Biodiversität beschreibt die Vielfalt allen Lebens auf der Erde. Oder müssen wir bald sagen „beschrieb“? Tatsächlich hat der Mensch in den vergangenen Jahren einen beispiellosen Abwärtstrend der Biodiversität in Gang gesetzt. Und nichts deutet derzeit darauf hin, dass sich diese Entwicklung umkehrt oder verlangsamt. Der Erhalt der biologischen Vielfalt ist eine „Menschheitsaufgabe“, so heißt es im aktuellen Koalitionsvertrag. Schließlich stellt das Artensterben zusammen mit der Klimakrise eine zentrale Bedrohung dar: für unser eigenes gutes Leben, unser sicheres Wirtschaften und unsere Zukunft.

Wir zerstören unsere Ernährungsgrundlage

Blumenkohl-Gewächs © Matthieu Paley
Blumenkohl-Gewächs © Matthieu Paley

Der Weltbiodiversitätsrat bezeichnet die heutigen Ernährungssysteme – vom Acker bis zum Teller – als Hauptverursacher für den Verlust biologischer Vielfalt. Sie sind verantwortlich für 70 Prozent des Rückgangs an biologischer Vielfalt auf dem Land, sowie für 50 Prozent in Flüssen und Seen.

Es ist paradox: Unsere Ernährungssysteme gelten als Haupttreiber für den Verlust der Biodiversität, doch zugleich hängt unser aller Ernährung von der Vielfalt der Arten ab.

So ist beispielsweise der Anbau von Obst- und Gemüsepflanzen auf eine Vielzahl von Bestäubern angewiesen, etwa Kernobst (wie Äpfel und Birnen), Steinobst (zum Beispiel Pfirsiche), Gemüse (etwa Gurken, Tomaten, Paprikas), Beeren und Gewürze. Vor diesem Hintergrund ist der drastische Rückgang der Insekten alarmierend. Denn wenn die Bestäuber gänzlich fehlen, können wir uns kaum noch gesund und abwechslungsreich ernähren.

Die Studie zum Download

Der Biodiversitäts-Fußabdruck macht es deutlich

Mit dem Bericht „So schmeckt Zukunft. Ein kulinarischer Kompass für eine gesunde Erde. Ernährung und biologische Vielfalt“ wird nun erstmals der Biodiversitäts-Fußabdruck der deutschen Ernährung betrachtet. Den mit Abstand größten Anteil am Fußabdruck haben demnach mit 77 Prozent tierische Erzeugnisse wie Fleisch, Wurst oder Käse. Nur 23 Prozent resultieren aus dem Verbrauch pflanzlicher Lebensmittel wie Obst, Gemüse, Getreide und Nüssen. 

Bei den tierischen Erzeugnissen schlägt vor allem der enorme Flächenbedarf für Futtermittel negativ zu Buche – und das zum Teil in Regionen mit besonders wertvoller biologischer Vielfalt. Je höher der Anteil an Obst, Gemüse, Getreide und Nüssen im Ernährungs-Mix, desto geringer ist der weltweite Biodiversitäts-Fußabdruck, ausgelöst durch die Ernährung in Deutschland.

Die Politik ist gefragt

Ackerfeld © Zbynek Burival / Unsplash
Ackerfeld © Zbynek Burival / Unsplash

Um künftig zu gewährleisten, dass sich die Bürger:innen in Deutschland planetarisch-kulinarisch ernähren können, bedarf es einer grundsätzlichen politischen Weichenstellung. Dies ist nicht nur aus Gründen des Umweltschutzes und des Schutzes der biologischen Vielfalt dringend notwendig, sondern auch wegen unserer Gesundheit und der sozialen Gerechtigkeit.

Ernährungsbedingte Krankheiten, wie etwa Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, verursachen in Deutschland nicht nur Kosten in Milliardenhöhe, sondern vor allem auch viel Leid und vorzeitige Todesfälle. Es ist an der Zeit, eine umfassende Ernährungswende einzuleiten – zum Wohle der Menschen, des Planeten und der Artenvielfalt. Konkret brauchen wir:

  • ein ambitioniertes, verbindliches und ausreichend finanziertes internationales Abkommen auf der Weltnaturkonferenz 2022 (CBD COP 15), das die Ökosysteme schützt und die biodiversitätsschädigende Wirkung unserer Wirtschafts- und Finanzsysteme adressiert 
  • eine ressortübergreifende Ernährungsstrategie, die sich an den planetaren Belastungsgrenzen orientiert
  • eine Ausweitung des heimischen Anbaus von Obst, Gemüse, Nüssen und Hülsenfrüchten
  • ein Lieferkettengesetz, das die gesamte Lieferkette betrachtet und die Umwelt (und damit auch Wasserrisiken) als eigenständiges Schutzgut adressiert
  • eine Lenkungsabgabe auf tierische Lebensmittel, beziehungsweise mittelfristig eine Nachhaltigkeitssteuer
  • ein Nachhaltigkeitslabel für Lebensmittel, das über den Klimafußabdruck hinausgeht und beispielsweise auch Wasserrisiken und den Biodiversitätsverlust umfasst

Für die Verbraucher:innen sollte künftig die einfache Wahl auch die gesunde und nachhaltige Wahl sein – das gilt auch für einkommensschwache Haushalte. Ob beim Einkauf, im Restaurant oder in der Schule: Eine planetarisch-kulinarische Ernährung sollte jedem zur Verfügung stehen, und zwar völlig frei von Naturzerstörung als Beigeschmack.

So unterstützen Sie unsere Arbeit für eine nachhaltigere Ernährung

  • Tomaten-Ernte © Morgan Heim / Days Edge Productions / WWF US Besseresser:innen: Planetarisch kulinarische Ernährung

    Wie sieht die Zukunft unserer Ernährung aus? Unsere gegenwärtigen Ernährungssysteme stellen eine der größten Herausforderungen für unseren Planeten dar. Zur Ernährungs-Studie

  • Gemüse-Zubereitung © Elizabeth Dalziel / WWF UK Durch gesunde Ernährung Klima und Arten schützen

    Der erste Teil der Besseresser:innen-Studie zeigt die Klimawirksamkeit von Lebensmitteln auf und prüft, ob die Proteinfrage auch eine Klimafrage ist. Zum ersten Teil

  • Landschaft Mittlere Elbe © Ralph Frank Ernährung und Wasser: Durstiges Deutschland

    Wieviel Wasser wird eigentlich für unsere Lebensmittel verbraucht, die wir uns täglich in den Einkaufskorb und auf den Teller legen? Zum zweiten Teil