Ein Jahr nach dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie machten sich kolumbianische Wissenschaftler:innen erstmals wieder in den Amazonas auf. Ihr Ziel: Herauszufinden, wie es den Amazonas-Flussdelfinen geht und weitere Daten über die Tiere zu sammeln. Zehn Tage lang legten 20 Forscher:innen von verschiedenen Universitäten und Organisationen, darunter der WWF Kolumbien, 410 Kilometer auf dem Guaviare-Fluss im Amazonas-Regenwald zurück und beobachteten Delfine, Fische, Vögel und andere Arten.

Auf dem Guaviare © Jorge E. García Melo / UniIbagué / WWF Colombia
Auf dem Guaviare © Jorge E. García Melo / UniIbagué / WWF Colombia

Wie fast überall auf der Welt wurde die Arbeit im Naturschutz auch in Kolumbien durch die Einschränkungen aufgrund der Covid-19-Pandemie erheblich erschwert – besonders betroffen: die Feldarbeit, also das Forschen vor Ort. Ein Jahr ist vergangen, seit Wissenschaftler:innen sich das letzte Mal in den Amazonas begeben haben, um die Population der Flussdelfine zu erforschen.

Die „Expedition Guavaire 2021“ bereitete dem ein Ende und führte die Wissenschaftler:innen auf einen ganz besonderen Abschnitt des Guaviare-Flusses, der aufgrund des bewaffneten Konflikts in Kolumbien jahrzehntelang für die Wissenschaft tabu war.

Auf 410 Kilometern zwischen der Stadt Inírida und der Gemeinde Barranco Mina wollten die Forscher:innen Erkenntnisse darüber erlangen, wie sich die so wichtige Region des Amazonas-Bioms in den vergangenen Monaten entwickelt hat.

„Es ist es sehr wichtig, unser Wissen über Flussdelfine zu erweitern und Maßnahmen zu entwickeln, die ihren Schutz und den ihrer Lebensräume sicherstellen.“

Saulo Usma, Süßwasserspezialist des WWF Kolumbien

Daten sammeln für ein besseres Verständnis

Die Wissenschaftler:innen sammelten Daten von 200 Pflanzenarten, 74 Fischarten, neun Amphibienarten, zwei Reptilienarten und fünf Fledermausarten. Ihr Hauptaugenmerk lag jedoch auf den rosa Amazonas-Flussdelfinen. 188 der als gefährdet eingestuften Tiere konnten die Wissenschaftler:innen während der Expedition beobachten. Im Rahmen des Satelliten-Sender-Programms der Südamerikanischen Flussdelfin-Initative (SARDI) befestigten die Forscher:innen zudem einen neuen Sender an einem weiblichen Delfin.

Solche Sender sind wichtig für die Forscher:innen. Sie helfen ihnen dabei, das Verhalten der Delfine besser zu verstehen und mehr über ihre Lebensweise herauszufinden. Sie sehen, wie sich das Tier in seinem Lebensraum bewegt und wie es ihn nutzt. Die Wissenschaftler:innen erfahren so zum Beispiel mehr über das Fortpflanzungsverhalten der Amazonas-Flussdelfine und die Orte, an denen sie ihre Jungtiere zur Welt bringen und aufziehen.

Quecksilber vergiftet den Fluss und seine Bewohner

Sandwelse © Jorge E. García Melo / UniIbagué / WWF Colombia
Sandwelse © Jorge E. García Melo / UniIbagué / WWF Colombia

Eine große Gefahr – nicht nur für die Amazonas-Flussdelfine – ist der illegale Goldabbau, bei dem große Mengen Quecksilber in die Flüsse gelangt. Um die Quecksilber-Belastung bei Flussdelfinen und Fischen im Guaviare zu messen, nahmen die Forscher:innen daher Gewebeproben vom besenderten Flussdelfin-Weibchen, von seinem Kalb sowie von 72 Fischen verschiedener Arten.

Flussdelfine sind ein hervorragender Indikator für die Gesundheit eines Flusssystems, denn sie stehen am Ende der Nahrungskette – genau wie der Mensch. Quecksilber, das bei der Goldsuche eingesetzt wird, gelangt in großen Mengen in den Fluss und wird über die Nahrungskette von den Flussdelfinen aufgenommen – auch von Menschen. Quecksilber ist ein starkes Nervengift; es besteht nicht nur Gefahr für die Flussdelfine, sondern auch für die Menschen, die am und vom Fluss leben.

Die Analyse der bei der Expedition gesammelten Daten soll helfen besser zu verstehen, wie sich das Quecksilber auf die lokalen Gemeinden und Ökosysteme auswirkt. Die Wissenschaftler:innen leisten damit einen wichtigen Beitrag für ein Überwachungsprogramm, das die lokale Umweltbehörde (CDA) ins Leben gerufen hat. Im Rahmen dieses Programms soll die Quecksilber-Konzentration in Sedimenten, im Wasser und in Fischen gemessen werden, um entsprechende Maßnahmen ergreifen zu können.

Den Schutz der Flussdelfine verbessern

Saulo Usma, Süßwasserspezialist des WWF Kolumbien und Leiter der Expedition, zieht ein Fazit zur Expedition: „Es ist es sehr wichtig, unser Wissen über Flussdelfine zu erweitern und Maßnahmen zu entwickeln, die ihren Schutz und den ihrer Lebensräume sicherstellen.

In diesem Fall ist es sogar unerlässlich, weil wir seit Jahren aufgrund von Problemen mit der öffentlichen Ordnung nicht in diese Region vordringen konnten. Jetzt haben wir Daten, um Informationslücken über die Flora und Fauna und über die Auswirkungen des Bergbaus in den Feuchtgebieten und Wäldern zu schließen.

Wir hoffen, dass diese Erkenntnisse den Schutz der Flussdelfine und anderer Arten verbessern werden.“

  • Flussdelfin © WWF-Brazil / Adriano Gambarini Flussdelfine im Amazonas

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