass die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt zusammenhängt. Naturschutz muss als Teil der globalen Gesundheitsvorsorge gedacht werden. Daran arbeitet der WWF mit seinem One-Health-Ansatz.
Mehr als 1.000 Tiere sollen allein im Linumer Teichgebiet, nordwestlich von Berlin, bereits verendet sein. Auch die Geflügelwirtschaft ist betroffen: In einem Betrieb im Landkreis Oberhavel mussten rund 5.000 Gänse getötet werden.
„Der Vogelgrippeausbruch bei den Kranichen macht uns Sorgen: er ist ein Symptom einer sich verändernden Welt, in der die Natur unter Stress steht“, sagt Dr. May Hokan, Tierärztin und Expertin für One Health beim WWF Deutschland.
Ein Ausbruch mit Ansage
Im Herbst versammeln sich Zehntausende Kraniche auf den Feuchtwiesen Brandenburgs um zu rasten, bevor sie in den Süden ziehen. Hier treffen viele Vogelarten auf engem Raum aufeinander, darunter Kraniche, Gänse und andere Wasservögel. Und wenn viele Tiere auf engem Raum zusammenkommen, verbreiten sich Krankheitserreger zwischen verschiedenen Arten besonders schnell.
Anhaltend steigende Temperaturen, Umwelt-Extreme und Entwaldung belasten die Tiere zusätzlich und verringern ihre Widerstandskraft gegenüber Krankheiten.
Dass der Kranich in Deutschland heute überhaupt wieder häufiger zu sehen ist, gilt als Erfolg des Naturschutzes. In den 1970er Jahren stand die Art kurz vor dem Verschwinden. Erst mit gezielten Schutzprojekten, auch vom WWF, konnte der Bestand wieder wachsen.
Wildtiergesundheit und One-Health-Ansatz
Die Vogelgrippe ist längst kein rein veterinärmedizinisches Thema mehr. Sie zeigt, wie eng Umweltveränderungen, Tiergesundheit und menschliche Aktivitäten zusammenhängen. Fachleute fordern deshalb, Gesundheit nicht länger isoliert zu betrachten. Der WWF setzt auf den One-Health-Ansatz: Die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt ist untrennbar miteinander verbunden.
Im Kern geht es darum, Wildtierkrankheiten früh zu erkennen und Umweltfaktoren stärker in die Gesundheitsüberwachung einzubeziehen. Der WWF arbeitet an entsprechenden Projekten, etwa im Kongobecken, wo Wildtierkrankheiten wie Ebola oder Affenpocken durch Früherkennungssysteme schneller gemeldet werden. Solche Ansätze sind auch auf andere Regionen wie europäische Feuchtgebiete umsetzbar. Generell gilt: Prävention ist besser als Reaktion. Bei der Pandemieprävention müssen Naturschutz und Umweltgesundheit einbezogen werden. Die Früheerkennung von Infektionskrankheiten bei Wildtieren ist die erste Verteidigungslinie gegen Ausbrüche.
Was jetzt wichtig ist
Für Menschen besteht derzeit nur ein begrenztes Risiko. Geflügelhalter:innen sollten ihre Tiere vor Wildvögeln schützen, Futterstellen sichern und auf Hygiene achten. Spaziergänger:innen sollten Hunde in betroffenen Gebieten anleinen und tote Tiere nicht berühren, sondern dem zuständigen Veterinäramt melden.
Die WHO beobachtet die weltweite Vogelgrippe-Lage sorgfältig, vor allem im Hinblick auf mögliche Virusmutationen oder neue Übertragungswege. Frühwarnsysteme und zeitnahe Meldungen sind entscheidend, damit Länder sich auf neue Ausbrüche vorbereiten können.
Der Tod der Kraniche ist tragisch, und doch auch ein Lehrstück. Er zeigt, dass Gesundheitsvorsorge, Tierhaltung und Naturschutz eng miteinander verknüpft sind. Der One-Health-Ansatz liefert einen Rahmen, um daraus zu lernen und für die Zukunft besser gewappnet zu sein.
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