Am 19. September 2025 wurde ein bahnbrechender Erfolg für den internationalen Meeresschutz erzielt: Die erforderliche Anzahl an Ratifizierungen für das UN-Hochseeschutzabkommen (BBNJ - Biodiversity Beyond National Jurisdiction) wurde erreicht. Das Abkommen wird somit am 17. Januar 2026 offiziell in Kraft treten. Damit gelten künftig erstmals international verbindliche Regeln für zwei Drittel unserer Ozeane, also für rund die Hälfte der Erdoberfläche. Und die Zeit drängt, denn die ökologische Tragfähigkeit der Meere ist zunehmend ausgereizt. Schutzgebiete auf Hoher See, wie sie durch das BBNJ-Abkommen in Zukunft ermöglicht werden, zählen zu den wirksamsten Instrumenten, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Jetzt kommt es darauf an, dass den Worten Taten folgen. Nicht irgendwann, sondern jetzt.

Das vom WWF unterstützte BBNJ-Abkommen markiert nach langjährigen Verhandlungen einen Wendepunkt im internationalen Meeresschutz. Zugleich eröffnet es aus Sicht des WWF die große Chance, global vereinbarte Ziele tatsächlich zu erreichen, wie etwa das im Weltnaturabkommen formulierte Ziel, bis 2030 30 Prozent der weltweiten Meeresfläche unter Schutz zu stellen.

 

„Das Abkommen ist ein Meilenstein für den Meeresschutz. Es wird endlich zwei Drittel unserer Ozeane, in denen bisher kaum Regeln galten, schützen.”

Anna Holl Buhl, Expertin für Meerespolitik beim WWF Deutschland

Kernpunkte des UN-Abkommens

Weißspitzen-Hochseehai © DSC User / WWF
Weißspitzen-Hochseehai © DSC User / WWF

Das BBNJ-Abkommen setzt geeignete Leitplanken zum Schutz der Natur vor schädlichen Aktivitäten wie nicht nachhaltiger Fischerei oder Tiefseebergbau. Es ermöglicht beispielsweise die Ausweisung von Meeresschutzgebieten auf Hoher See, setzt Leitlinien für Umweltverträglichkeitsprüfungen für menschliche Aktivitäten und regelt die Verteilung von Gewinnen aus dem Nutzen von marinen genetischen Ressourcen. 

Im Detail: Während Länder in ihren Hoheitsgewässern eigenständig Schutzgebiete ausweisen können, fehlt dieses Mandat bisher auf der Hohen See.

Das Abkommen schließt diese Rechtslücke und schafft Zuständigkeiten und Verfahren zur Einrichtung vernetzter Meeresschutzgebiete in Regionen, die außerhalb von nationalen Gerichtsbarkeiten liegen. Auch „blaue Korridore“ für weit wandernde Walarten werden damit ermöglicht.

Es vereinfacht ebenso den Austausch zwischen Staaten und mit den über 20 internationalen Organisationen, die für die Regelung bestimmter Sektoren oder Meeresregionen in der Hohen See zuständig sind, darunter beispielsweise die Internationale Seeschifffahrts-Organisation (IMO), die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) oder eine Reihe von regionalen Fischereimanagement-Organisationen (RFMOs).

Das Inkrafttreten des Abkommens sorgt auch dafür, dass in Wirtschaftssektoren Entscheidungen zum Schutz der Meere umgesetzt werden müssen, wie beispielsweise in der Schifffahrt oder bei Überlegungen zum Tiefseebergbau. Alle Aktivitäten müssen einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) unterzogen werden. Das bedeutet beispielsweise, dass jedes neue Fischereifahrzeug, das an einer internationalen Fischerei teilnehmen möchte, auf seine kumulativen Auswirkungen hin geprüft werden muss, bevor es von seinem Flaggenstaat die Genehmigung erhält, Fischereitätigkeiten auf Hoher See auszuüben. 

Bezug zum Tiefseebergbau: Der Vertrag enthält keine spezifischen Vorschriften für den Bergbau. Die Erarbeitung von Bergbauvorschriften fallen weiterhin in den Zuständigkeitsbereich der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA), obwohl die Vorschriften für Umweltverträglichkeitsprüfungen auch für eventuelle Bergbauaktivitäten gelten würden. Die ISA müsste mit der BBNJ-COP zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass potenzielle Bergbauaktivitäten die biologische Vielfalt von Meeresschutzgebieten auf Hoher See nicht beeinträchtigen, sowie mit anderen wirksamen Bewirtschaftungsmaßnahmen, die beispielsweise von einer regionalen Fischereiorganisation (RFMO) oder der IWC ergriffen werden.

„Durch das Abkommen gibt es jetzt ein rechtlich bindendes Rahmenwerk, das das weltgrößte Reservoir der biologischen Vielfalt unserer Erde schützt. Der Erfolg des Vertrags hängt nun von der raschen Ratifizierung durch möglichst viele weitere Staaten, die effektiven Umsetzung und Zusammenarbeit aller Akteure im Meeresbereich ab.“

Anna Holl Buhl, Expertin für Meerespolitik beim WWF Deutschland

Der weitere Fahrplan und Forderungen des WWF

Großer Tümmler © NatureLovePhotography / iStock / GettyImages
Großer Tümmler © NatureLovePhotography / iStock / GettyImages

Im nächsten Schritt wird eine Konferenz der Vertragsparteien (COP) eingerichtet, die als Forum für Diskussionen und Entscheidungsfindung im Rahmen des Vertrags dient. Zudem wird ein Ausschuss für Umsetzung und Einhaltung eingesetzt, der für die Klärung von Streitigkeiten im Falle von Vertragsverletzungen zuständig ist.

Für den WWF ist klar: Nur durch effektive Zusammenarbeit und eine entschlossene Umsetzung der vereinbarten Maßnahmen durch alle Beteiligten kann das Abkommen erfolgreich realisiert werden.

 

Konkret fordert der WWF:

  • Aufbau von geeigneten Strukturen: Um handlungsfähig zu werden, müssen zügig institutionelle Strukturen etabliert werden. Dazu gehören ein handlungsfähiges Sekretariat, eine starke wissenschaftlich-technische Arbeitsgruppe mit Fokus auf Kapazitätsaufbau und Meeresforschung, sowie ein Clearing House, das Daten verfügbar macht, Beteiligung erleichtert und Vertrauen schafft. Diese neuen Institutionen brauchen klare Mandate, verlässliche Finanzierung und sie müssen unter Einbeziehung aller relevanten Stakeholder arbeiten.
  • Schutzmaßnahmen vorbereiten: Über geeignete Schutzgebiete muss schon jetzt gesprochen werden. Da menschliche Aktivitäten zunehmend auch die Meeresgebiete außerhalb nationaler Hoheitsgewalt beeinträchtigen, ist der Biodiversitätsschutz hier besonders dringlich.  

Dabei ist folgendes hervorzuheben: Das BBNJ-Abkommen geht weit über die Einrichtung von Schutzgebieten als zentrale Säule des Biodiversitätsschutzes hinaus. Auch außerhalb dieser Gebiete ist es entscheidend, dass Meer schonend und naturverträglich zu nutzen, um von seinen Funktionen als Klimaregulator zu profitieren und die Artenvielfalt zu erhalten. Ein wesentliches Instrument hierfür sind Umweltverträglichkeitsprüfungen.

Was ist die Hohe See?

Etwa zwei Drittel der Ozeane befinden sich außerhalb der 200-Seemeilen-Grenze (ca. 370 Kilometer) und damit außerhalb der "Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ)". Innerhalb der AWZ können die Küstenstaaten in begrenztem Umfang souveräne Rechte und Hoheitsbefugnisse wahrnehmen. Die Hohe See beginnt wiederum jenseits der seewärtigen Grenze der AWZ. 

Die Ressourcen der Hohen See gehören allen und niemandem. Die Ressourcen deser Meeresbodens gelten nach Seerechtsübereinkommen bereits als „gemeinsames Erbe der Menschheit“.

Es gibt über 20 internationale Organisationen, die jeweils für die Regelung bestimmter Sektoren und/oder bestimmter Meeresregionen in der Hohen See zuständig sind – unter anderem die Internationale Seeschifffahrts-Organisation (International Maritime Organization/IMO), die Internationale Meeresbodenbehörde (International Seabed Authority/ISA) oder eine Reihe von regionalen Fischereimanagement-Organisationen (Regional Fisheries Management Organisations/RFMOs). Bis dato fehlte es jedoch an einer übergeordneten Koordination dieser Institutionen und an einer Abstimmung der jeweiligen sektoralen Regelwerke. Das soll sich nun mit dem Inkrafttreten des BBNJ-Abkommen ändern.

  • UN -Ozeankonferenz (UNOC), Juni 2025 in Nizza UN-Hochseeschutzabkommen

    Am 19. September 2025 wurde die erforderliche Anzahl an Ratifizierungen für das UN-Hochseeschutzabkommen erreicht. Weiterlesen...

"Charlie-Gibbs Fracture Zone" – ein Hohe-See-Schutzgebiet

Buckelwal mit Kalb © naturepl.com / Tony Wu / WWF
Buckelwal mit Kalb © naturepl.com / Tony Wu / WWF

Trotz des Fehlens entsprechender Instrumente zum Schutz der Hohen See in der Vergangenheit, konnte der WWF mit der weltweit ersten Nominierung eines Hohe-See-Schutzgebietes auf dem Mittelatlantischen Rücken, der so genannten „Charlie-Gibbs Fracture Zone“, ein enormes Vorhaben in Gang setzen. Dieses Gebiet ist reich an Seebergen und bis zu 4.000 Meter tiefen Canyons. Dort finden sich Kaltwasserkorallenriffe, Kolonien von Schwämmen und Tiefsee-Lebensgemeinschaften mit vielen bedrohten Arten. Kalte Strömungen aus dem Norden vermischen sich mit warmen aus dem Süden. Daher sind die Gewässer besonders planktonreich. Wale und Seevögel finden hier auf ihren langen Wanderungen reichlich Nahrung.

Nach fünf Jahren Vorbereitung stellten die 15 Staaten des OSPAR-Abkommens (zum Schutz des Nordatlantiks) im September 2010 sechs Hohe-See-Gebiete im Nordostatlantik unter Schutz – darunter das Charlie-Gibbs-Meeresschutzgebiet am Mittelatlantischen Rücken. Im Sommer 2012 wurde dessen Fläche auf WWF-Betreiben verdoppelt. Damit standen 465.000 Quadratkilometer der Hohen See erstmals unter Schutz.

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