Mattia Bessone hat an der Universität Turin Umweltbiologie studiert. Sein Interesse gilt dem Management und dem Schutz von Wildtieren, vor allem den verschiedenen Methoden für das Monitoring von Arten. Im Jahr 2014 reiste er zum ersten Mal nach Afrika, um eine Studie über die Ökologie und das Verhalten von Schimpansen im Osten der Demokratischen Republik Kongo zu initiieren. Nach einem weiteren Forschungsaufenthalt und der Leitung einer Feldstation in der Republik Kongo übernahm er die Koordination des Biomonitorings im Salonga-Nationalpark.

Was antwortest du interessierten Menschen auf die Frage: Wozu braucht man ein Biomonitoring in Salonga?

Mattia Bessone: Wenn wir die verbleibenden Populationen der Tierarten auf der Welt erhalten wollen, müssen wir zunächst wissen, wo sich die Tiere befinden und wie viele es sind. Wenn wir das wissen, können wir beurteilen, welchen Bedrohungen die verschiedenen Populationen ausgesetzt sind, und Strategien für ihren Schutz entwickeln. Biomonitoring ist die Grundlage jeder Maßnahme zum Schutz von Tierarten.

Monitoring in einem Gebiet so groß wie Belgien

Monitoring in einem Park, der so groß ist wie ganz Belgien – wie geht das überhaupt? Da gibt es bestimmt große Herausforderungen?

Der Salonga-Nationalpark ist nicht nur riesig, sondern auch eines der abgelegensten Gebiete in Zentralafrika, mit einer zum Zeitpunkt der Bestandsaufnahme sehr begrenzten Infrastruktur. Diese beschränkt sich im Wesentlichen auf Fußpfade und Flüsse. Es erfordert viel Kreativität, um die Logistik und die Abläufe im Park zu organisieren. Und was noch wichtiger ist, es braucht engagierte, motivierte und körperlich fitte Leute. Wir hatten das Glück, dass wir viele solcher Menschen einbinden konnten. 

Wie lange hat es insgesamt gedauert, bis alle Orte mit Kamerafallen ausgestattet waren?

Der Salonga-Nationalpark ist so groß, dass wir nicht alles auf einmal mit Kamerafallen erfassen konnten. Wir mussten ein Stück nach dem anderen abdecken, bis es fertig war. Alles in allem dauerte es 18 Monate, einschließlich der Pausen zwischen den einzelnen Phasen und Einsätzen.

Mattia Bessone © Mattia Bessone
Mattia Bessone © Mattia Bessone

Das ist sicherlich ein sehr hoher logistischer Aufwand. Wie organisiert man das?

Wir haben zwei verschiedene Ansätze verfolgt. In der ersten Projektphase nutzten wir den Fluss Luilaka, der von Süden nach Osten an Salonga grenzt, als eine Art „Schnellstraße“ für den Zugang zum Park. Wir starteten im Norden, in der Gegend um Monkoto, und bewegten uns mit Einbäumen in Richtung Süden, um den Wald bis zur südöstlichen Grenze des Blocks, dem Dorf Nkomba Dumbe, zu erforschen.

In der zweiten Phase konnten wir das so nicht wiederholen (kein geeigneter Fluss), und wir errichteten zwei logistische Hauptstützpunkte: in Anga (im Süden) und in Mundja (im Westen). Von dort aus brachten Träger Proviant und Ausrüstung, entlang des Iyaelima-Pfades tief in den Wald hinein, wo die Teams den Proviant abholten und ihre Arbeit fortführten. Der Iyaelima Pfad führt zu Iyaelima Siedlungen, die sich innerhalb des Parks befinden.

Bei so einem großen Vorhaben - welche Gedanken gingen dir durch den Kopf, als ihr das Projekt gestartet habt?

Es war eine Herausforderung, ganz sicher. In den ersten Monaten fühlte ich mich manchmal überwältigt von der Größe dieses Projekts, den logistischen Schwierigkeiten und der Notwendigkeit, die effizienteste Strategie für das Monitoring zu finden. Als es dann losging, wurde alles etwas weniger stressig. Obwohl es nie einfach war.

Logistik ist alles: 160 Kamerafallen an 743 Orten im afrikanischen Dschungel

Habt ihr euch vorgenommen, euch auf ganz bestimmte Arten zu konzentrieren, oder ist es eher so: Was in die Kamerafalle tappt, wird ausgewertet?

Wir haben keinen Schwerpunkt auf eine bestimmte Art gelegt, obwohl wir natürlich hofften, Arten von großem Interesse für den Naturschutz zu finden, wie Riesenschuppentiere, die Afrikanische Goldkatze, den Kongopfau, Bonobos und Waldelefanten. Ich denke, das bringt es so ziemlich auf den Punkt!

Ihr habt insgesamt 160 Kamerafallen an 743 Orten angebracht. Über welchen Zeitraum hat sich das hingezogen und wie lange waren die Kameras jeweils am gleichen Ort?

Die Bestandsaufnahme dauerte 18 Monate, einschließlich der Unterbrechungen. Die Kameras blieben mindestens zwei Wochen, im Durchschnitt einen Monat lang, am selben Ort. Wir hatten nur eine begrenzte Anzahl von Kameras, daher war der logistisch schwierigste Teil, sie wieder einzusammeln und rechtzeitig für den nächsten Einsatz an die Beobachtungsteams zurückzugeben. Hier waren die Ranger von Salonga eine große Hilfe.

Haben die Kameras Fotos oder Videos geliefert – oder beides?

Unsere Kameras waren nur für die Aufnahme von Videos programmiert.

Wie oft wurden die Bilder heruntergeladen?

Die Aufnahmen wurden immer dann heruntergeladen, wenn die Kameras an einen anderen Ort gebracht werden mussten. Normalerweise einmal pro Monat. Nach der Bestandsaufnahme wurden alle funktionierenden Kameras an die Parkverwaltung zurückgegeben.

Mit Einbäumen und zu Fuß unterwegs in einem Gebiet von mehr als 17.000 Quadratkilometern

Bonobo in der Kamerafalle © SNP-Survey
Bonobo in der Kamerafalle © SNP-Survey

Damit habt ihr auf einer Fläche von insgesamt 17.127 Quadratkilometern abgedeckt. Das ist eine Fläche größer als Nordirland. Ist diese Fläche die repräsentativ für den gesamten Park (in dem Sinne, dass z.B. alle wesentlichen Habitate abgedeckt sind)?

Ja, die Kameras wurden gezielt an vordefinierten Standorten in einem Abstand von jeweils 6 Kilometern platziert. Die Standorte wurden ausgehend von einem zufällig gewählten Ursprungsort generiert. Dieser Ansatz ermöglichte es, alle im Park vertretenen Lebensräume anteilig zu ihrem tatsächlichen Vorkommen abzudecken. Wir haben uns jedoch nur auf den Südblock konzentriert; der Nordblock und der Korridor des Parks wurden von Teams der Wildlife Conservation Society und der Zoological Society of Milwaukee unter Verwendung eines ähnlichen Designs untersucht. Gemeinsam gelang es uns, eine Fläche von 45.000 Quadratkilometer zu untersuchen, eine der größten und detailliertesten Erhebungen, die je in einem so großen Gebiet durchgeführt wurden.

Es war vermutlich schwierig, überhaupt erst einmal an den Ort zu gelangen, an dem eine Kamerafalle installiert werden muss. Kannst du das für uns beschreiben? Wie viele Menschen haben daran mitgewirkt?

In der ersten Phase benutzten wir Einbäume, um unsere fünf Teams zu den Einstiegspunkten entlang des Flusses Luilaka zu bringen. Von dort aus bewegten sie sich in den Wald, um die Kamerastandorte zu erreichen. In der zweiten Phase nutzten die Teams Dörfer entlang des Iyaelima-Pfades als vorübergehende Basis, während Nahrungsmittel und Ausrüstung von Trägern aus Anga und Mundja geliefert wurden. Jedes Team bestand aus 6 Mitgliedern, einem Koch und einem Dutzend Trägern, die Lebensmittel mitführten. Sie verbrachten drei Wochen im Wald, um durchschnittlich sieben bis acht Standorte zu untersuchen. Dabei durchstreiften sie pro Monat fast 80 Kilometer Wald und Sümpfe. Ihren Weg bestimmten sie mit Kompass und GPS, wobei der Weg oft mit Macheten gebahnt werden musste, um an verschlungenen Lianen vorbei und durch Dickicht aus Marantaceen hindurch zukommen.

Jeden Monat begaben sich etwa 100 Leute zur Bestandsaufnahme in den Wald. Eine riesige Anstrengung!

Man muss vermutlich ein geduldiger Mensch sein, wenn man bei einem solchen Vorhaben dabei ist … Wann habt ihr das erste Mal Bilder sichten können, und was war das für ein Gefühl?

Eigentlich dauerte es nicht allzu lange, bis die ersten Bilder verfügbar waren: etwa zwei Monate. Ich erinnere mich, dass mir das Potenzial der Kamerafallen sofort klar war, und wir waren alle sehr begeistert. Bei gerade einmal 25 erfassten Orten gab es bereits Videos von 24 verschiedenen Arten, darunter Bonobos, Kongopfauen und ein Riesenschuppentier. Viele weitere sollten noch folgen!

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Was war die größte Überraschung für dich? Gibt es für dich ein persönliches Highlight?

Ich kann nicht behaupten, dass es eine echte Überraschung gab, aber ich erinnere mich, dass Elefanten-Videos immer eine Quelle großer Erfüllung und Freude waren. Sie sind so selten und wurden so stark gewildert. Sie zu sehen, gab uns die Kraft, weiterzumachen. Sie haben uns an die Wichtigkeit dieser Bestandsaufnahme erinnert. 

Gibt es ein besonders schönes Video, das dir im Gedächtnis geblieben ist?

Vielleicht das eines der sehr wenigen Leoparden. Wir hatten einmal die seltene Erfahrung, einen großen Leoparden für einige Minuten vor einer Kamera ruhen zu sehen. Er streckt und rollt sich in Katzenmanier, bevor er weiterzieht - vermutlich auf der Suche nach der nächsten Mahlzeit. Ein erstaunliches Video.

Sind inzwischen sämtliche Daten ausgewertet?

Nein, die von uns erstellte Datenbank ist sehr groß (16.000 Videos mit Tieraufnahmen) und die Verarbeitung der Videos ist sehr zeitaufwendig. In dieser ersten Untersuchung konzentrierten wir uns auf 14 Arten, die für den Naturschutz interessant sind und die sich ausreichend voneinander unterscheiden, so dass die Anwendbarkeit einer relativ neuen Methode zur Schätzung der Tierzahlen (Abundanz) aus Kamerafallen getestet werden konnte. Es gibt mindestens 30 weitere Arten, die untersucht und bewertet werden könnten. Noch wichtiger ist: Es gibt so viel mehr als nur Schätzungen der Häufigkeit, die dank dieser Videos untersucht werden könnten. Persönlich konzentriere ich mich derzeit auf Bonobos, ich untersuche ökologische Aspekte und wie diese endemischen Menschenaffen erhalten werden können. Aber es gibt noch so viel zu tun! 

Wie geht es jetzt weiter: Wird das Monitoring in bestimmten Abständen wiederholt?

Ja, eine Wiederholung der Untersuchung in regelmäßigen Abständen ist unerlässlich. Dies erst ermöglicht es, Veränderungen in der Populationsgröße zu erkennen und Populationstrends zu verstehen, d.h. ob die Tierpopulationen zu- oder abnehmen. Diese Informationen sind ausschlaggebend, denn dann wissen wir, wo im Park Schutzmaßnahmen wirken und wo nicht. Und wir können entsprechend reagieren.

Mattia, ganz herzlichen Dank für dieses Interview und weiterhin viel Erfolg bei dieser herausragenden Arbeit.

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