Seegraswiesen sind Hotspots der Artenvielfalt. Sie bilden einen dreidimensionalen Lebensraum und bieten zahlreichen Arten Lebens-, Laich- und Nahrungsgründe. Seegraswiesen können aber noch deutlich mehr: Sie sind gute Filteranlagen, wichtig für den Küstenschutz und bedeutende Kohlenstoffsenken. Doch Seegraswiesen sind bedroht – durch Meeresverschmutzung, aber auch durch die Klimakrise.

Seegräser sind Blütenpflanzen mit Blättern, Wurzeln und Samen – doch sie wachsen unter Wasser. Tatsächlich sind Seegräser im Laufe ihrer Evolution zurück ins Wasser „gewandert“ und haben sich über einen langen Zeitraum an die Bedingungen unter Wasser angepasst.

Seegraswiese im trockenfallenden Wattenmeer © Hans-Ulrich Rösner
Seegraswiese im trockenfallenden Wattenmeer © Hans-Ulrich Rösner

Seegräser sind weltweit verbreitet, man findet sie an den Küsten aller Kontinente – mit Ausnahme der antarktischen Gewässer. In der Ostsee leben sie in Wassertiefen zwischen zwei und rund sieben Metern. Bei sehr guten Lichtverhältnissen, wie zum Beispiel im Mittelmeer, kommen Seegräser bis zu maximal 50 Meter Wassertiefe vor.

Seegräser benötigen viel Licht für die Photosynthese, weshalb die Pflanzen klare, lichtdurchflutete Flachwasserbereiche bevorzugen.

In den deutschen Gewässern der Ostsee und des Wattenmeers kommen zwei Seegras-Arten vor: Das Gewöhnliche Seegras (Zostera marina) und sein kleinerer Verwandter, das Zwerg-Seegras (Zostera noltii).

Seegräser sind Ökosystem-Ingenieure

Illustration: Seegras als Lebensraum © Susanne Landis / Scienstration
Illustration: Seegras als Lebensraum © Susanne Landis / Scienstration

Seegräser schaffen durch ihren Aufbau einen dreidimensionalen Lebensraum. Nach oben durch ihr Blattwerk: Zwischen und auf den Blättern bilden sie Versteck-, Nahrungs- und Lebensräume im Wasser, und nach unten auf und im Boden durch ihre Speicherorgane, die Rhizome und ihr Wurzelwerk. So bilden sie ein eigenes Habitat im Meer, von dem viele Arten profitieren.

Seegraswiesen als Lebensraum

Ähnlich wie Blühwiesen an Land fördern auch Seegraswiesen die Biodiversität. Sie bilden Lebensgemeinschaften aus Einzellern, Ringel- und Fadenwürmern, Muscheln, Schnecken, Krebstieren und vielen mehr.

Die Blätter werden unter anderem von Moostierchen als Untergrund zum Leben genutzt. Wattschnecken hingegen fressen kleinste Algen von den Blättern und putzen sie so. Muscheln profitieren von der hohen Kohlendioxidaufnahme der Seegraswiesen und der damit verbundenen Verringerung der Ozeanversauerung, Krebstiere finden hier Schutz und Nahrung, genauso wie Seesterne und Seeigel.

Seegraswiesen wirken auch als eine Art „Biofilter“ und scheinen Krankheitserreger und die Wirkung pathogener Keime zu reduzieren.

Heringseier an Seegras © Philipp Kanstinger / WWF
Heringseier an Seegras © Philipp Kanstinger / WWF

Von besonderer Bedeutung sind Seegraswiesen als Laich- und Aufwuchsgebiete für unzählige Fischarten, von der Strandgrundel und dem Hornhecht bis hin zu kommerziell genutzten Arten wie dem Hering. Der Hering legt seine Eier am liebsten auf den Seegrasblättern ab, wo der Laich auch aufwächst. Weltweit sind viele Fischarten in wichtigen Lebensphasen auf Seegraswiesen angewiesen. Andere Fischarten wie die Grasnadel und ihre Verwandten aus der Familie der Seenadeln leben hier lebenslang, denn zwischen den Halmen können sie sich ideal verstecken. Auch Seepferdchen leben in Seegraswiesen.

Seegraswiesen als Nahrungsraum

Dugong frisst Seegras © Philipp Kastinger / WWF
Dugong frisst Seegras © Philipp Kastinger / WWF

Seegraswiesen sind aber nicht nur Lebensraum, sondern auch Nahrungsquelle und Nahrungsraum für viele weitere Tierarten: In tropischen Gewässern findet man auf Seegraswiesen Meeresschildkröten und Meeressäuger, wie Seekühe und Dugongs, für die Seegras die Hauptnahrung ist. Im Wattenmeer profitieren Zugvögel wie Ringelgänse und Pfeifenten von den Seegraswiesen, da sie sich im Herbst unter anderem von Seegras ernähren.

Seegraswiesen als Kohlenstoff-Senke

Intakte und gesunde Seegraswiesen leisten einen sehr wichtigen Beitrag zum Klimaschutz, da sie manche Auswirkungen der Klimakrise abmildern, indem sie zum Beispiel Sauerstoff ans Wasser abgeben und CO2 aus dem Wasser aufnehmen. Seegräser speichern den Kohlenstoff, den sie für die Photosynthese benötigen, in ihren Blättern und vor allem in ihren Rhizomen, sowie vergrabenen und abgestorbenen Resten alter Seegrasmatten.

Wissenschaftler:innen konnten nachweisen, dass in den obersten 25 Zentimetern des Meeresbodens in bzw. unter einer Seegraswiese des Gewöhnlichen Seegrases (Zostera marina) durchschnittlich 2,7 Kilogramm Kohlenstoff pro Quadratmeter eingelagert sind, in den Seegraswiesen der deutschen Ostsee zum Teil sogar bis zu 10,7 Kilogramm pro Quadratmeter.

Die genauen Mengen an Kohlenstoff, die in Seegraswiesen gespeichert werden, variieren je nach Standort, Alter, Art und Störungsgrad. Je besser die Lebensbedingungen und je älter und entsprechend dicker die Seegrasmatten sind, desto mehr Kohlenstoff wird gespeichert.

Obwohl Seegraswiesen nur eine Fläche von weniger als 0,2 Prozent aller Ozean-Böden bedecken, speichern sie etwa zehn Prozent des CO2 aller Meere. Der von Seegraswiesen, aber auch von Küstenökosystemen wie Mangroven und Salzwiesen, gebundene Kohlenstoff wird als „Blue Carbon“ bezeichnet. Da ein Großteil des Kohlenstoffs nicht nur in lebenden und abgestorbenen Pflanzenteilen gespeichert wird, sondern auch über die Rhizome im Sediment gespeichert ist, kann die Lebensdauer der Speicher sehr lang sein – bis zu Jahrhunderten. Die Voraussetzung ist, dass sie nicht ge- oder zerstört werden.

Seegraswiesen für den Küstenschutz

Die meisten Seegraswiesen befinden sich in Küstennähe in flachen Meeresbereichen, wo die Wellen einen starken Einfluss auf den Meeresboden haben können. Die wie ein Fließband wachsenden Blätter bilden einen strömungsreduzierten Raum, in dem Sedimentpartikel aus der Umgebung und Blattreste zu Boden sinken. Durch die dichten, wogenden Halme der Pflanzen werden Strömung und Wellenschlag gebremst. Die Rhizome und Wurzeln der Seegräser verfestigen das Sediment und schützen die Sand- und Schlickkörnchen sowie anderes organisches Material vor Verdriftung. So wird die Seegrasmatte langsam dicker und dicker.

Seegräser sind weltweit bedroht

In den 1930er Jahren starben schätzungsweise 90 Prozent der Seegrasbestände an den Atlantikküsten Amerikas und Europas an einem Schleimpilz, der die sogenannte „Wasting Disease“ verursachte.

Die Bestände haben sich bis heute nicht vollständig erholt, nicht zuletzt weil der Nutzungsdruck durch den Menschen weiter zunimmt. Die Verluste an Seegraswiesen sind daher gravierend: Seit 1990 verschwinden jährlich bis zu sieben Prozent aller Seegraswiesen – das entspricht einem jährlichen Verlust von etwa der Fläche des Bodensees (12.000 Quadratkilometer).

Algen überwachsen ein Geisternetz in einer Seegraswiese © Wolf Wichmann
Algen überwachsen ein Geisternetz in einer Seegraswiese © Wolf Wichmann

Steigende Temperaturen – eine Folge der Klimakrise – machen den Seegräsern derzeit besonders zu schaffen. Die Meere erhitzen sich zunehmend – Wassertemperaturen von über 25 Grad Celsius über einen längeren Zeitraum können für Seegräser fatal sein.

Im Gegensatz zu den Seegräsern lieben viele Algen jedoch diese Temperaturen und zusammen mit dem erhöhten Nährstoffeintrag von den Küsten (vor allem Phosphor und Nitrat aus der Landwirtschaft) kommt es zu einem rasanten Wachstum – bis hin zur Algenblüte im Wasser. Dann dringen weniger Sonnenstrahlen bis zum Meeresboden ein und den Seegräsern steht weniger Licht für die Photosynthese zur Verfügung.

Auch mechanische Störungen bedrohen die Seegräser, wie zum Beispiel durch grundberührende Fischerei, Propeller von Schiffs- und Bootsmotoren, Anker von Booten und Segelschiffen und Veränderungen der Hydrodynamik, zum Beispiel durch den Ausbau der Infrastruktur (LNG-Pipelines) und von Häfen.

Was macht der WWF zum Schutz der Seegras-Wiesen?

Sie sind nicht so bunt wie Korallenriffe und nicht so präsent wie unsere Wälder. Deshalb sind Seegraswiesen als wichtiger Faktor im Kampf gegen die Klimakrise nur wenigen bekannt. Doch langsam tut sich etwas und es werden immer mehr Maßnahmen ergriffen, um diese wertvollen Ökosysteme wiederherzustellen und ihre Funktionalität zu sichern – als Lebensraum für viele Arten, aber auch um der Klimakrise entgegenzuwirken.

Um sie schützen und wiederherstellen zu können, müssen wir wissen, wo genau und wie viele Seegraswiesen es noch gibt. Diese Daten werden auch für Hochrechnungen ihres Kohlenstoffspeicherpotenzials genutzt. Ein Potenzial, das heute als ein wichtiger Bestandteil natürlicher Klimaschutz-Methoden anerkannt ist. Neben den traditionellen (kosten- und arbeitsintensiven) Methoden wird auch mit innovativen Ideen versucht, ein besseres Bild der Seegras-Ausbreitung zu bekommen. Zum Beispiel mit Hilfe von Kamerasystemen, die an den grasenden Tieren und Haien befestigt werden.

Mit einer neuen Methode will der WWF Deutschland versuchen, sich ein besseres Bild von den Seegraswiesen in der Ostsee zu machen. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn mit Hilfe von Kamera- und Sonaranlagen auf (Fischer-)Booten sollen Aufnahmen vom Meeresboden gemacht werden. Diese Daten werden dann mit Hilfe künstlicher Intelligenz ausgewertet und auf Seegrasbestände untersucht. So können Karten erstellt werden, die zeigen, wo überall Seegras wächst.

Mit dieser Methode können die Seegrasbestände nicht nur erfasst, sondern auch überwacht werden, um sie besser zu schützen. Vorher-Nachher-Vergleiche ermöglichen es beispielsweise, die Wirksamkeit von Wiederherstellungsmaßnahmen zu beurteilen.

So können Sie den WWF im Kampf gegen Geisternetze unterstützen

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