Was wissen die Menschen um die Bedeutung der Biodiversität und wie hat sich dieses Wissen im Laufe der Jahre verändert? Dieser Frage gehen zwei vom WWF durchgeführte Studien nach.

Der Mensch spielt eine wichtige Rolle sowohl bei der Zerstörung als auch beim Schutz der biologischen Vielfalt. Umso wichtiger ist es, die Menschen dafür zu sensibilisieren, welchen Wert die biologische Vielfalt hat – für die Menschen selbst und für die Natur. Ebenso wichtig ist es, den Blick auch auf das eigene Handeln zu lenken: Was kann ein Mensch tun, um die Biodiversität nachhaltig zu erhalten? Welche Bereitschaft, ihr Verhalten zugunsten des Naturschutzes zu ändern, zeigen Menschen in verschiedenen Gesellschaften in den einzelnen Ländern?

Aus diesem Grund wurde die Förderung des Bewusstseins für die biologische Vielfalt in verschiedene internationale Strategien und Agenden aufgenommen. So heißt es beispielsweise in Artikel 13 des Übereinkommens zur Biologischen Vielfalt (CBD), dass die Mitgliedsstaaten das Verständnis für Biodiversität in ihren Ländern fördern und dazu Bildungsprogramme entwickeln sollen, um die Menschen für das Thema zu sensibilisieren.

WWF erstellt umfassende Studien

Der Sepik in Papua-Neuguinea © Brent Stirton / Getty Images
Der Erhalt der Biodiversität ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. © Brent Stirton / Getty Images

Doch um dieses Ziel zu erreichen und Veränderungen bewerten zu können, muss erst einmal eine Basis geschaffen werden: Was wissen die Menschen bereits über das Thema? Zu diesem Zweck gab der WWF im Rahmen des IKI-Projekts (Internationale Klimaschutzinitiative) die ersten umfassenden wissenschaftlichen Studien zur Bewertung des Bewusstseins für biologische Vielfalt in der Bevölkerung in Auftrag. Die erste wurde 2018 in zehn Ländern durchgeführt, die zweite sollte zwei Jahre später herausfinden, wie sich das Bewusstsein in denselben zehn Ländern für das Thema verändert hat.

Gegliedert waren die Umfragen in drei Hauptbereiche:

  • Wissen über und Verständnis von Biodiversität 
  • Einstellung zum Thema und Relevanz für das Individuum 
  • Eigenes Verhalten und Bereitschaft, selbst Verhalten zu ändern 

Fakten zu den Studien

  • Online-Umfragen mit mindestens 1.000 Teilnehmenden pro Land
  • durchgeführt in neun beziehungsweise zehn Ländern: Brasilien, China, Indien, Indonesien, Kenia, Kolumbien, Mexiko, Peru, Südafrika, Vietnam
  • Alter der Befragten: zwischen 18 und 65 Jahre
  • Weitere demografische Faktoren wie Geschlecht, Einkommensspanne, städtische und ländliche Lebensweise sowie Haushalte mit und ohne Kinder wurden so weit wie möglich berücksichtigt.
  • Durchgeführt wurden die Studien in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Naturschutz und führenden Umwelt- und Verhaltenspsychologen. Die Methode, die zum Erfassen der Daten in beiden Studien angewendet wurde, ist die erste wissenschaftlich fundierte Methode, mit der Naturbewusstsein messbar gemacht werden kann und die transnational anwendbar ist.

Ergebnisse der ersten Studie

Fischer auf dem Mekong © Shutterstock / Suriya99 / WWF
Biodiversität schützen bedeutet auch Nahrungsgrundlagen erhalten © Shutterstock / Suriya99 / WWF

In der ersten Studie, die im Jahr 2018 durchgeführt wurde, gaben zwar 73 Prozent der Befragten an, mit dem Begriff „biologische Vielfalt“ vertraut zu sein, doch ein umfassendes Verständnis dafür fehlte. Nur vier Prozent der Befragten kannten die zwei beiden Komponenten der biologischen Vielfalt: die Vielfalt der lebenden Organismen (Tiere und Pflanzen) und die Vielfalt der Lebensräume. Die Hälfte der Befragten gab an, dass die biologische Vielfalt auf der Erde abnimmt.

Bei der Frage, wie die Menschen selbst von der biologischen Vielfalt profitieren, stellten nur 20 Prozent der Befragten einen Zusammenhang zwischen biologischer Vielfalt und Lebensnotwendigkeiten wie Nahrungsmitteln oder frischer Luft und sauberem Wasser her. Dinge, die sie doch als wichtig erachten – in den Umfragen wichtiger als eine reiche Tier- und Pflanzenwelt.

Dennoch gaben die meisten Befragten an, dass der Erhalt der biologischen Vielfalt eine gesellschaftliche Priorität haben müsse und – und das ist eine gute Erkenntnis – dass sie die Verantwortung durchaus auch bei sich selbst sehen, vor allem aber bei der Politik: Die Mehrheit führte an, dass politische Maßnahmen einen großen Einfluss auf den Erhalt der biologischen Vielfalt haben.

Doch wie sieht es mit dem eigenen Handeln aus? Die Mehrheit der Befragten besagten, in Zukunft konkrete Schritte zum Schutz der biologischen Vielfalt unternehmen zu wollen, darunter: Bekannte für das Thema sensibilisieren, weniger Nahrungsmittel und Wasser verschwenden, Recycling und Energie sparen.

Ergebnisse der zweiten Studie

Gewinner und Verlierer 2022 – Karibischer Riffhai (Carcharhinus perezi) © Antonio Busiello / WWF-US
Zur Biodiversität gehören Tiere und Pflanzen genauso wie Ökosysteme © Antonio Busiello / WWF-US

Vier Jahre später, 2022, führte der WWF eine Folgestudie in neun Ländern durch (ohne China), um herauszufinden, wie sich das Bewusstsein für Biodiversität in der Bevölkerung verändert hat – mit durchaus erfreulichen Ergebnissen: 81 Prozent der Befragten beschrieben den Begriff biologische Vielfalt als die Vielfalt der Tiere, Pflanzen und Lebewesen; Lebensräume und genetische Vielfalt fehlten aber nach wie vor häufig. Auch wenn dieses Verständnis die tatsächliche Bedeutung der biologischen Vielfalt nicht vollständig erfasst, hat sich das Verständnis in den meisten Ländern verbessert.

Doch wenn es darum geht, welchen Einfluss die biologische Vielfalt auf das eigene Leben hat, gibt es nach wie vor Verbesserungspotential: Zwar bringen 79 Prozent der Befragten Dinge wie das „Gleichgewicht der natürlichen Ordnung“ oder „Klimakontrolle“ mit biologischer Vielfalt in Verbindung, doch nur ein kleiner Teil erkennt, welchen Einfluss biologische Vielfalt auf das eigene Leben hat.

Die Bereitschaft, verschiedene Maßnahmen zum Schutz der biologischen Vielfalt zu ergreifen, ist groß und hat seit 2018 zugenommen. Während Information und die Wahl umweltfreundlicher Verhaltensalternativen die beliebtesten Maßnahmen sind, die die Menschen zu ergreifen bereit sind, sind Maßnahmen, für die die Menschen mehr bezahlen müssen, nicht so populär.

Warum das alles?

Doch warum ist es so wichtig, herauszufinden wie es um das Bewusstsein für biologische Vielfalt in der Gesellschaft steht? Es ist ein Ausgangspunkt, um Maßnahmen für den Erhalt der biologischen Vielfalt und deren nachhaltiger Nutzung zu entwickeln. Gleichzeitig dient die Bewertung dazu, das Bewusstsein und die Bereitschaft, das eigene Handeln zugunsten der Natur zu verändern, messbar zu machen. Hat die Politik ihre Ziele erfüllt?

Aber auch für die Entwicklung künftiger politischer, institutioneller und auch zivilgesellschaftlicher Interventionen, einschließlich Kommunikationskampagnen und Bildungsprogrammen sind diese Erkenntnisse wichtig. Denn nur Menschen, die um den Wert der biologischen Vielfalt wissen, können sich für ihren Erhalt und nachhaltiges Handeln stark machen.

Frau Dr. Christine van Deuren

Project Director International Biodiversity Communication & Policy