Auch beim diesjährigen Grillfleischcheck wird wieder klar, dass das klimabedingt notwendige Umdenken hin zu einer pflanzlichen Ernährung in deutschen Supermärkten und Discountern noch immer nicht angekommen ist. Vier Wochen lang haben wir für die Analyse Werbeprospekte des Lebensmitteleinzelhandels ausgewertet.

Grillen im Garten © halfpoint / iStock / Getty Images
Grillen im Garten © halfpoint / iStock / Getty Images

Es scheint, als würden sich Supermärkte auch im Schatten des Angriffskrieges auf die Ukraine mit Billigstpreisen für Fleisch von Tieren aus schlechten Haltungsstufen gegenseitig unterbieten wollen: Während die Lebensmittelpreise steigen und in einigen Teilen der Welt die Ernährungssicherheit gefährdet ist, landet hierzulande weiterhin ein Großteil des Getreides zur Fleischproduktion im Futtertrog.

Als Schnittstelle zwischen Produktion und Konsum fällt dem Lebensmitteleinzelhandel eine wichtige Rolle zu, in der Transformation unserer Ernährungssysteme mitzuwirken. Aber es scheint als würde der Handel den Trend verschlafen, der längst in der Bevölkerung angekommen ist – weg von der fleischlastigen Ernährung hin zu einer vermehrt pflanzenbasierten Kost, die für uns Menschen und unseren Planeten gesünder ist und zudem die weltweite Ernährungssicherheit stärkt.

Billigfleisch en masse

Zur Grillsaison sind die Werbeprospekte von Supermärkten und Discountern voll mit billigen Fleischangeboten. Vegetarisches und veganes Grillgut ist hingegen nur selten zu finden und im Schnitt deutlich teurer. Unsere Analyse zeigt: 80 Prozent der rabattierten Fleischprodukte sind billiger als pflanzenbasierte Würstchen oder Burger. Im Schnitt sind Fleischersatzprodukte mit 11,64 Euro pro Kilo 43 Prozent teurer als rabattiertes Geflügelfleisch mit 8,12 Euro pro Kilo.

Die gute Nachricht: Fleischersatzprodukte wie Seitanwürstchen, Tofuburger oder Bratwürste auf Erbsen- oder Weizenbasis werden in unserer diesjährigen stichprobenartigen Analyse mit ähnlich hohen Rabatten angeboten als Fleischprodukte. Das war in unseren Analysen der letzten beiden Jahre noch anders. Allerdings bewegen sich die Supermärkte nur in ganz kleinen Schritten in die richtige Richtung: Noch immer stehen den wenigen Fleischersatzprodukten Berge an Kotelett, Nackensteak und Co. gegenüber.

Bio, Haltungsform, Herkunft – beim Grillen egal?

Auslauf für Schweine © Arnold Morascher / WWF
Auslauf für Schweine © Arnold Morascher / WWF

Der höchste ausgewiesene Rabatt betrug 50 Prozent für diverse Schweinfleischprodukte, dem Lieblingsfleisch der Deutschen. Der niedrigste rabattierte Preis betrug 2,99 Euro für ein Kilogramm Hähnchenschenkel, ohne Angabe der Herkunft. Bei knapp zwei Drittel der Fleischprodukte ist die Haltungsform, die Auskunft über das Tierwohl gibt, nicht ausgewiesen – im Vorjahr war dies nur bei einem Dritteln der Fall. Einen leichten Aufwärtstrend gibt es bei den Haltungsformen, Tierwohl liegt jedoch noch in weiter Ferne.

Es ist davon auszugehen, dass 93 Prozent des beworbenen Grillfleisches unter niedrigsten Tierwohlstandards der Haltungsklassen 1 und 2 produziert wurden. Also von Tieren stammt, die zum ersten Mal mit frischer Luft in Kontakt kommen, wenn sie auf unserem Grill brutzeln. Mehr als die Hälfte des Fleisches stammt überdies nicht aus Deutschland, obwohl hierzulande mehr Fleisch produziert als gegessen wird.

Der Regenwald wird an der Fleischtheke verramscht

Abholzung im Amazonas Regenwald, La Chorrera © Luis Barreto / WWF UK
Abholzung im Amazonas Regenwald, La Chorrera © Luis Barreto / WWF UK

Damit Fleisch zu Billigpreisen angeboten werden kann, muss massenhaft Vieh gehalten und im großen Stil Futtermittel – vor allem Soja – importiert werden. Das zerstört immer mehr wertvolle Lebensräume wie etwa Regenwälder und Savannen in Lateinamerika und treibt die Erderhitzung weiter voran.

Je weiter die Abholzung der Regenwälder voranschreitet, desto eher wird ein weiterer Kipppunkt im Klimasystem der Erde erreicht. Die völkerrechtlich bindenden Pariser Klimaziele einzuhalten, wird immer schwieriger und es wird wahrscheinlicher, dass die globale Erhitzung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.

Die Kosten des Fleischkonsums trägt die Allgemeinheit

Für die Folgen des übermäßigen Fleischkonsums zahlen alle Menschen, auch jene, die wenig oder gar kein Fleisch essen. Zusammengenommen belaufen sich die sogenannten externen Kosten in Deutschland pro Jahr auf rund sechs Milliarden Euro: Mit Steuergeldern wird nicht nur ein Agrarsystem subventioniert, das Masse über Klasse stellt, sondern es werden beispielsweise auch die Gewässer gereinigt, die durch die Tierhinterlassenschaften mit Nitrat verschmutzt sind. Und die Krankenkassenbeiträge aller Versicherten fließen in die Behandlungskosten derjenigen, die aufgrund ihres übermäßigen Fleischkonsums krank geworden sind.

Zukünftig sollten sich auf den Preisschildern von Lebensmitteln nicht nur die Produktionskosten widerspiegeln, sondern auch die Kosten für Umwelt, Klima und Gesellschaft.

Handlungsempfehlungen für Supermärkte und Bundesregierung

Der WWF-Grillfleischcheck 2023 führt die Ergebnisse detailliert auf, erläutert die Methodik und formuliert Handlungsempfehlungen für Politik, Lebensmitteleinzelhandel und Verbraucher:innen.

Pflanzliche Alternativen im Mittelpunkt

Der Lebensmitteleinzelhandel kann deutlich mehr tun, um den Kaufanreiz für Fleischersatzprodukte zu steigern: Beispielsweise pflanzliche Alternativen stärker bewerben und auf Dumpingpreise beim Fleisch verzichten, statt die Preise der Lockangebote zu senken.

Nachhaltiges Essen für alle

Die Politik muss mit einem ernährungspolitischen Gesamtkonzept die Weichen dafür stellen, dass beim Kauf von Lebensmitteln die naheliegendste Wahl auch die gesündeste und nachhaltigste ist. Und sie muss für alle Menschen erschwinglich sein. Ernährungspolitik darf nicht auf dem Rücken von Sozialpolitik ausgetragen werden.

Bei steigenden Preisen für Dünger und Futtermittel darf auch das Wohl der Bäuerinnen und Bauern nicht aus den Augen verloren werden. Die gestiegenen Lebensmittelpreise im Einzelhandel müssen sich in höheren Erzeugerpreisen widerspiegeln.

Der WWF fordert unter anderem, dass die Bundesregierung umgehend den Mehrwertsteuersatz auf Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte senkt – das hat die Europäische Union vor Kurzem möglich gemacht.

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