Gesang und Tanz als Schlüssel für ein friedliches Zusammenleben von Menschen und Wildtieren? Ein Theaterprojekt in Tansania macht vor, wie das geht. Mit viel Emotion zeigen Laienschauspieler:innen in lebendigen Szenen, wie Konflikte zwischen Menschen und Elefanten oder Löwen verhindert werden können und wie kleine Maßnahmen Großes bewirken. 

Rhythmischer Gesang und lebhafte Tänze der Massai locken die Menschen auf den Marktplatz des Dorfes Sinya im tansanischen Bezirk Longido. Die fröhliche Stimmung ist ansteckend und schon bald schließen sich die Zuschauer:innen dem Tanz an. Damit ist das Eis gebrochen und die Bühne frei: Die acht Laienschauspieler:innen der Theatergruppe haben das Publikum in ihren Bann gezogen.

Es folgen leidenschaftlich vorgetragene Szenen, mit denen die Schauspielgruppe zielsicher den Nerv der Zuschauenden trifft: Sie erwecken Situationen zum Leben, die wohl jeder im Dorf aus eigener Erfahrung kennt – Konflikte mit Wildtieren, die hier Teil des Alltags sind. Die Geschichten machen nachdenklich, aber sie machen auch Mut. Und sie zeigen, was jede und jeder Einzelne tun kann, um diese Konflikte zu entschärfen.

Neue Wege im Umgang mit Herausforderungen vor Ort

Die Lösungen für Mensch-Wildtier-Konflikte werden von den Schauspieler:innen veranschaulicht
Die Lösungen für Mensch-Wildtier-Konflikte werden von den Schauspieler:innen veranschaulicht © Gladith Yoabu / WWF Tansania

Die Idee für das Theaterprojekt entwickelte der WWF zusammen mit seinem Partner, der gemeinnützigen tansanischen Organisation OIKOS. Der Gedanke: Lösungen für Mensch-Wildtier-Konflikte auf neue Weise zu präsentieren und einen Raum zu schaffen, der Austausch fördert und für alle zugänglich ist. Denn Mensch-Wildtier-Konflikte sind eine große Herausforderung für viele Gemeinden – insbesondere für jene, die in der Nähe von Wildtier-Lebensräumen angesiedelt sind.

Das Dorf, in dem die Schauspieler:innen heute auftreten, grenzt an einen Wildtierkorridor, der das Enduimet-Schutzgebiet in Tansania mit dem Amboseli-Nationalpark in Kenia verbindet. Hier kennt wohl jeder jemanden, dessen Feld schon einmal von Elefanten geplündert wurde oder der ein Rind oder Ziegen an einen Löwen verloren hat. Wie lässt sich das verhindern? Und wie lässt sich die Akzeptanz für Naturschutzmaßnahmen erhöhen – und somit für Maßnahmen, die nicht zuletzt den Menschen zugutekommen, deren Lebensgrundlagen geschützt werden.

Warum das Theater alle erreicht

Trotz Sprachbarrieren sind die Theaterstücke für alle gut zu verstehen
Trotz Sprachbarrieren sind die Theaterstücke für alle gut zu verstehen © Gladith Yoabu / WWF Tansania

Traditionelle Sensibilisierungs- und Schulungsangebote leisten dazu einen wichtigen Beitrag. Sie vermitteln Wissen darüber, wie Konflikte entstehen und wie sie vermieden werden. Doch nicht jeder kann diese Angebote wahrnehmen – allein die Sprachbarriere schließt viele aus. Das Theater mit seinen fesselnden Geschichten schließt diese Lücke. Seine Botschaften sind emotional und leicht zu verstehen. Zudem sprechen die acht Laien-Schauspieler:innen fließend Maa – die Sprache der Massai. Die Dialoge des Theaterstücks sind somit für alle gut verständlich.

Alltagsnahe Theaterszenen zeigen praktische Schutzmaßnahmen

Die Schauspieler:innen visualisieren die Szene am Dorfbrunnen
Die Schauspieler:innen visualisieren die Szene am Dorfbrunnen © Gladith Yoabu / WWF Tansania

Beispielsweise in folgender Szene, die an einem Dorfbrunnen spielt: Eine Frau führt ihren Esel an die Wasserstelle, wo bereits eine zweite Frau ihren Wassereimer füllt. Überrascht hält die erste Frau inne, als sie rund um den Brunnen scharfe Steine bemerkt. Es entwickelt sich ein Gespräch zwischen den beiden Frauen, die sich den Zweck der Steine nicht erklären können.

Ein weiteres Gemeindemitglied hört ihr Gespräch zufällig mit und weiß die Antwort: Spitze Steine, im Abstand von etwa drei Metern rund um einen Brunnen angeordnet, halten Elefanten von Wasserstellen fern! Mit ihren flachen Zehen ist es für die schweren Tiere sehr unangenehm, darauf zu treten. Auf diese Weise lässt sich der Dorfbrunnen also wirkungsvoll schützen. Und für die Wildtiere gibt es andere Wasserstellen in der Nähe, die nur ihnen vorbehalten sind.

In weiteren Szenen geht es um Viehhirten, deren Ziegen von nächtlichen Geräuschen beunruhigt werden. Sind Hyänen in der Nähe? Oder sind es Löwen? Wie lassen sich die Spuren unterscheiden, und wie kann das Vieh geschützt werden?

Austausch mit dem Publikum als Motor für Veränderung

Nach jeder Szene suchen die Schauspieler:innen den Austausch mit dem Publikum: Haben sie Ähnliches erlebt? Wie denken sie über im Schauspiel präsentierten Lösungen – über blinkende Lichter, Feuer oder Lärm als Mittel, um Löwen oder Hyänen vom Vieh fernzuhalten? Oder über Bomas, in denen sie ihr Vieh nachts sicher unterbringen können? Könnten spitze Steine auch in ihrem Dorf den Trinkbrunnen schützen?

Diskussionen beginnen, Pläne werden geschmiedet und Veränderung liegt in der Luft: „Vor dem Theaterstück, war den meisten von uns nicht bewusst, dass kleine Verbesserungen wie der Schutz unserer Trinkwasserbrunnen oder verstärkte Viehgehege so viel bewirken können“, fasst Zuschauerin Nasha Lesonyonyi ihre Gedanken zusammen.

„Jetzt lernen wir, wie wir friedlich mit Wildtieren zusammenleben und gleichzeitig das schützen können, von dem unser Lebensunterhalt abhängt.“

Nasha Lesonyonyi, Zuschauerin

Breite Beteiligung: Von Gemeindemitgliedern bis Behördenvertretern

Die Zuschauenden sind begeistert von der Aufführung
Die Zuschauenden sind begeistert von der Aufführung © Gladith Yoabu / WWF Tansania

In insgesamt 18 Marktzentren im Bezirk Longido fanden bereits Theateraufführungen statt.

Ausgewählt wurden Orte in der Nähe von Wildtierkorridoren, in denen es in der Vergangenheit besonders oft zu Mensch-Wildtier-Konflikten kam. Insgesamt sahen sich rund 5.900 Gemeindemitglieder die Aufführungen an – Frauen und Männer, Jung und Alt.

Auch die Dorfvorsteher kamen, ebenso Regierungsbeamte und Vertreter von Organisationen wie Lemaiba Atuma, der Generalsekretär der Wassernutzervereinigung in Sinya. Er freut sich über die Veranstaltung und sagt: „Die Botschaften sind klar, nachvollziehbar und wecken Verantwortungsbewusstsein. Sie vermitteln Erkenntnisse, die länger nachwirken als ein Meeting.“ 

So können Sie helfen

  • Flusspferd im Selous in Tansania © Michael Poliza / WWF Kenia und Tansania

    Das Wasservolumen und die Qualität im Mara sind ausschlaggebend für den Fortbestand des Wandersystems der Tiere, der Landwirtschaft und die Menschen. Mehr über Kenia

  • Mate-Anbau in Paraguay © Sonja Ritter / WWF Indigene Völker und Naturschutz

    Indigene Völker gehören zu den wichtigsten Bewahrern der Erde und fast 20 Prozent unseres Planeten. Zur gemeinsamen Arbeit werden Grundätze benötigt. Zur Arbeit mit Indigenen

  • Braunbär in der Slowakei © Tomas Hulik Menschen und Wildtiere: Vom Konflikt zur Koexistenz

    Der WWF setzt sich weltweit für bedrohte Arten ein – vielfach müssen die Menschen aber erst wieder lernen, ihren Lebensraum zu teilen. Mehr über die Konflikte mit Wildtieren