Dass es in der Landwirtschaft nicht mehr so weitergehen kann wie bisher, müsste uns mittlerweile eigentlich allen klar sein. 70 Prozent aller Insektenarten sind in einem ungünstigen Erhaltungszustand und der Rückgang der Pflanzenvielfalt im Grünland liegt bei 30 Prozent und beim Ackerland bei 71 Prozent.

Um das Ruder noch herumzureißen, muss sich die gesamte Landwirtschaft verändern, und wir brauchen dringend die längst überfällige Agrarwende: mit weniger Tieren, weniger Pestiziden, weniger Düngemitteln  – aber dafür mehr Biodiversität, mehr Tierwohl und mehr Artenvielfalt.

Der Europäische Green Deal erkennt die Notwendigkeit an, die europäische Landwirtschaft im Allgemeinen und den Pflanzenschutz im Besonderen unter den Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit, des Biodiversitäts- und des Klimaschutzes voranzubringen. Die europäische Farm2Fork-Strategie fordert Maßnahmen bis 2030, um die Verwendung und das Risiko chemischer Pestizide um 50 Prozent zu verringern und agrarökologische Verfahren wie den Bioanbau zu fördern.

Zusammenfassung der Pestizidstudie

In einem Gewächshaus wird mit Pestiziden gedüngt © iStock / Getty Images Plus
Einsatz von Pestiziden in einem Gewächshaus © iStock / Getty Images Plus

Sehr einleuchtend rechnen die Expert:innen des Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) mit der Studie vor, dass eine Pestizidabgabe in Deutschland machbar ist und sie – je nach Ausgestaltung – wesentlich dazu beitragen kann, die notwendige Pestizidreduktion umzusetzen. Dass die Pestizidabgabe auch auf EU Ebene funktioniert, kann hier in der englischen Fassung nachgelesen werden.

Langfristig könnte sich dadurch der Absatz bei Pestiziden halbieren. Noch beeindruckender ist die Zahl bei den aus ökologischer Sicht hoch problematischen Herbiziden, hier ist eine Reduktion um rund 70 Prozent möglich –  hierunter fiele dann auch das umstrittene Totalherbizid Glyphosat.

Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft Julia Klöckner hat noch immer keinen Plan zur schrittweisen Reduktion von Pestizideinsatz auf landwirtschaftlichen Flächen außerhalb von Naturschutzgebieten vorgelegt, und auch das Totalverbot von Glyphosat ab 2023 ist abhängig von den Entscheidungen auf EU-Ebene, also weit entfernt von beschlossen.

Ein Blick nach Dänemark zeigt, dass sich die Ernteerträge durch die dortige Pestizidabgabe nicht reduziert haben, obwohl der Absatz von Pestiziden nach Einführung um knapp 40 Prozent gesunken ist. Dies hat auch nicht zu einem beschleunigten Höfesterben geführt.

Das fordern die NGOs

Einführung einer Pestizidabgabe als Kernforderung an die nächste Bundesregierung

Kernforderung an die nächste Bundesregierung muss die Einführung einer Pestizidabgabe sein, denn eine gut gemachte, risikobasierte Abgabe – wie der vorgestellte „modifizierte UFZ-Vorschlag“ – würde dazu führen, dass vor allem gefährliche Pestizide teurer werden und durch eine sinkende Nachfrage die Umwelt entlastet wird. Eine solche Pestizid-Abgabe ist also ein wirkungsvolles marktwirtschaftliches Tool, dass den ordnungspolitischen Rahmen wirkungsvoll ergänzt.

Hierdurch könnten die Ziele der Farm2Fork-Strategie in erreichbare Nähe rücken. Die Wirkung könnte sich dort zeigen, wo der Nationale Aktionsplan Pflanzenschutz (NAP) aus unserer Sicht scheitert: „Weg von der Abhängigkeit von chemischen-synthetischen Pestiziden!” Denn die Internalisierung der externen Kosten bei der Lebensmittelproduktion ist immens wichtig, um die wahren Kosten darzustellen – ein Aspekt, der aktuell auch in der Zukunftskommission Landwirtschaft diskutiert wird. Die externen Kosten für Wasserversorgung, Umweltüberwachung und Gesundheitskosten müssen beim Verursacher (Landwirt:in, Kommunen, Gärtner:innen und der Bahn) anfallen und nicht bei der Gesellschaft.

Defizite bei der Zulassung von Pestiziden berücksichtigen

Bei der Zulassung von Pestiziden bestehen erhebliche Defizite, wenn es um die Berücksichtigung indirekter Auswirkungen auf die biologische Vielfalt und Ökosysteme geht. Die Pestizidabgabe bietet die Möglichkeit, diese Risiken von insekten- und biodiversitätsschädigenden Pestiziden zu berücksichtigen, wie in dem modifizierten UFZ-Vorschlag in der Studie.

Unterstützung von Landwirt:innen und Initiativen, die sich um Böden, Artenvielfalt und Biodiversität kümmern

Je nachdem, welches Modell für Deutschland angewendet wird, werden Gelder zwischen einer halben und einer ganzen Milliarde Euro generiert. Diese Mittel sollen zielgerichtet solchen Landwirt:innen und Initiativen zugute kommen, die sich um Böden, Artenvielfalt und Biodiversität kümmern.

Die Ausrichtung auf pestizidfreie Anbaumethoden und den Biolandbau unterstützt die notwendige Agrarwende und die landwirtschaftlichen Betriebe gleichermaßen. Wir brauchen die Ökologisierung in der Fläche; und mit dieser Pestizidabgabe werden Landwirt:innen dafür entlohnt, wenn sie sich in besonderer Weise für die Umwelt und Gesundheit engagieren und weitergehen auf dem Weg hin zu pestizid-freien Anbauverfahren.

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