Juan Carlos Jintiach ist sozusagen der „Außenminister“ der Amazonas-Indianer. Er arbeitet für COICA (Coordinación de las organizaciones indígenas de la cuenca Amazónica), eine Art Dachverband diverser Organisationen der lateinamerikanischen Ureinwohner. COICA vertritt drei Millionen Menschen, die zu fast 400 Völkern gehören, die wiederum auf dem Gebiet von neun Staaten leben. Juan Carlos Jintiach selbst gehört zum Volk der Shuar.

WWF: COICA vertritt viele Völker, die auf einem riesigen Gebiet leben. Noch immer leben viele Gemeinschaften in selbstgewählter Isolation. Was verbindet all diese Menschen?

Coica Besuch in Berlin mit Juan Carlos Jintiach (rechts außen) © Sonja Ritter / WWF
Coica Besuch in Berlin mit Juan Carlos Jintiach (rechts außen) © Sonja Ritter / WWF

Juan Carlos Jintiach: Ich schätze, dass mindestens 50 bis 60 Gemeinschaften ohne Kontakt mit der Außenwelt im Einklang mit der Natur leben. Doch ihre Kultur und ihr Leben sind bedroht. Mit den Straßen kommen Zivilisation, Holzfäller, Goldsucher und mit ihnen wiederum die Verschmutzung der Natur. Denken sie nur an Quecksilber in den Flüssen, das durch das Schürfen ins Wasser geschwemmt wird und das dort die Fische und damit die Nahrung vieler Amazonas-Indianer vergiftet. Natürlich ist die Situation unterschiedlich, denn das Amazonasbecken umfasst fünf Ökosysteme mit unterschiedlichen Bedingungen. Aber was die Menschen verbindet, ist ihr Leben von und mit der Natur.

Wo sehen Sie die Hauptbedrohung?

Das ist regional unterschiedlich: in Brasilien ist es nach wie vor die Viehwirtschaft und zunehmend bedrohlicher wird der Bau immer neuer riesiger Kraftwerke. In Ecuador oder Venezuela werden für die Erschließung neuer Ölquellen immer mehr Wälder gerodet. Auch die Suche nach Bodenschätzen, Gold oder Diamanten stellt eine Gefahr dar.

COICA und der WWF arbeiten in mehreren Ländern Lateinamerikas wie etwa Peru zusammen. Auch bei Ihrem Besuch in Berlin geht es darum, Allianzen zu schmieden. Ein Thema ist dabei REDD+, also die Vermeidung von Treibhausgasemissionen durch den Erhalt von Wäldern. Viele Organisationen von Indigenen sehen das Instrument kritisch. Wie ist Ihre Position?

Man darf nicht den Fehler machen, den Wald nur als einen Kohlenstoffspeicher zu betrachten. Der Regenwald ist viel mehr. Er ist die Grundlage des Lebens. Viele Gebiete sind uns heilig. Wasserfälle sind für uns so etwas wie Kirchen, sie dürfen nicht durch Staudämme zerstört werden. All das lässt sich nicht mit Geld aufrechnen, deshalb greift REDD+ manchmal zu kurz. Wir brauchen eine viel breitere Herangehensweise. Dabei darf man das Wissen der indigenen Menschen nicht verschenken. Studien zeigen, dass die von Indianer verwalteten Waldgebiete in einem besseren Zustand als staatliche Schutzgebiete sind. Dennoch: trotz aller Defizite bietet REDD+ eine Chance, notwendige Klimaschutzprojekte voranzutreiben.

Stichwort Klimawandel: Wie wirkt sich die globale Erwärmung im Amazonas aus?

Zum einen nehmen Dürren und Überschwemmungen zu. Hinzu kommt, dass die Temperaturen generell steigen. Durch die Abholzung ändert sich das Mikroklima und die geschilderten Effekte werden noch einmal verstärkt. Parallel kämpfen wir immer häufiger mit Insektenplagen, die wir früher nicht kannten, und Krankheiten wie Malaria breiten sich aus. Höchste Zeit also, hier gegenzusteuern. Der Schutz der Natur und der Respekt vor den indigenen Völkern des Amazonas sind zwei Seiten einer Medaille.

Das Gespräch führte Jörn Ehlers.

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