In vielen Meeren der Welt wurden zuletzt Extremtemperaturen gemessen. So wurde zum Beispiel in der Nordsee im Juni 2023 eine um rund 5 Grad Celsius höhere Wassertemperatur gemessen, als sonst zu dieser Jahreszeit üblich. Ein solches Ereignis wird als Marine Hitzewelle (MHW) bezeichnet. Fällt sie so hoch aus, ist es eine MHW der Kategorie IV „extrem“. Auch der Golf von Florida ist akut schwer betroffen: hier wurde im Juli 2023 mit einer Wassertemperatur von 38,4 Grad Celsius wahrscheinlich ein trauriger Weltrekord gebrochen – eigentlich sollte zu dieser Jahreszeit die Wassertemperatur zwischen 23 und 31 Grad Celsius liegen. Und auch im Mittelmeer ist die Situation katastrophal: Mitte Juli 2023 lag auch dort die Wassertemperatur rund 5 Grad Celsius über der für die Jahreszeit normalen Wassertemperatur.

Doch was bedeutet das und warum ist das besorgniserregend?

Klima und Meer sind eng miteinander verbunden, denn die Weltmeere haben seit den 1970er Jahren rund 90 Prozent der überschüssigen Wärme in der Atmosphäre aufgenommen. Die menschengemachte Klimakatastrophe verursacht nicht nur längere und intensivere Hitze- und Dürreperioden an Land, auch im Meer verändert sich die Temperatur. Es wird wärmer – mit drastischen Folgen für Tiere und Pflanzen, die diesen Lebensraum bewohnen. Marine Hitzewellen sind ein noch junges und ganz besonderes Phänomen, denn sie betreffen viele unterschiedliche Faktoren im Meer, wie zum Beispiel den Sauerstoffgehalt des Wassers. Je wärmer das Wasser wird, desto niedriger ist der Sauerstoffgehalt. Ein Modell für die Analyse von Marine Heat Waves (MHW) zeigt, dass sich die Hitzeperioden im Meer nicht nur lokal drastisch auswirken.

Was versteht man unter Marinen Hitzewellen?

Allgemein gesprochen sind Marine Hitzewellen eine an fünf aufeinanderfolgenden Tagen oder länger andauernde, temporäre Erwärmung eines bestimmten Meeresgebiets, die weit über dem üblichen Temperaturanstieg im Jahresverlauf liegt. Mehrere solcher Ereignisse haben in der Vergangenheit die Aufmerksamkeit von Wissenschaft und Öffentlichkeit erregt, darunter eine MHW mit dem Namen „the Blob“, die in den Jahren 2014 bis 2016 im nordöstlichen Pazifik auftrat. „The Blob“ wurde unter anderem mit Massensterben bei Meeressäugern und Seevögeln, toxischen Algenblüten in Verbindung gebracht. Die Anzahl von MHW hat sich seit 1900 rund verdreifacht. Es wird prognostiziert, dass die Frequenz weiter zunimmt.

Bedrohung für das gesamte Ökosystem Meer

Algenblüte Unterwasser © Philipp Kanstinger / WWF
Algenblüte Unterwasser © Philipp Kanstinger / WWF

Hitzewellen im Meer bedrohen alle Bereiche im Ozean, vom winzigen Plankton bis hin zu den schönen und bekannten Lebensräumen wie Seegraswiesen, Kelpwälder oder Korallenriffe. Korallen reagieren sehr empfindlich auf die Erwärmung und die Versauerung der Meere – die Ozeane haben rund 30 Prozent des vom Menschen verursachten CO2 aus der Erdatmosphäre aufgenommen, deshalb sinkt der pH-Wert, die Meere „versauern“. Laut einer Studie (im Fachmagazin Nature Climate Change) aus 2019 führten MHW im Mittelmeer zuletzt zu der lokalen Auslöschung einzelner Arten, einer Verminderung der Fähigkeit Kohlenstoff zu speichern, dem Verlust kritischer Lebensräume und der Verminderung des sozio-ökonomischen Wertes des Meeres. 

Dauern Hitzewellen länger an oder werden intensiver oder erwärmt sich das Meer insgesamt in den nächsten Jahrzehnten weiter, könnten 70 bis 90 Prozent aller Riffe weltweit sterben. Neben Dauer und Intensität spielt auch die Frequenz eine wie häufig marine Hitzewellen auftreten: Riffe, die resilient genug sind um eine MHW überstehen, können sich von der zweiten oder dritten kurz darauffolgenden Hitzewelle meist nicht mehr erholen.

Auch die Kleinsten sind von der Erhitzung der Meere im Allgemeinen und von MHW im Besonderen betroffen: Das Zooplankton ist eine der wichtigsten Nahrungsgrundlagen im Meer für viele größere Meeresbewohner, darunter Wale. Ist das Wasser wärmer, bleibt das Plankton kleiner und enthält nicht so viel Fett. Die Folge: Seevögel, Meeressäugetiere und kleine Fische können sich nicht mehr ausreichend vom Zooplankton ernähren.

Auch Fischbestände sind betroffen. Sie sterben vornehmlich an durch MHW verursachten toxischen Algenblüten, Sauerstoffmangel oder Krankheiten oder einer Kombination dieser Ursachen. Auch der Fortpflanzungserfolg kann betroffen sein: wenn die Nahrung für die Elterntiere fehlt, fällt der Nachwuchs aus – so geschehen in Kanada, wo in Folge von „the Blob“ der pazifische Kabeljau-Bestand (Gadus microcephalus) vor Ort zusammenbrach und die kommerzielle Fischerei eingestellt werden musste.

MHW haben also auch für den Menschen unmittelbare Folgen: sie verursachen toxische Algenblüten, ein Phänomen, das wir in Deutschland an der Ostsee häufig beobachten; Fische und Muscheln sterben, der Tourismus funktioniert nur noch eingeschränkt, da das Baden in der Algenblüte nicht nur unappetitlich ist, sondern auch gesundheitsgefährdend sein kann.

Delfin und Korallen © natureplcom / Doug Perrine / WWF
Delfin und Korallen © natureplcom / Doug Perrine / WWF

Ein Modell versucht herauszufinden, wie sich Marine Hitzewellen, die Veränderung mariner Lebensräume und die Wanderbewegungen von Meerestieren einordnen lassen. Wissenschaftler des NOAA Southwest Fisheries Science Center um Michael Jacox haben ihr neues Modell im Wissenschaftsmagazin „Nature“ publiziert.

Darin heißt es, dass ausgedehnte Perioden mit anomal warmen Meerestemperaturen die Ökosysteme der Ozeane drastisch verändern können, indem sich die geografische Verbreitung von Meereslebewesen verändert:

Ganze Fischbestände verlassen die warmen Meeresregionen und ziehen mit dem kalten Wasser in Richtung der Pole oder in tiefere Gewässer. Nur, wenn sie dort auch passende Lebensräume finden, haben sie eine Chance zu überleben.

Das betrifft auch Wale und Delfine – wenn höhere Wassertemperaturen ihre Fressgebiete in Regionen außerhalb von bereits existierenden Schutzgebieten verschieben, sodass die Meeressäuger erneut in stark vom Menschen genutzte Meeresbereichen ohne Schutzstatus abwandern. Das Problem: Die Tiere gelangen in die Fanggründe der Fischer:innen und verheddern sich in Fischfanggerät.

Die Ergebnisse zeigen, dass sich auch der Mensch im Umgang mit marinen Ressourcen den veränderten Bedingungen anpassen muss. Die räumlichen Verschiebungen von Lebensräumen sind Jacox zu Folge „von vergleichbarer Größenordnung wie die mit dem langfristigen Klimawandel verbundenen Verschiebungen, die bereits stattfinden. Ein Beispiel für solche klimabedingten Verschiebungen an Land ist das veränderte Verhalten verschiedener Zugvogelarten. Das bemerken wir auch hierzulande: einige Vogelarten ziehen später gen Süden und kehren früher zurück, wieder andere überwintern sogar dauerhaft.

Um die Folgen der Erhitzung abzuschwächen, brauchen die Meeresökosysteme Schonung, denn je besser es ihnen geht, desto widerstandsfähiger sind sie gegenüber den auftretenden Veränderungen. Um das zu erreichen, muss der Fischereidruck gesenkt und mehr effektiv gemanagte Meeresschutzgebiete geschaffen werden.

Helfen Sie den Walen und Delfinen

Weitere Informationen und Downloads

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