In einer neuen Studie wurden zahlreiche Einzelstudien analysiert, um die Auswirkungen von Plastikmüll auf einzelne Arten, Populationen und ganze Ökosysteme im Meer zu untersuchen. Was bedeutet die Vermüllung der Meere mit Plastik für marine Ökosysteme und die Artenvielfalt im Meer?

Unechte Karettschildkröte gefangen im Netz © naturepl.com / Jordi Chias / WWF
Unechte Karettschildkröte gefangen im Netz © naturepl.com / Jordi Chias / WWF

Meeresschildkröten, die sich in Fischernetzen verfangen. Delfine, die Plastiktüten verschlucken, Seevögel, die Nester aus Angelschnüren bauen und ihre Küken mit Plastikfeuerzeugen und Verschlusskappen füttern. Es sind solche Bilder, die seit Jahren das immer größer werdende Problem der Belastung unserer Meere mit Plastikmüll sichtbar machen.

Weniger sichtbar ist jedoch, wie Plastikmüll nicht nur einzelne Tierarten, sondern auch ganze Ökosysteme im Meer beeinflussen kann. Wie verändert sich zum Beispiel das Leben in einem Korallenriff, wenn es von Plastiktüten bedeckt wird? Was bedeutet es für die Bewohner von Seegraswiesen, wenn sich Mikroplastik auf den Blättern ablagert? Wie reagieren die hochspezialisierten Meerestiere in der Tiefsee, wenn sich auf größeren Plastikteilen auf dem Meeresboden plötzlich Pflanzen ansiedeln?

In einer vom WWF in Auftrag gegebenen neuen Studie des Alfred-Wegener-Instituts wurden zahlreiche Einzelstudien analysiert, um die Auswirkungen von Plastikmüll auf einzelne Arten, Populationen und ganze Ökosysteme im Meer zu untersuchen. Ziel war es herauszufinden, was die Vermüllung der Meere mit Plastik für marine Ökosysteme und die Artenvielfalt im Meer bedeutet.

Denn jede Tier- und Pflanzenart steht in Beziehung zu ihrer unmittelbaren Umwelt, ist von ihr abhängig und bildet mit ihr und anderen Arten ein aufeinander abgestimmtes System mit komplexen Strukturen. Schon kleinste Veränderungen können so ein System durcheinanderbringen oder ganz zerstören. Verschwindet nur eine einzige Tierart, kann das ganze Ökosystem davon beeinträchtigt werden.

Das Meer als Endlager für Plastikmüll

Plastik- und Müllverschmutzung im Meer © Caroline Power
Plastik- und Müllverschmutzung im Meer © Caroline Power

Ob in der Tiefsee, in tropischen Regionen oder in Nord- und Ostsee: An jeder Küste der Welt findet man Plastikmüll. Geschätzte 80 bis 150 Millionen Tonnen Plastik schwimmen aktuell in unseren Ozeanen herum! Das entspricht dem Gewicht von 15.000 Eiffeltürmen oder der Hälfte der gesamten Weltbevölkerung. Größenordnungen, die unser Vorstellungsvermögen bei weitem übersteigen. Und jeden Tag wird es mehr.

Kleinste Nano-Plastikteilchen werden durch die Luft über tausende Kilometer bis in die Arktis getragen, wo sie sich im Meereis anreichern. Sogar im Marianengraben, dem mit 11.000 Metern tiefsten Punkt der Weltmeere, wurde Plastikmüll gefunden. Die Menge an produziertem Plastik steigt seit Jahrzehnten exponentiell. Es gibt kaum einen Winkel des Meeres und kaum ein Meerestier, das nicht in der einen oder anderen Weise vom Problem der Vermüllung der Meere mit Plastik betroffen ist. 

Die neue Studie zeigt auch: an einigen Stellen in den Ozeanen, wie zum Beispiel im Mittelmeer oder im Südchinesischem Meer, werden bereits heute ökologisch bedenkliche Konzentrationen von Mikroplastik im Meer erreicht und überschritten. Wenn diese Entwicklung so weitergeht, kann in einem Worstcase-Szenario im Jahr 2100 eine Fläche von mehr als der doppelten Fläche Grönlands von einer Überschreitung dieser Schwellenwerte betroffen sein.

Das Problematische bei Plastik ist: Sobald Plastik ins Meer gelangt, ist es nicht mehr rückholbar. Große Plastikteile werden zu Mikroplastik zerkleinert, welches sich in den Ozeanen immer weiter anreichert.

Vom Plastikproblem zur Plastikkrise

Viele Forscher:innen setzen die Plastikkrise inzwischen mit anderen globalen Umweltkrisen wie der Klimakrise gleich, die nur durch drastische Maßnahmen abgewehrt werden kann. Sie fordern ein weltweites Abkommen zum Verbot von Plastik, ähnlich dem Verbot der Produktion von FCKW oder dem Kohleausstieg. Doch bisher wächst die Plastikproduktion auf der ganzen Welt weiter an - schnell und exponentiell. Auch optimistische Schätzungen gehen davon aus, dass sich mindestens bis 2060 weiter enorme Mengen Plastik im Meer ansammeln werden, selbst dann, wenn in Zukunft weniger Plastik produziert und so auch weniger Plastikmüll entstehen sollte.

Besonders in Kombination mit anderen Stressfaktoren wie der Erderhitzung, Stürmen, Überfischung, Übertourismus und Übersäuerung der Ozeane müssen wir davon ausgehen, dass die Belastung durch Mikro- oder Makroplastik ganze Ökosysteme umstrukturieren und auch ganze Populationen seltener Arten bedrohen kann. Ohne drastische, schnelle und global vernetzte Maßnahmen gegen die Plastikflut ist kein Ende des Sterbens im Meer absehbar.

Wie der WWF die Plastikkrise bekämpft

Seestern auf Plastikverpackung © Jürgen Freund / WWF
Seestern auf Plastikverpackung © Jürgen Freund / WWF

Die Ergebnisse der neuen Studie zeigen: Wir können derzeit nur die Spitze eines Eisbergs sehen, und was wir sehen, ist bedenklich. Derzeit findet eine nicht mehr reparierbare Verschmutzung der marinen Ökosysteme mit Plastik statt, deren Folgen für die darin lebenden Arten nach und nach sichtbar werden. 

Darum müssen die Einträge von Kunststoffen in die Umwelt sofort und global umfassend gestoppt werden. Dies bedeutet zunächst, dass mit einem Internationalem Abkommen eine Grundlage geschaffen wird, den Eintrag von Plastikmüll durch eine verbindliche und wirksame internationale Vereinbarung zu stoppen. Hier arbeitet das weltweite WWF-Netzwerk daran, dass ein derartiges Abkommen von möglichst vielen Staaten unterstützt wird. Wie der Global Plastic Navigator zeigt, spricht sich eine deutliche Mehrheit aller Staaten bereits für ein Abkommen aus.

Vor Ort ist der WWF in verschiedenen Ländern aktiv, um durch Vermeidung von Plastikmüll und durch Verbesserung der Abfallsammelsysteme dafür zu sorgen, dass weniger Plastik in die Umwelt gelangt.

So tritt der WWF dafür ein, dass durch nationale Gesetzgebungen Unternehmen, die Verpackungen in Verkehr bringen, auch für die Entsorgung und Verwertung der Verpackungen verantwortlich sind.

Mit Modellprojekten wie beispielsweise in Vietnam zeigt der WWF, wie Einwegplastik vermieden und eine getrennte Erfassung von Abfällen durchgeführt werden kann.

Unterstützen Sie den WWF im Kampf gegen die Plastikflut

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