Das „Alte Land“ südlich der Elbe in Hamburg und Niedersachsen ist eine einzigartige Kulturlandschaft und deutschlandweit bekannt für seinen Obstanbau. Seit 22 Jahren betreibt Hartwig Quast mit seiner Frau hier einen Apfelhof - rund 500 Meter vom Elbdeich entfernt. Das Ehepaar lebt im ständigen Bewusstsein um die Hochwassergefahr vor ihrer Haustüre.

Obstbauer Hartwig Quast © Hartwig Quast
Obstbauer Hartwig Quast © Hartwig Quast

„Die Sorge ist immer da, die Sorge um diese Stauwirkung hier, wo die Elbe sich vor Hamburg stark verengt. Hier hat man festgestellt - nach 1962 - dass die Fluten immer schneller auflaufen und immer höher auflaufen und das Wasser länger an den Deichen steht, und dass sich dieser Effekt insbesondere mit jeder Elbvertiefung verstärkt hat.“

Kanalisierung und Vertiefung der Elbe stellen den Deich auf eine harte Probe, vor allem weil er teilweise auf weichem, moorigem Untergrund gebaut ist. „Wenn man einen Pudding hat und legt einen harten Keks oben drauf: Bei Druck bleibt der Keks heil, aber der Pudding drückt raus!“ Bildlich schildert Hartwig Quast seine Ängste und berichtet von den großen Veränderungen der Fließgeschwindigkeit der Elbe durch den Eingriff der Menschen. „Man hört das von Seglern, die fahren mit der Flut Zeiten wie noch nie, und gegen den Flutstrom kommen sie dann teilweise kaum noch an. Man hört das von Elbfischern, dass ihnen teilweise Reusen reißen. Schleusenwärter müssen heute viel schneller sein, weil die Flut unerwartet schnell kommt. Das Wasser ist schneller da als früher, läuft höher auf und steht somit länger an den Deichen. Wenn eine Summe, eine Masse von Menschen Beobachtungen macht, muss das doch auch irgendeinen Wert haben.“  Der Obstbauer ist verzweifelt, da die Beobachtungen und Sorgen der Elbanrainer zu wenig gehört werden, wenn über eine erneute Vertiefung diskutiert wird.

Und es gibt eine weitere Entwicklung, die Hartwig Quast und seiner Frau ebenfalls große Sorgen bereitet: Das Salzwasser aus dem Meer dringt mit jeder Vertiefung weiter elbaufwärts und gefährdet die Obstkulturen und somit die Existenz des Obstbauern und seiner Familie. Mit der Flut drückt Meerwasser in die Elbe und vermischt sich mit dem Süßwasser des Flusses, so entsteht Brackwasser.

„In den 50er Jahren lag die Brackwasserzone etwa bei Glückstadt, und die ist in 30 Jahren etwa 20 Kilometer elbaufwärts gerückt. Das hängt mit der Kanalisierung und Vertiefung in der Vergangenheit zusammen. Bei einer weiteren Vertiefung könnte das Salzwasser endgültig bis vor unsere Haustüre gelangen.“

Das große Problem für die Apfelbauern: Bei Nachtfrost in der Blütezeit beregnen sie ihre Pflanzen mit Elbwasser. Dadurch werden die empfindlichen Knospen vor dem Erfrieren geschützt. Salzwasser aber würde Verbrennungen hervorrufen. Etwa Dreiviertel der Obstbauern im Alten Land arbeiten laut Hartwig Quast mit diesen Bewässerungsanlagen. „Wenn wir die Beregnung ausschalten müssten, dann würde natürlich dieser Frost voll zuschlagen, dann hat man einen Totalschaden, dann erfriert alles.“

Auch das Grundwasser sieht Hartwig Quast in Gefahr. Dabei hat der Obstbauer eigentlich nur einen, großen Wunsch: „das schönste Wasser, was möglich ist“. Deshalb hofft er, dass die Menschen von weiteren, folgenschweren Eingriffen in den Strom vor seiner Haustüre absehen – und dass die Sorgen derer, die an und von der Elbe leben, endlich gehört werden.