Klima und Meer sind eng miteinander verbunden. Der menschengemachte Klimawandel verursacht nicht nur längere und intensivere Hitze- und Dürreperioden an Land, auch im Meer verändert sich die Temperatur. Es wird wärmer – mit drastischen Folgen für Tiere und Pflanzen, die diesen Lebensraum bewohnen. Marine Hitzewellen sind ein ganz besonderes Phänomen, das die Wissenschaft gerade zu verstehen beginnt. Ein neues Modell für die Analyse von Marine Heat Waves (MHW) zeigt, dass sich die Hitzeperioden im Meer nicht nur lokal drastisch auswirken.

Allgemein gesprochen sind marine Hitzewellen eine temporäre Erwärmung eines bestimmten Meeresgebiets, die weit über dem üblichen Temperaturanstieg im Jahresverlauf liegt. Die Erforschung von Marine Heat Waves ist ein relativ junges Gebiet in der Meeresforschung. Mehrere solcher Ereignisse haben bisher die Aufmerksamkeit von Wissenschaft und Öffentlichkeit erregt, darunter eine MHW mit dem Namen „Blob1“, die in den Jahren 2013 bis 2015 im nordöstlichen Pazifik auftrat.

Marine Hitzewellen - Erklärung

Bedrohung für das gesamte Ökosystem Meer

Algenblüte Unterwasser © Philipp Kanstinger / WWF
Algenblüte Unterwasser © Philipp Kanstinger / WWF

Hitzewellen im Meer bedrohen alle Bereiche im Ozean, vom winzigen Plankton bis hin zu den schönen und bekannten Lebensräumen wie Seegraswiesen, Kelpwälder oder Korallenriffe. Korallen reagieren sehr empfindlich auf die Erwärmung und die Versauerung der Meere – die Ozeane haben rund 30 Prozent des vom Menschen verursachten CO2 aus der Erdatmosphäre aufgenommen, deshalb sinkt der pH-Wert, die Meere „versauern“.

Dauern Hitzewellen länger an oder werden intensiver oder erwärmt sich das Meer insgesamt in den nächsten Jahrzehnten weiter, könnten 70 bis 90 Prozent aller Riffe weltweit sterben. Neben Dauer und Intensität spielt auch die Frequenz eine wie häufig marine Hitzewellen auftreten: Riffe, die resilient genug sind um eine MHW überstehen, können sich von der zweiten oder dritten kurz darauffolgenden Hitzewelle meist nicht mehr erholen.

Auch die Kleinsten sind von der Erhitzung der Meere im Allgemeinen und von MHW im Besonderen betroffen: Das Zooplankton ist eine der wichtigsten Nahrungsgrundlagen im Meer für viele größere Meeresbewohner, darunter Wale. Ist das Wasser wärmer, bleibt das Plankton kleiner und enthält nicht so viel Fett. Die Folge: Seevögel, Meeressäugetiere und kleine Fische können sich nicht mehr ausreichend vom Zooplankton ernähren.

MHW haben auch für den Menschen unmittelbare Folgen: sie verursachen toxische Algenblüten, ein Phänomen, das wir in Deutschland an der Ostsee häufig beobachten; Fische und Muscheln sterben, der Tourismus funktioniert nur noch eingeschränkt, da das Baden in der Algenblüte nicht nur unappetitlich ist, sondern auch gesundheitsgefährdend sein kann.

Delfin und Korallen © natureplcom / Doug Perrine / WWF
Delfin und Korallen © natureplcom / Doug Perrine / WWF

Ein neues Modell versucht herauszufinden, wie sich Marine Hitzewellen, die Veränderung mariner Lebensräume und die Wanderbewegungen von Meerestieren einordnen lassen. Wissenschaftler des NOAA Southwest Fisheries Science Center um Michael Jacox haben ihr neues Modell im Wissenschaftsmagazin „Nature“ publiziert.

Darin heißt es, dass ausgedehnte Perioden mit anomal warmen Meerestemperaturen die Ökosysteme der Ozeane drastisch verändern können, indem sich die geographische Verbreitung von Meereslebewesen verändert:

Ganze Fischbestände verlassen die warmen Meeresregionen und ziehen mit dem kalten Wasser in Richtung der Pole oder in tiefere Gewässer. Nur, wenn sie dort auch passende Lebensräume finden, haben sie eine Chance zu überleben.

Das betrifft auch Wale und Delfine – wenn höhere Wassertemperaturen ihre Fressgebiete in Regionen außerhalb von bereits existierenden Schutzgebieten verschieben, sodass die Meeressäuger erneut in stark vom Menschen genutzte Meeresbereichen ohne Schutzstatus abwandern. Das Problem: Die Tiere gelangen in die Fanggründe der Fischer und verheddern sich in Fischfanggerät.

Die Ergebnisse zeigen, dass sich auch der Mensch im Umgang mit marinen Ressourcen den veränderten Bedingungen anpassen muss. Die räumlichen Verschiebungen von Lebensräumen sind Jacox zu Folge „von vergleichbarer Größenordnung wie die mit dem langfristigen Klimawandel verbundenen Verschiebungen, die bereits stattfinden. Ein Beispiel für solche klimabedingten Verschiebungen an Land ist das veränderte Verhalten verschiedener Zugvogel-Arten. Das bemerken wir auch hierzulande: einige Vogelarten ziehen später gen Süden und kehren früher zurück, wieder andere überwintern sogar dauerhaft.

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