Mühsam streift eine große Löwin durch die Weiten der Savanne. Ihr fehlt eine Vorderpfote. Die Löwin hat Glück, ihr Rudel versorgt sie mit Nahrung. Noch größeres Glück ist, dass sie überhaupt noch lebt. Denn sie hat ihre Pfote in einer Kabelschlinge verloren. Erbarmungslos ziehen sich diese Schlingen aus Metalldraht beim Kampf ums Überleben immer weiter zu, schneiden tief in Haut und Fleisch. Kann ein Tier tatsächlich entkommen, stirbt es meist später an der Infektion seiner Verletzungen. Schlingfallen gehören heute zu den größten Bedrohungen nicht nur für Löwen, sondern für viele Wildtiere in ganz Afrika.

Kabelschlingen töten wahllos

Eingesammelte und konfiszierte Schlingfallen © Julie Bela Wanona
Eingesammelte und konfiszierte Schlingfallen © Julie Bela Wanona

Die selbst gebauten Fallen aus den Drähten alter Autoreifen, Fahrradbremsen oder abgebauten Zäunen sollen Gnus, Zebras und Antilopen als Buschfleisch fangen, dessen Nachfrage stetig steigt. Doch sie töten wahllos, was hineingerät und machen auch vor trächtigen Tieren oder Müttern mit Jungen nicht halt. Senkrecht zwischen Büschen und Sträuchern aufgehängt, ziehen die Fallen sich nicht selten um Hals oder Bauch von Löwen, Hyänen und Geparden unerbittlich zu. Elefanten, Nashörner und Giraffen tragen folgenschwere Beinverletzungen davon. Und immer wieder verlieren Menschenaffen ihre Gliedmaßen oder verenden qualvoll in den Fallen: "Auch in den Regenwäldern Afrikas ist die Situation dramatisch und scheint stark zuzunehmen, obwohl Metallschlingen in allen Ländern des Kongobeckens verboten sind”, so Dr. Thomas Breuer, Zentralafrika-Referent beim WWF Deutschland.

 

Zahllose Schlingfallen auf dem gesamten Kontinent

An einem einzigen Tag konnten Ranger des Serengeti Nationalparks über 400 Drahtschlingfallen sicherstellen. In den letzten drei Jahren waren es über 40.000, dazu fast 300 befreite Tiere. Eine Befreiung aus den Fallen ist schwierig. Die Drähte sitzen fest, oft laufen Tiere mit abgerissenen, eng zugezogenen Fallen herum. Betäubung und eine gute, manchmal mehrfache Wundversorgung sind nötig.

Im Kibale Nationalpark in Uganda waren fast zwei Drittel aller Schimpansen schon einmal in einer Kabelschlinge gefangen. Im Dzanga-Sangha Schutzgebietskomplex in der Zentralafrikanischen Republik werden jährlich zehntausende Kabelschlingen beschlagnahmt. Und in Lobéké im Südosten Kameruns bargen Wildhüter in weniger als zwei Wochen über 1000 der gefährlichen Drahtschlingen. Sie konfiszierten außerdem das Fell eines Panthers: Ihm fehlte das Hinterbein.

„Ob im Regenwald oder der Savanne, überall wo Menschen sind, sind auch Kabelschlingen.“

Dr. Thomas Breuer, Zentralafrika-Referent WWF Deutschland

Schlingfallen: Schneller ausgelegt als wiedergefunden

„Kabelschlingfallen sind billig, leicht zugänglich und diskret“, erklärt Jean Paul Kevin Mbamba Mbamba, Naturschutzverantwortlicher des Lobéké Nationalparks. „Während Wilderer früher noch Bremskabel von Motorrädern oder Fahrrädern nutzten, werden die Kabel heute in vielen Geschäften direkt auf unbeschrifteten, großen Rollen angeboten.“ So leicht sie zu besorgen sind, so schwierig ist es für die Wilderer häufig, ihre ausgelegten Fallen wieder zu finden. Schließlich muss das Fallenstellen schnell gehen, oft im Dunkeln und tiefer Abgeschiedenheit. In der Folge werden 60 bis sogar 90 Prozent der gefangenen Tiere nicht einmal gefunden, verwesen in der Schlinge und sterben einen völlig sinnlosen Tod.

Gorilla-Rettung in Dzanga-Sangha

Auch vor den größten Menschenaffen machen die grausamen Schlingfallen nicht halt. Aber die Gorillas manchmal vor ihnen: „Wenn wir Gorillas verfolgen, beobachten wir, dass sie Gebiete mit Schlingen meiden. Sie entfernen sich schnell und warnen die anderen Gruppenmitglieder." Terence Fuh Neba ist Primatologe für den WWF in Dzanga-Sangha. Das Schutzgebiet im Herzen Afrikas beherbergt außergewöhnlich viele gefährdete Arten. Bereits zweimal musste Nebas Team eingreifen, um Tiere aus Schlingen zu befreien.

Die Corona-Krise verschärft das Problem

2019 stellten Wildhüter in Dzanga-Sangha etwa 30.000 Schlingfallen sicher. 2020 waren es schon rund 45.000. Das lässt einmal mehr vermuten: Ursache ist meist die Not der Menschen. Durch die Corona-Krise ist die Armut in der Region weiter gestiegen und nach dem Lockdown kehrte eine große Anzahl junger Männer arbeitslos aus der Stadt in ihre Dörfer zurück. In der Wilderei sehen viele die einzige Chance, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Hinzu kommt vielerorts in Afrika eine steigende Nachfrage nach Buschfleisch durch die wachsende Bevölkerung und einen zunehmend kommerzialisierten Handel. Kriminell organisierte Netzwerke vertreiben das Wildtierfleisch in immer größerem Stil in Afrikas Städten,wo es als Delikatesse gilt, und teilweise sogar international. In weiten Bereichen Afrikas ist Buschfleisch außerdem immer noch die günstigste tierische Proteinquelle.

„Die Serengeti ist ein Kabelschlingen-Schlachtfeld!“

Johannes Kirchgatter, Ostafrika-Referent beim WWF Deutschland

Was tun gegen die Schlingfallen?

Ranger im Wald © Karine Aigner / WWF-US
Ranger im Wald © Karine Aigner / WWF-US

Zu selten haben Fallensteller ernste Konsequenzen zu befürchten. Die Strafverfolgung der grausamen Jagdmethode muss erheblich verbessert werden und auch das Handeln und Mitführen der Kabel als Straftatbestand gelten. Kriminelle Netzwerke müssen durch grenzüberschreitende Zusammenarbeit einer gut informierten Justiz ausgehebelt werden. Vor allem aber muss man die Not der Menschen vor Ort lindern. Afrikas ländliche Bevölkerung bedarf alternativer Einkommensquellen, beispielsweise durch ertragreichere, nachhaltigen landwirtschaftlichen Anbaumethoden und neuen Zugängen zu Märkten. Lokale Gemeinden müssen bei der Lösungsfindung einbezogen werden und bereits in den Schulen muss Aufklärungsarbeit über die verheerenden Folgen der Schlingfallen stattfinden. Auf all diesen Ebenen arbeitet der WWF und bildet darüber hinaus in ganz Afrika Wildhüter aus. Eine ihrer Hauptaufgaben ist die Entfernung von Schlingfallen. Die Wildhüter stammen aus Gemeinden vor Ort, wodurch wiederum neue Einkommen geschaffen werden. Teilweise waren sie selbst in ihrem früheren Leben Fallensteller und kennen Gebiet und Methoden genau. Wer wüsste besser als sie, wie man die brutale Jagd mit den Schlingen stoppen kann.

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