Die Welt hat ein gigantisches Plastikmüllproblem: Das langlebige Material landet viel zu häufig in der Natur, überschwemmt Flüsse und Ozeane, verunreinigt unsere Lebensmittel, tötet Arten – und in welchem Ausmaß es uns Menschen schadet, ist noch nicht einmal abzusehen. Seit 2022 verhandelt die UN-Staatengemeinschaft einen Vertrag, der verbindliche Regeln schaffen soll, damit beispielsweise aus Plastikverpackungen wieder Verpackungen werden und nichts in der Natur landet. Wie sich jede:r Einzelne bereits jetzt vor Mikroplastik schützen kann, hat der WWF in den folgenden Tipps zusammengetragen.
Während die Verhandlungen des UN-Plastikvertrags abermals vertagt wurden, schreitet die Plastikmüllkrise ungehindert voran. Jede Minute gelangen weltweit 21.000 Kilogramm Plastik in die Meere. Weitere 800 Millionen Tonnen Plastik wurden allein seit Beginn der Verhandlungen im Jahr 2022 produziert.
Die Zeit drängt. Denn Plastikmüll vergiftet Lebensräume und verändert gerade die gesamte Biosphäre – also den gesamten von Tieren und Pflanzen bewohnten Lebensraum – unseres Planeten. Einmal in die Umwelt gelangt, lässt sich das langlebige Material meist nicht mehr zurückholen, sondern wird zu Mikro- und Nanoplastik zerrieben, das überall Spuren hinterlässt.
Winzige Plastikteilchen finden sich sogar im menschlichen Gehirn
Mikroplastik ist heute allgegenwärtig: Es findet sich in Lebensmitteln, im Wasser, in der Luft, die wir atmen und sogar in unseren Körpern.
So haben Wissenschaftler:innen der University of New Mexico die winzigen Kunststoffteilchen in Gewebeproben Verstorbener nachgewiesen und ihre Ergebnisse in einer Studie veröffentlicht. Dabei war die Plastikkonzentration im Gehirn bis zu 30-fach höher als in der Leber oder den Nieren, und sie war im Untersuchungszeitraum zwischen 2016 und 2024 um besorgniserregende 50 Prozent angestiegen. Die Partikel im Gehirn bestanden vor allem aus dem Kunststoff Polyethylen, welcher in vielen Alltagsgegenständen steckt.
Ist Papier eine nachhaltigere Alternative zu Plastikverpackungen?
Die häufig vertretene Annahme, Papierverpackungen seien per se umweltfreundlicher als Kunststoffverpackungen, ist aus ökologischer Sicht nicht uneingeschränkt haltbar. „Tatsächlich stellt auch der Griff zur Papiertüte keine langfristige Lösung dar“, betont Dr. Laura Prill, Project Managerin Sustainable Timber & Paper im WWF Deutschland.
So machten Papier- und Pappverpackungen im Zeitraum von 2009 bis 2020 bereits den mengenmäßig größten Anteil am Verpackungsabfall in der Europäischen Union aus. Gleichzeitig fragte der Papier- und Pappe-Sektor alleine rund 40 Prozent des industriell global geernteten Rohholzes nach – eine Zahl mit erheblichen Konsequenzen. Denn Holz ist eine begehrte Ressource: Neben der Verpackungsindustrie steigt auch in anderen Branchen wie dem Möbelbau, Bauwesen und der Bioenergiebranche der Verbrauch von Holz kontinuierlich an. Diese wachsende Nachfrage aus den unterschiedlichsten Sektoren verschärft den Druck auf die globalen Wälder erheblich.
Laut einer WWF-Studie („Alles aus Holz“) übersteigt die weltweite Holznachfrage bereits heute das, was nachhaltig in den Wäldern zur Verfügung steht. Eine reine Substitution von Plastik zu Papier wird das Problem daher nur verlagern, aber nicht lösen. Eine ökologisch tragfähige Lösung erfordert daher eine umfassendere Transformation hin zu abfallvermeidenden, kreislauforientierten Verpackungssystemen sowie eine Reduktion des Gesamtressourcenverbrauchs.
Mögliche Folgen von Mikroplastik für den Körper
Aus Zellkultur- und Tierversuchen gibt es Hinweise darauf, dass die Plastikteilchen Entzündungen, Immunstörungen, einen veränderten Stoffwechsel, eine abnorme Organentwicklung und Krebs fördern können, schreiben drei Forscher im Journal „Brain Medicine“ in einem Kommentar zu mehreren vorangegangenen Studien.
Die Forscher:innen der University of Mexico entdeckten außerdem eine erhöhte Konzentration von Mikroplastik in zwölf Gehirnproben von Menschen mit nachgewiesener Demenzerkrankung. Verursachen die Mikropartikel die Entzündungen im Gehirn oder lässt das bereits erkrankte Gehirn die Partikel leichter durch die Blut-Hirn-Schranke passieren?
Die Forscher:innen betonen, dass ihre Studie keine Rückschlüsse auf Ursache und Wirkung zulässt. Es sind noch weitere, groß angelegte Untersuchungen erforderlich, um diese und andere mögliche Gefahren für die Gesundheit durch Mikroplastik bewerten zu können.
So können wir uns vor Mikroplastik im Essen und Trinken schützen
So beunruhigend die bisherigen Erkenntnisse der Wissenschaftler:innen sind: Jede:r Einzelne kann durch einfache Verhaltensmaßnahmen seine Aufnahme von Nano- und Mikroplastik verringern – insbesondere beim täglichen Essen und Trinken.
Wer auf Wasser aus Plastikflaschen verzichtet und stattdessen Leitungswasser trinkt, reduziert die Aufnahme von Mikroplastik von 90.000 auf 4.000 Partikel pro Jahr, ergab eine bereits 2019 in Kanada durchgeführte Studie.
Leitungswasser ist auch unbelasteter als Wasser aus Glasflaschen, was den Forscher:innen zufolge unter anderem an den Abfüllprozessen liege – das ergab eine Analyse aus 21 Studien. Weitere Lebensmittel, die signifikante Mengen an Mikroplastik enthalten, seien Fisch und Meeresfrüchte sowie Alkohol.
Lebensmittel in Glas oder Edelstahl aufbewahren und erhitzen
Eine hochwirksame Schutzmaßnahme ist es, Lebensmittel nicht in Plastikbehältern oder -flaschen aufzubewahren. Denn bei längerer Lagerung, ob nun im Kühlschrank oder bei Raumtemperatur, setzen diese eine erhebliche Menge an Partikeln frei.
Es werden sogar noch mehr, wenn man Lebensmittel in Plastik erhitzt, insbesondere in der Mikrowelle. „Dadurch können große Mengen an Mikro- und Nanoplastik freigesetzt werden“, warnen die Kommentatoren im Journal „Brain Medicine“. Wer für das Erwärmen von Speisen Porzellan, Glas oder Edelstahl verwendet, reduziert die Menge an aufgenommenem Mikroplastik substanziell.
Verzichten sollte man außerdem auf Plastik-Teebeutel: Durch das Bad in nahezu kochend heißem Wasser gelangten Millionen von Mikro- und Nanoplastikpartikeln in den Tee.
Konservendosen, die eigentlich aus Weißblech oder Aluminium hergestellt werden, können eine versteckte Quelle für Plastik sein, da sie im Inneren oft mit Kunststoff beschichtet sind. Dadurch kann an die darin enthaltenen Lebensmittel sowohl Mikroplastik als auch Bisphenol-A (BPA) abgegeben werden. BPA steht in Verdacht, unser Hormonsystem zu beeinflussen. In einer US-Studie erhielten die Probanden fünf Tage hintereinander Dosensuppen, woraufhin ihre BPA-Werte im Urin um mehr als das Tausendfache stiegen.
Kunststoff in Konservendosen und Tetrapacks
Noch genauer wollte es eine Gruppe von Wissenschaftler:innen des Instituts für Chemie an der Hatay Mustafa Kemal University wissen: Mithilfe von Hochleistungsflüssigkeitschromatographie maßen sie über einen längeren Zeitraum, wie viel BPA von beschichteten Verpackungen wie Tetrapacks und Konservendosen an die darin enthaltenen Lebensmittel übergeht.
Untersucht wurden unter anderem Milch, Fruchtsäfte, Sahne, grüne Erbsen, Tomatenpaste, Bohnen und saure Gurken. Ihre Erkenntnis: Die Menge an BPA ist umso höher, je mehr Zucker und Salz die Lebensmittel darin enthalten und je näher das Mindesthaltbarkeitsdatum rückt. Frei von BPA hingegen waren die untersuchten Lebensmittel in Glasbehältnissen.
Ende 2024 ist ein EU-weites Verbot von BPA in Lebensmittelverpackungen in Kraft getreten. Für Säuglingsflaschen greift dieses bereits jetzt, für Verpackungen anderer Lebensmittel und Getränke wie Konservendosen oder Getränkeflaschen gilt eine Übergangsfrist von 18 Monaten. Bis dahin gilt: Je weniger Essen aus Konserven und Tetrapacks verzehrt wird, umso besser.
Hochverarbeitete Lebensmittel enthalten Mikroplastik
Dass der regelmäßige Verzehr hochverarbeiteter Lebensmittel Adipositas, Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck, Störungen der Darmflora und andere Erkrankungen zur Folge haben kann, ist bekannt.
Eine in den USA durchgeführte Studie zeigt nun, dass hochverarbeitete Lebensmittel auch deutlich mehr Mikroplastik enthalten als minimal verarbeitete Produkte. Wer sich also überwiegend von frischen Produkten ernährt, möglichst aus ökologischem Anbau, und im Supermarkt darauf achtet, dass diese nicht in Plastik verpackt sind, tut seinem Körper in jedem Fall etwas Gutes.
Alter spielt keine Rolle: Mikroplastik wird wieder ausgeschieden
Einen hoffnungsvollen Aspekt der oben genannten Studien gibt es auch: Die Forscher:innen konnten keinen Zusammenhang zwischen dem Alter der Probanden und der Menge an Mikroplastik in ihren Körpern feststellen.
Das deute darauf hin, dass der Mensch in der Lage sei, Mikro- und Nanoplastikpartikel im Laufe der Zeit durch Schweiß, Urin und Fäkalien auch wieder auszuscheiden. Es ist also nicht zu spät, ab sofort auf Plastik in der Küche, auf beschichtete Lebensmittelverpackungen und hochverarbeitete Lebensmittel zu verzichten.
Studien an Fischen konnten zeigen, dass innerhalb von 70 Tagen ohne Kontakt mit Plastik rund 75 Prozent der Mikroplastikpartikel im Gehirn eliminiert wurden.
Recycling allein ist nicht die Lösung
Ein Forscher:innenteam an der Tsinghua Universität in Peking hat die globalen Stoffströme von Kunststoffrohmaterialien, -produkten und -abfällen analysiert und herausgefunden, dass bei drastisch wachsender Plastikproduktion weniger als zehn Prozent aus recyceltem Material hergestellt wird.
Der Studie zufolge entstanden allein im Jahr 2022 267,7 Millionen Tonnen Plastikmüll, von denen rund 30 Millionen Tonnen wegen Missmanagements in die Umwelt gelangten. Den höchsten Pro-Kopf-Verbrauch an Plastik haben die USA (216 Kilogramm) gefolgt von Japan (129.1 Kilogramm), die EU liegt bei durchschnittlich 85,6 Kilogramm.
„Wir brauchen Regeln, die in großem Maßstab wirken und für alle Länder und Unternehmen die gleichen Bedingungen schaffen.“
Heike Vesper, Geschäftsleiterin Transformation und Politik des WWF Deutschland
Das UN-Plastikabkommen ist der entscheidende nächste Schritt
Vom 5. bis 14. August 2025 kommt das Internationale Verhandlungskomittee (INC) für ein globales Plastikabkommen außerplanmäßig erneut zusammen, diesmal in Genf in der Schweiz.
„Wir brauchen Regeln, die in großem Maßstab wirken und für alle Länder und Unternehmen die gleichen Bedingungen schaffen“, betont Heike Vesper, Geschäftsleiterin Transformation und Politik des WWF Deutschland. Denn die Verbraucher:innen können zwar durch ihr Konsumverhalten den Plastikverbrauch reduzieren, doch nur mit weltweiten Verboten für bestimmte schädliche Kunststoffprodukte, mehr und besseren Mehrwegsystemen, Design for Recycling sowie mehr Herstellerverantwortung für die Sammlung, Sortierung und das Recycling kann es gelingen, die Plastikflut einzudämmen und die Ökosysteme unseres Planeten zu schützen.
Wir brauchen ein wirksames Abkommen!
Letztendlich sollte jedoch Reduktion das oberste Ziel bleiben! Der WWF fordert für ein wirksames Abkommen unter anderem ein weltweites Verbot von Mikroplastik in Kosmetika und Zahnpasta, von Teebeuteln aus Plastik und Einweggeschirr.
Während der Verhandlungsrunde im südkoreanischen Busan im Dezember 2024 hat eine überwältigende Mehrheit der fast 200 teilnehmenden Staaten, darunter auch Deutschland, ein deutliches Signal gesendet und sich für ein starkes Plastikabkommen ausgesprochen. Auch die weltweite Petition des WWF für ein ambitioniertes UN-Abkommen gegen Plastikmüll, die von 474.404 Menschen aus 150 Ländern unterzeichnet wurde, spricht eine deutliche Sprache.
Nun gilt es, sich in Genf gegen die ölproduzierenden Länder durchzusetzen, an deren Widerstand eine Einigung bislang scheiterte. Es scheint unausweichlich, dass die Mehrheit der ambitionierten Staaten per Abstimmung ein „Abkommen der Willigen“ herbeiführen muss, um die Plastikkrise zu beenden. Die wenigen Profiteure einer unregulierten Kunststoffherstellung dürfen nicht verhindern, dass die Mehrheit der Staaten eine Lösung findet.
Wenn unser Planet nicht endgültig in Plastikmüll versinken soll, dürfen wir keine Zeit mehr verlieren!
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