Tigermücken in Brandenburg, gefährliche Schildkröten in Baggerseen, Nandus in Mecklenburg: Eingeschleppte Arten sind viel mehr als nur ein Sommerlochthema. Tausende leben längst unter uns – und können ganze Ökosysteme kippen lassen.

Immer mehr Tiere und Pflanzen werden durch den Menschen aus ihrem Verbreitungsgebiet verschleppt - ob bewusst oder unbewusst. Allein in Deutschland sind etwa 1150 nicht-heimische Tier- und 12.000 Pflanzenarten registriert. Die meisten können sich in Deutschland nicht fortpflanzen oder überleben den Winter nicht, aber über 600 eingeschleppte Pflanzen (Neophyten) und über 260 Tiere (Neozoen) haben sich fest etabliert. Davon geht man aus, wenn diese Arten sich etwa 100 Jahre im geographisch neuen Lebensraum etabliert haben. Stellenweise kann dadurch die Artenvielfalt zunehmen. Oft haben Neozoen und Neophyten aber negative Auswirkungen.

Pest und Plage

Schon seit Jahrhunderten zeigen eingeschleppte Arten verheerende Folgen: Auf tropischen und subtropischen Inseln löschten Ratten und Katzen von europäischen Schiffen innerhalb kürzester Zeit am Boden brütende Vogelarten aus. Ziegen und Schafe fraßen ganze Inseln kahl und entzogen den einheimischen Arten die Lebensgrundlage. Das Europäische Kaninchen, bewusst als jagdbares Wild in Australien eingebürgert, hat sich dort zu einer Plage entwickelt. Besonders dramatische Folgen hatte die Einschleppung der Wanderratte aus Asien: Mit ihr gelangte der Pestfloh und das Pestbakterium nach Europa und löste die große Pestepidemie von 1350 mit Millionen von Toten aus.

Marienkäfer gegen Marienkäfer

Marienkäfer © Chris Martin Bahr / WWF
Marienkäfer © Chris Martin Bahr / WWF

„Manche Arten verdrängen Einheimische oder lassen sogar ganze Ökosysteme kippen – das muss man natürlich erkennen und frühzeitig eingreifen“, sagt WWF-Experte Janosch Arnold. Asiatische Marienkäfer verdrängen die Einheimischen, der Kamberkrebs den europäischen Flusskrebs, das stärkere Grauhörnchen das europäische Eichhörnchen. Die Nordamerikanische Rippenqualle hat im Schwarzen Meer Sardelle und Sprotte bereits nahezu ausgerottet. Jetzt siedelt sie sich auch in Nord- und Ostsee an. „Wenn es mal so weit gekommen ist, kann man eigentlich nichts mehr dagegen tun – auch nicht mit Ausrottungsaktionen“, sagt Arnold. „Letztlich ist die Invasion von Arten unvermeidlich, wenn sie einen geeigneten Lebensraum vorfinden. Zu spät erkannt, kann sie nur eingeschränkt und in einigen Fällen verzögert werden.“

Ein Amerikaner in Deutschland

Ein besonders bekanntes Beispiel für invasive Tierarten ist der nordamerikanische Waschbär. Er wurde bereits 1927 als Pelztier nach Deutschland eingeführt und hat sich in Europa nicht nur etabliert, sondern weitet sein Areal seither deutlich aus. Der Waschbär ernährt sich von Pflanzen, Wirbellosen und Wirbeltieren, darunter auch Vögel. Aufgrund seiner hervorragenden Kletterkünste macht er sich auch an Vögel heran, die in hohen Bäumen nisten. Der WWF hält jedoch eine generelle Bejagung des Waschbären nicht für sinnvoll. Eine schwerpunktmäßige Regulierung z.B. zum Schutz von seltenen Vögeln oder den letzten Vorkommen der europäischen Sumpfschildkröte kann jedoch notwendig werden, um bedrohte Arten zu schützen.

Gebietsfremde Arten in Meeren und Flüssen

Gebietsfremde Arten werden durch verschiedene Vektoren von einem Meeresgebiet zum anderen transportiert: Chinesische Wollhandkrabben wanderten über Flüsse und Kanäle in unsere Flussmündungen ein. Dreiecksmuscheln kamen mit den Binnenschiffen, sie können sogar die Kühlsysteme von Kraftwerken verstopfen. Die aus dem Indopazifik stammende Grünalgenart Caulerpa taxifolia entwich aus dem Labor ins westliche Mittelmeer, wo sie seitdem alles überwuchert und das Bodenleben erstickt. Vor Jahrzehnten wurde die Königskrabbe aus der fernen Region Kamtschatka vor der Stadt Murmansk in der Barentssee ausgesetzt. Seitdem ist sie auf ihrem Vormarsch, unter anderem entlang der norwegischen Küste, frisst anderen wertvolle Bodenlebewesen weg und zerstört sogar Fischernetze. Im Wattenmeer ist es die künstliche eingebrachte Pazifische Auster, die zunehmend Boden einnimmt.

Der wichtigste Ferntransport invasiver Arten geschieht zweifelsohne mit Ballastwasser in den Tanks der großen Handelsschiffe. Allein in Ballastwassertanks von Schiffen reisen jeden Tag rund 7000 Arten rund um den Globus. Dabei verursachen die tierischen Globetrotter Schäden von jährlich fast 36 Milliarden Euro. So gelangte die amerikanische Rippenqualle Mnemiopsis leydii ins Schwarze Meer und vernichtete ganze Fischbestände, eingeschleppte giftige Dinoflagellaten, mikroskopisch kleines Pflanzenplankton, legt norwegische Lachsfarmen lahm.

Tausende reisende Arten

Vorsorge gegen weitere Einschleppung ist bei weitem der effizienteste Weg, den möglichen Gefahren von invasiven Arten zu begegnen. Im Rahmen der Konvention zur Erhaltung der biologischen Vielfalt haben sich die Vertragsstaaten verpflichtet, die Einschleppung gebietsfremder Arten zu verhindern. Doch seit große Strecken mit dem Schiff oder Flugzeug überwunden werden, breiten sich Arten noch sehr viel rasanter aus. Allein in Ballastwassertanks von Schiffen reisen einer WWF-Studie aus dem Jahr 2009 zufolge täglich rund 7000 Arten um den Globus. Getan wird dagegen wenig – obwohl die Schäden in die Milliarden gehen.

Denn sind die invasive Arten erst mal angekommen, werden geeignete Maßnahmen schwierig und teuer. „Für den Umgang mit fremden Arten gibt es kein Patentrezept“, sagt WWF-Experte Arnold. „Jede neue Art muss genau beobachtet und untersucht werden, um die Auswirkungen zu dokumentieren zu können - und dann gegebenenfalls sinnvolle Maßnahmen zur Eindämmung einzuleiten.“

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