Der diesjährige Waldzustandsbericht und die neue Bundeswaldinventur zeigen einmal mehr: Den Wäldern geht es nicht gut. Vier von fünf Bäumen sind krank. Dürren, Waldbrände und Borkenkäfer machen ihnen zu schaffen. Ihre Funktion als Kohlenstoffsenke haben sie laut den Erkenntnissen ebenfalls verloren.

Natur entdecken mit Kindern © Jupiterimages / Getty Images / WWF
Natur entdecken mit Kindern © Jupiterimages / Getty Images / WWF

Dem sollte das lange versprochene neue Bundeswaldgesetz gegensteuern. Doch selbst den jüngsten, schwächsten Entwurf haben forstliche Lobbygruppen strikt abgelehnt – absolute Verfügung über ihren Wald ist ihnen wichtiger als seine Zukunft.

Wie ein sinnvolles neues Bundeswaldgesetz formuliert sein müsste, demonstriert eine Blaupause der Naturschutzverbände.

Wie schwierig es ist, lösungsorientierte Politik gegen sachfremde Lobbyinteressen durchzusetzen, hat sich im Fall der nun hinfälligen Novellierung des Bundeswaldgesetzes gezeigt. Besonders fortschrittlich war der Ende 2023 bekannt gewordene erste Entwurf des grün geführten Bundeslandwirtschaftsministeriums zwar nicht, aber immerhin nannte er – anders als das bis heute geltende Gesetz von 1975 – als Gesetzeszweck nicht allein den Erhalt des Waldes zur Holzproduktion an erster Stelle, sondern das Ökosystem Wald als Lebensgrundlage, als Lebensraum für die wildlebende Tier- und Pflanzenwelt und als natürlicher Kohlenstoffspeicher. Um die Wälder widerstandsfähiger gegen die Erderwärmung zu machen, sollten vorwiegend heimische Baumarten zum Einsatz kommen. Ein bisschen strenger sollten die Regeln für den Einsatz von schwerem Gerät werden und ab einer Fläche von 100 Hektar sollten Waldbesitzer:innen Managementpläne für ihre Forstflächen aufstellen. Bei Regelverstößen sollten Sanktionen drohen.

Wer darf in Sachen Wald mitreden?

Mit Blick auf die Lage der Wälder war dieser Entwurf recht zahm. Doch er reichte schon aus, um den konservativen Teil der Waldbesitzer:innen-Lobby auf die Palme zu bringen. Unter Druck geraten und ohne ausreichend Rückhalt in der Koalition musste Minister Cem Özdemir zurückrudern, und aus der Reform wurde ein Reförmchen. Statt einem ganz neuen Gesetz präsentierte sein Ministerium Anfang November die Fortschreibung des alten Gesetzes mit punktuellen Änderungen. Doch auch gegen die abgespeckte Variante machten die Lobbyist:innen mobil. Und hatten dabei die FDP auf ihrer Seite. Mit der Gesetzesnovellierung drohe ihrer Klientel Bürokratie, Planwirtschaft, Gängelei, gar Ruin und Enteignung, so das Lamento.

Von Enteignungen war selbstverständlich weder im ersten noch im zweiten Entwurf des neuen Waldgesetzes die Rede. Der polemisch gebrauchte Begriff verweist aber auf ein ernstes Problem: Offensichtlich akzeptieren einige Privatwaldbesitzende grundsätzlich nicht, dass ihnen irgendjemand ins Business hineinredet. Aber wie soll das gehen? Darf das Parlament etwa nicht über die Rahmenbedingungen entscheiden, die für ein Drittel der gesamten Landesfläche gelten? Soll die Zukunft der Wälder gar nicht gesetzlich gesichert werden – und damit auch ihr Beitrag zum Klima- und Biodiversitätsschutz und ihre Ökosystemleistungen wie etwa der Trinkwasserschutz? Darf es möglich sein, dass die Eigentümer:innen riesiger Flächen fast keiner Sozial- oder Ökologiepflicht unterliegen, obwohl der Schutz des Waldes eine Schlüsselfunktion für unsere Zukunft hat?

Wir haben nicht mehr 1975

Vom Borkenkäfer geschädigter Wald in Deutschland © gettyImages
Von Trockenheit und Borkenkäfern zerstörter Wald © Getty Images

Ein halbes Jahrhundert nach seinem Inkrafttreten hat das Bundeswaldgesetz großen Erneuerungsbedarf, denn die großen Herausforderungen unserer Zeit hat es nicht auf dem Schirm. Wie auch? Es stammt aus einer Zeit, als das Artensterben und die globale Erhitzung kaum oder gar nicht bekannt waren.

Damals war es durchaus fortschrittlich. Das Bundeswaldgesetz von 1975 garantierte erstmals bundesweit das Recht, den Wald zu betreten, unabhängig davon, wem er gehört. Zuvor gab es Regelungen zur Teilhabe am Walderlebnis nur auf regionaler Ebene. So begründete der Berliner Dauerwaldvertrag von 1915 – gewissermaßen der erste große Erfolg der Naturschutzbewegung in Deutschland – die Verpflichtung zum Erhalt der Berliner Wälder ausdrücklich mit den Erholungsbedürfnissen der Bevölkerung. Und die bayerische Landesverfassung von 1946 gestattet in Artikel 141 jedermann den „Genuss der Naturschönheiten und die Erholung in der freien Natur, insbesondere das Betreten von Wald“.

Buchenwald © Michael Gunther / WWF
Buchenwald © Michael Gunther / WWF

Wald in Zahlen

Ohne menschlichen Einfluss wären gut 95 Prozent der Fläche in Deutschland mit Wald bedeckt, tatsächlich sind es nur rund ein Drittel.

Unter natürlichen Bedingungen handelte es sich bei rund 90 Prozent der Waldfläche um Laubwald, darunter zwei Drittel Buchenwälder. Nadelbäume kämen in den Bergwäldern und an besonders trockenen, sandigen Standorten vor, etwa auf Dünen. Tatsächlich verteilen sich die 10,8 Millionen Hektar Waldfläche allerdings im Wesentlichen auf Fichte (2,8 Millionen Hektar), Kiefer (2,4 Millionen Hektar) und restliche Nadelbäume (0,7 Millionen Hektar) sowie auf Buche (1,7 Millionen Hektar), Eiche (1,1 Millionen Hektar) und restliche Laubbäume (1,3 Millionen Hektar).

Größte Waldbesitzerin in Deutschland ist die öffentliche Hand. 29 Prozent der Waldfläche gehören den Landesforsten, 19 Prozent den Kommunen (Körperschaftswald) und vier Prozent dem Bund. 48 Prozent sind Privatwald. Davon gehört wiederum die Hälfte privaten Waldbesitzer:innen, die weniger als 20 Hektar ihr Eigen nennen können.

Ein „Weiterso“ ist keine Option

Harvester im Wald © Bjoern Bartsch / iStock / Getty Images
Harvester im Wald © Bjoern Bartsch / iStock / Getty Images

Heute sind die Wälder in Deutschland – nicht nur dort – im schlechtesten Zustand seit Beginn der systematischen Erfassung in den 1980er Jahren. Nur jeder fünfte Baum hat keine sichtbaren Schäden. Die Dürren der letzten Jahre haben den Waldbäumen sichtlich zugesetzt, sie stehen unter Stress, sind anfällig für Schädlings- und Pilzbefall und können Stürmen schlechter standhalten.

Gleichzeitig wird immer deutlicher, wie immens wichtig intakte Wälder und ihre Ökosysteme sind: für den Wasserhaushalt, als Treibhausgassenke, zur Kühlung in den immer häufiger auftretenden Hitzephasen, als Filter für Schadstoffe in Luft und Wasser und nicht zuletzt als ein Ort, an dem unzählige Tier-, Pflanzen- und Pilzarten vorkommen – oder zumindest bei naturnaher Waldbewirtschaftung vorkommen können.

Die Schwierigkeiten, in denen der Wald heute steckt, haben nicht ausschließlich mit Extremwetterereignissen wie Dürre und Stürmen zu tun. Sie sind auch hausgemacht – Folge einer nur auf die Holzproduktion ausgerichteten Wirtschaftsweise, die auf Nadelholzdominanz, kahlschlagähnlichen Auflichtungen und intensivem Maschineneinsatz mit der dazugehörigen Bodenzerstörung und -verdichtung fußt.

Angesichts dieser Problemlage hatte der WWF es begrüßt, als die Ampel ihrem Koalitionsvertrag folgend mit der Novellierung des Waldgesetzes begonnen hatte. Um zu zeigen, wie ein ambitioniertes Waldgesetz aussehen könnte, hatten der WWF zusammen mit dem Deutschen Naturschutzring (DNR), der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und dem Naturschutzbund (NABU) eine Schattennovelle formuliert, die dem federführenden Landwirtschaftsministerium als Blaupause hätte dienen können. Notgedrungen ist der Gesetzesvorschlag der Naturschutzverbände deutlich ausführlicher als das alte Bundeswaldgesetz.

Denn statt mit weitestgehend unbestimmten und wirkungslosen Begriffen wie etwa der „ordnungsgemäßen Forstwirtschaft“ zu hantieren, muss das neue Gesetz eindeutig festlegen, was zukünftiges Waldmanagement ausmacht, das gesellschaftlich akzeptabel ist. Es muss ökologische Mindeststandards setzen, Zuständigkeiten klären und auch Sanktionen für regelwidrige Bewirtschaftung einführen, damit mögliche Schäden für unsere Gesellschaft ausgeschlossen werden können.

Klare Regeln statt Laissez-faire

Totholz mit Baumpilz im Nationalpark Hainich © Thomas Stephan / WWF
Totholz mit Baumpilz im Nationalpark Hainich © Thomas Stephan / WWF

Mit dieser Ausrichtung wendet sich die Schattennovelle der Verbände keineswegs gegen die Holzwirtschaft. Ganz im Gegenteil, nur mit einem entschiedenen Umsteuern können Wald und Holznutzung auch für kommende Generationen gesichert werden.

Dazu WWF-Waldexpertin Susanne Winter: „Wir müssen uns dringend von der überkommenen Nachhaltigkeitsdefinition lösen, nach der man so viel Holz entnehmen kann, wie jährlich nachwächst. Das funktioniert nicht, weil dann das Waldökosystem geschwächt wird, der Nährstoffkreislauf gestört, der Zuwachs der Bäume verringert, und kein Totholz mehr für Humusaufbau und Biodiversität übrigbleibt. Nachhaltig ist vielmehr, wenn die Hälfte des Zuwachses im Wald verbleibt“.

Die Schattennovelle untersagt jede Form von Kahlschlag, auch den sogenannten Sanitätshieb gegen kranke oder tote Bäume. Wenn Forstflächen geschädigt sind, soll immer ein großer Teil des Totholzes an Ort und Stelle bleiben. Das sichert nicht nur den Humus für den Waldboden, sondern spendet nachkommenden Sprösslingen in sonnenreichen, heißen Zeiten Schatten, etwas Kühlung und die Nährstoffe, ohne die sie nicht recht gedeihen können. Dort, wo die Naturverjüngung nicht baumartenreich genug entsteht, sollen sich die Forstleute beim Pflanzen auf heimische Laubbaumarten wie beispielsweise Stiel- und Traubeneiche, Berg- und Spitzahorn, Roterle und Lindenarten konzentrieren. Naturnahe Wälder sind der beste Garant für das Überleben des Waldes.

Werden Sie aktiv und schützen Sie den Wald

Lesen Sie den Entwurf eines Waldgesetzes von den Umweltverbänden:

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