Kolumbien litt bis 2016 jahrzehntelang unter einem bewaffneten Konflikt – viele Naturschutzgebiete sind davon betroffen. Etwa 30.000 Kleinbauern leben in geschützten Gebieten, was eine große Herausforderung für alle Beteiligten bedeutet.

Über einen Zeitraum von mehr als 50 Jahren litt Kolumbien unter dem am längsten andauernden bewaffneten Konflikt der westlichen Hemisphäre. Diese Situation forderte einen enormen humanitären Tribut: Etwa 220.000 Menschen verloren ihr Leben und mehr als sechs Millionen wurden gewaltsam vertrieben.

Endlich Frieden

Naturschutzgebiet in Kolumbien © Javier La Rotta / WWF-Colombia
Naturschutzgebiet in Kolumbien © Javier La Rotta / WWF-Colombia

Im Jahr 2016 unterzeichnete die Regierung ein Friedensabkommen mit den Guerillas der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC). Trotz dieses lang erwarteten Moments von historischer Bedeutung stehen dem Land nach dem Konflikt noch viele Herausforderungen bevor. Menschenrechte, Gerechtigkeit, Demokratie, Entwicklung und Sicherheit müssen gestärkt und wiederhergestellt werden, ohne dabei die außerordentliche biologische Vielfalt des Landes zu gefährden. 

Viele der Naturschutzgebiete Kolumbiens wurden von der Gewalt hart getroffen. Nach dem Ende des bewaffneten Konflikts sind sie nun das Szenarium für sozio-ökologische Konflikte aufgrund des Vordringens und der landwirtschaftlichen Nutzung der geschützten Gebiete durch Kleinbauern, die ebenfalls Opfer des Konflikts sind.

Bauern in prekären Verhältnissen

Eine Bäuerin mit ihrem Ertrag in Kolumbien @ Daiana Gonzalez
Eine Bäuerin mit ihrem Ertrag in Kolumbien @ Daiana Gonzalez

Obwohl es keine offiziellen Zahlen darüber gibt, wie viele Familien in den Nationalparks leben, wird geschätzt, dass etwa 30.000 Kleinbauern in Kolumbien in geschützten Gebieten leben und dort Land nutzen. So gut wie alle dieser Bauern leben in prekären Armutsverhältnissen. In 37 von insgesamt 59 nationalen Schutzgebieten Kolumbiens stellt die Präsenz von landlosen Bauern, die sich innerhalb der Parkgrenzen angesiedelt haben, große Herausforderungen an das Management und die Governance der Schutzgebiete.   

Obgleich die Ursachen dieses Konflikts vielschichtig sind, geht es vornehmlich um den Zugang zu Land und anderen natürlichen Ressourcen, was wiederum die zunehmende Entwaldung vorantreibt.  

Bedingt durch eklatante Schwächen in der gesellschaftlichen Steuerung (Verwaltung) der Schutzgebiete, die durch den bewaffneten Konflikt und die Herstellung illegaler psychotropischer Substanzen wie Kokain negativ beeinflusst wurde, ist Landdegradierung sowie Landumwandlung (25.258 Hektar pro Jahr) und der Anbau illegaler Feldkulturen wie Kokabüsche (3.791 Hektar) zu konstatieren. 

Landkonflikte in und um Schutzgebiete

Karte vom Parcs and Peace Projekt in Kolumbien @ WWF

Kolumbien weist weltweit einen der höchsten Grade an sozialer Ungleichheit in Bezug zur Verteilung von und dem Zugang zu Land auf. Diese Situation ist nicht nur eine der strukturellen Ursachen des Konflikts und damit eine der Herausforderungen des Friedensabkommens, sondern auch einer der Hauptgründe für die Entwaldung und den Klimawandel im Land:

  • 1,1% der größten landwirtschaftlichen Betriebe besitzen 81% der landwirtschaftlichen Nutzfläche Kolumbiens. Diesem Indikator zufolge ist Kolumbien demnach das lateinamerikanische Land mit der höchsten Ungleichheit in Bezug auf Landverteilung (Oxfam, 2017).
  • Die hohe Landkonzentration in den Händen einiger weniger steht in direktem Zusammenhang mit der vorherrschenden extensiven Viehhaltung und der Entwaldung. Nach Angaben des Instituts für Hydrologie, Meteorologie und Umweltstudien (IDEAM) wurden allein im Jahr 2018 197.159 Hektar Naturwald im Land abgeholzt.
  • Während kleine Bauernhöfe wichtige Flächen für den Ackerbau und die Nahrungsmittelproduktion nutzen, verfügen große Betriebe über bedeutende Flächen, die unproduktiv oder von extensiver Viehhaltung belegt sind.

Der WWF unterstützt die kolumbianische Regierung in ihren Bemühungen, den Frieden durch die Förderung von Friedens- und Naturschutzinitiativen zu fördern. Insbesondere zielt der WWF darauf ab, lokale Gemeinschaften in die Erhaltung der Biodiversität mit einzubinden und gleichzeitig die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen zu unterstützen und sozio-ökologische Konflikte über Schutzgebiete im Dialog zu lösen. 

Das neue IKI Projekt „Parks & Peace“ arbeitet in sechs Nationalparks (Sumapaz, Los Picachos, La Macarena, Tinigua, Alto Fragua Indiwasi und Chiribiquete) und setzt sich auf lokaler und nationaler Ebene für die Restauration der kolumbianischen Schutzgebiete ein und bietet Maßnahmen an, um Konflikte aufgrund des Vordringens von Kleinbauern und der Nutzung von geschützten Flächen zu lösen. 

Die Lösung von Problemen im Zusammenhang mit Landpacht und Streitigkeiten über die Nutzung natürlicher Ressourcen in Nationalparks in Zeiten nach Konflikten erfordert einen Inclusive Conservation Ansatz, der die folgenden drei Aspekte berücksichtigt:

  1. Rechte: Anerkennung unterschiedlicher Gemeinschaften sowie deren Rechte und Rolle im Naturschutz.
  2. Gesellschaftliche Steuerung (Verwaltung): Überwindung der mangelnden Beteiligung lokaler Gemeinschaften an Prozessen der Entscheidungsfindung; Ausbildung von Führungskräften, die darauf abzielt lokale Anführer dazu zu befähigen die Rechte, Bedürfnisse und Interessen der Gemeinschaften wirksam zu artikulieren und durchsetzen zu können.
  3. Gewinn: Finanziellen und nicht-finanziellen Gewinn von Naturschutz für alle Beteiligten sichtbar machen, Gewährleistung eines gesunden Leistungsflusses für die Gemeinschaften.

Im Mittelpunkt unserer Inclusive Conservation Arbeit in Kolumbien steht die Förderung eines "Menschenrechtsansatzes" für den Naturschutz, der sicherstellt, dass unsere Maßnahmen die Rechte und Stimmen der indigenen Völker und lokalen Gemeinschaften respektiert. Die Einbeziehung des Menschenrechtsbewusstseins in die Naturschutzarbeit trägt zur Schaffung von Stabilität an Orten bei, die von Konflikten und Gewalt betroffen sind, insbesondere durch die Förderung von transparenter und zielführender gesellschaftlicher Steuerung (Verwaltung) sowie sozialer Gerechtigkeit und Partizipation.

Unsere Arbeit in Kolumbien zeigt, dass gerade dieser Inclusive Conservation Ansatz im Naturschutz den Naturschutzorganisationen Möglichkeiten eröffnet, eine aktivere Rolle in der Friedensförderung zu übernehmen, indem sie beispielsweise dazu beitragen das soziale Netze in den Regionen wieder aufzubauen, die stark von bewaffneten Konflikten und Gewalt betroffen sind, lokale Führungspersönlichkeiten und politisches Empowerment zu fördern, lokale Kapazitäten zu stärken, den Zugang zu Informationen demokratischer zu gestalten, eine gemeinsame Vision des Territoriums aufzubauen und schließlich die friedliche Lösung von Konflikten durch Dialog zu fördern.

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