Was Pferde mit Schweineschnitzeln zu tun haben? In der industriellen Fleischproduktion leider viel. Denn trächtige Pferdestuten liefern ein Hormon, das in der Ferkelzucht eingesetzt wird. Die Gewinnung des Hormons ist grausame Tierquälerei. Die Pharmaindustrie rechtfertigt den Einsatz mit mehr Klimaschutz durch eine effektivere Schweinezucht – eine Farce. Der WWF fordert ein schnellstmögliches Verbot der brutalen Praxis.

PMSG: Das wertvolle Hormon der Pferde

Intensive Schweinezucht © Shutterstock / Chirath photo / WWF
Intensive Schweinezucht © Shutterstock / Chirath photo / WWF

PMSG bedeutet Pregnant Mare Serum Gonadotropin und ist ein Hormon, das trächtige Pferde in ihrer Plazenta produzieren. Es stimuliert zu Beginn der Trächtigkeit die Funktion der Eierstöcke. Wird das Fruchtbarkeitshormon weiblichen Schweinen gespritzt, lässt sich damit ihr Zyklus steuern. Schweinezuchtbetriebe nutzen das, um ihre Sauen gleichzeitig Ferkel werfen zu lassen und so den Betriebsablauf zu vereinfachen

Die Belastung der Pferde, denen das Hormon entnommen wird, ist enorm und führt bis hin zum Tod. Doch der Handel mit PMSG ist ein Millionengeschäft. Hundert Gramm des Hormons kosten über eine Millionen Euro. Deutschland gilt als einer der Hauptimporteure.

Das Leid der Pferdestuten auf den Blutfarmen

Die Hauptproduktionsländer des Hormons PMSG liegen in Südamerika und dort vor allem in Argentinien und Uruguay. Aber auch in Europa boomt das Geschäft: Island hat sich in den letzten Jahren zu einem neuen Hotspot der PMSG-Gewinnung entwickelt und selbst in Deutschland gab es bis 2022 noch eine sogenannte Blutfarm.

Auf den Blutfarmen werden Pferde in großen Herden gehalten und den trächtigen Stuten innerhalb kürzester Zeit so viel Blut wie möglich abgenommen. Denn das Hormon PMSG ist im Blut der Stuten nur zwei bis drei Monate in erhöhter Konzentration vorhanden. Über den Zeitraum von etwa elf Wochen müssen die Pferde mehrere Liter Blut wöchentlich lassen. Das ist mehr, als selbst für nicht trächtige Tiere empfohlen wird.

Die wiederholte Blutentnahme bedeutet für die Stuten großes psychisches und physisches Leid. Durch die Belastung über ihre Grenzen hinaus erleiden viele von ihnen eine Fehlgeburt. Nicht selten werden die Fohlen ohnehin abgetrieben, da es für sie keine Verwendung gibt und die Stuten so schnell wie möglich wieder trächtig werden sollen. Darüber hinaus gilt vor allem in Südamerika die Annahme, dass unterernährte Stuten mehr PMSG ins Blut ausschütten. Oft werden die Tiere deshalb gezielt unterversorgt, müssen also hungern.

Leid auch für die Schweine

Schwein aus ökologischer Landwirtschaft © Ola Jennersten / WWF Schweden
Schwein aus ökologischer Landwirtschaft © Ola Jennersten / WWF Schweden

Durch den Einsatz von PMSG können nicht nur alle Sauen gleichzeitig trächtig, sondern auch die Wurfzahlen gesteigert werden. Bei den hochgezüchteten Schweinen der heutigen industriellen Mastbetriebe ist das jedoch gar nicht nötig. Im Gegenteil: Das Fruchtbarkeitshormon kann zu überzähligen Ferkeln führen, die von der Muttersau nicht ernährt werden können. Die lebensschwachen Tiere werden Kümmerer genannt und verhungern oft in der Abferkelbucht oder werden getötet. Eine Aufzucht per Hand wäre zeit- und arbeitsintensiv.

Wirkung von PMSG

Durch das Hormon PMSG können die Zyklen aller Sauen oder von einzelnen Gruppen in einem Betrieb gleichgeschaltet und notwendige Schritte wie Besamung, Geburt, Impfungen der Ferkel oder auch die Reinigung der unterschiedlichen Bereiche in einem Durchgang ausgeführt werden. 

Außerdem können die Sauen nach einem Wurf schneller wieder trächtig werden. Es ist sogar möglich, die Pubertät bei Jungsauen unnatürlich früh herbeizuführen, während andere Hormonpräparate erst bei zuchtreifen Tieren verwendet werden dürfen. PMSG reiht sich ein in die Geschichte von günstigem Fleischkonsum um jeden Preis.

Die Klimaschutz-Ausrede

Industrielle Emissionen © Rob Webster / WWF
Industrielle Emissionen © Rob Webster / WWF

Seit Jahren prangern Tierschutzorganisationen – allen voran die Animal Welfare Foundation EV – den Einsatz und die Gewinnung von PMSG an, ohne dass sich bisher etwas geändert hätte. Rechtfertigungen für die grausame Methode in der Öffentlichkeit kommen selten von den Landwirt:innen selbst. Doch die Pharmaindustrie ist alarmiert und macht den ökologischen Fußabdruck zu einem ihrer wichtigsten Argumente: Durch die effektivere Zucht mit Hilfe des Hormons würden Futtermittel, Platz und Energie eingespart und damit die Umwelt geschont.

Dass dies so nicht stimmt, haben Wissenschaftler:innen bereits nachgewiesen. Sie konnten in der Praxis keinen merklichen Gewinn feststellen, nachdem sie PMSG-Betriebe mit solchen verglichen, die auf den Einsatz verzichteten. „Es ist eine Farce, zu behaupten, dass es hier um Umweltschutz geht“, so Julia Walther, Expertin für nachhaltige Landwirtschaft beim WWF Deutschland.

„Die industrialisierte Tierhaltung und der übermäßige Fleischkonsum in Deutschland tragen in erheblichem Maße zur Klimakrise und dem Artensterben bei – und der Einsatz von PMSG macht die Massenproduktion von Schweinefleisch noch billiger. Wollten die Betriebe ihre Produktion wirklich umweltfreundlicher gestalten, wäre es viel wichtiger, auf heimische Futtermittel zu setzen anstatt auf Soja aus Entwaldungsgebieten – um nur ein Beispiel zu nennen."

Julia Walther, Expertin für nachhaltige Landwirtschaft beim WWF Deutschland

Es gibt Alternativen zum Einsatz von PMSG

Eine Synchronisation der Zyklen von Zuchtsauen ist nicht unbedingt schlecht. Denn feste Gruppen sorgen für weniger Rangkämpfe unter den Sauen und somit zu weniger Stress und Verletzungen. Doch das ist auch ohne den Einsatz von PMSG möglich, zum Beispiel durch zootechnische Methoden wie die Eberstimulation. Das Leid der Stuten steht in keinem Verhältnis zum Verwendungszweck des Hormons und den eingesparten Kosten.

Tipp: Lieber zu Bio-Fleisch greifen

PMSG gilt als tierisches Nebenprodukt und der Einsatz als Hormonpräparat unterliegt keiner Meldepflicht. Doch in der Biolandwirtschaft ist der Einsatz des Sexualhormons PMSG untersagt. Verbraucher:innen, die nicht vollständig auf Fleisch verzichten möchten, sollten deshalb zu zertifizierten Bio-Fleischprodukten greifen. Nur dort ist heute durchweg gewährleistet, dass PMSG nicht zum Einsatz kommt.

Was der WWF gegen PMSG fordert

Bisher gibt es weder gesetzliche Verpflichtungen noch freiwillige Selbstverpflichtungen der fleischerzeugenden und vermarktenden Branchen gegen den Einsatz von PMSG. Die EU-Kommission wurde bereits im Oktober 2021 aufgefordert, ein EU-weites Produktions- und Importverbot von PMSG zu beschließen – bisher vergeblich. Inzwischen haben sich in Deutschland die Tierschutzbeauftragten verschiedener Bundesländer dem Thema angenommen und fordern rechtliche Änderungen.

  • Der WWF fordert wie die Tierschutzbeauftragten der Länder von der Bundesregierung ein schnellstmögliches 'Verbot, trächtigen Stuten, Blut abzunehmen, um hieraus das Hormon Pregnant Mare Serum Gonadotropin (PMSG) für den Einsatz zur Synchronisation der Zucht landwirtschaftlicher Nutztiere zu gewinnen'.
  • Darüber hinaus sollte die EU-Kommission umgehend ein EU-weites Produktions- und Importverbot von PMSG beschließen.
  • Bis zu einer gesetzlichen Regelung fordern wir die fleischerzeugenden und vermarktenden Branchen – also Landwirt:innen, fleischverarbeitende Unternehmen und den Lebensmitteleinzelhandel sowie die Schweinezüchter:innen und andere landwirtschaftliche Interessenverbände in Deutschland auf, freiwillig auf den Einsatz von PMSG zu verzichten beziehungsweise diesen einzufordern.

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