Das deutsch-polnische Projekt „LosBonasus – Crossing!“
Stand: 14.03.2024
Das grenzübergreifende Projekt „ŁośBonasus – Crossing!“ („Elch und Wisent – queren!“) unterstützt die natürliche Verbreitung der großen Pflanzenfresser von Polen nach Deutschland. Denn dank intensiver Schutzbemühungen erholen sich die Bestände beider Arten in Polen, sodass über kurz oder lang Wisent und Elch regelmäßig die Grenze nach Deutschland überqueren und sich hier langfristig ansiedeln könnten. Das Projekt soll ein möglichst konfliktfreies Zusammenleben der großen Pflanzenfresser mit Bevölkerung, Politik, sowie Landnutzer:innen ermöglichen.
Der Ursprung von „LosBonasus – Crossing!“
Nach einer langen Abwesenheit von mehr als 250 Jahren, hat 2017 zum ersten Mal ein Wisent die Grenze von Polen nach Deutschland überquert. Die Wanderung des Wisentbullen fand jedoch ein schnelles Ende. Noch am selben Tag wurde das Tier auf Anweisung deutscher Behörden in Lebus (Brandenburg) abgeschossen. In Polen führte der übereilte Abschuss zu einem gesellschaftlichen Aufschrei, denn der Bulle war kein Unbekannter und Wisente stehen unter strengem Schutz in ganz Europa.
Durch diesen Vorfall wurde deutlich, dass klare Regeln, geschultes Personal und praxistaugliche Handlungsoptionen für den Umgang mit wiedereinwandernden Wisenten benötigt werden. Auch erste Zusammenstöße mit ein- und durchwandernden Elchen im Osten Deutschlands zeigen, wie dringend notwendig Lösungsansätze für das Zusammenleben mit beiden Arten sind.
Deshalb wurde das Projekt „ŁośBonasus – Crossing!“ im Jahr 2019 ins Leben gerufen. Es wird vom europäischen Kooperationsprogramm EU Interreg VA finanziell gefördert.
Was bedeutet „ŁośBonasus – Crossing!“?
Der Projektname ist eine Kombination aus dem polnischen Wort „Łoś” (Elch, [woɕ]), dem lateinischen Begriff „Bison Bonasus” (Europäischer Wisent) und dem englischen Wort „crossing” (überqueren der Grenze zwischen Polen und Deutschland).
Der Name verdeutlicht: Wisent und Elch kennen keine Ländergrenzen; und die Zusammenarbeit zum Schutz der beiden Arten soll über die Grenzen von Polen und Deutschland hinausgehen.
Die Projektregion
Elch und Wisent – queren: Die Projektziele
Das Projekt „ŁosBonasus – Crossing!“ betrachtet die natürliche Rückkehr von Wisent und Elch in ihren angestammten Lebensraum nicht nur als einen großen Erfolg für den Naturschutz, sondern auch als Bereicherung der heimischen Artenvielfalt. Wisent und Elch betreten dabei jedoch Lebensräume, aus denen sie seit Jahrhunderten verschwunden waren. Die Menschen, die hier mittlerweile leben, sind das Zusammenleben mit großen Wildtieren nicht mehr gewohnt. Es kann zu Problemen kommen, wenn das Verhalten der Tiere die Bedürfnisse und Interessen der Menschen stört. Dazu zählen mögliche Fraß- oder Trittschäden an Bäumen und Äckern, Unfälle im Straßenverkehr sowie das Aufeinandertreffen von Mensch und Tier bei Ausflügen in die Natur oder bei der Jagd.
Alle Maßnahmen des Projektes sollen im Einklang mit den wirtschaftlichen, politischen und sozialen Interessen in der Projektregion erarbeitet werden. Denn nur, wenn die großen Wildtiere geschützt und gleichzeitig die Akzeptanz für die Tiere in der Bevölkerung vor Ort gestärkt wird, kann ein Zusammenleben langfristig funktionieren.
Kooperation – Deutsch-Polnische Zusammenarbeit für Wisent und Elch
„ŁosBonasus – Crossing!“ begleitet die selbstständige Wiederansiedlung der beiden Arten von Polen nach Deutschland, damit diese nicht nur aus ökologischer, sondern auch aus gesellschaftlicher Perspektive gelingt. Dafür braucht es eine grenzübergreifende, koordinierte Zusammenarbeit im Wildtiermanagement.
Dazu zählen Maßnahmen zum Schutz der beiden Arten, genauso wie Instrumente für ein möglichst konfliktarmes Nebeneinander von Mensch und Tier. Das zentrale Projektziel ist daher der Aufbau und die Weiterentwicklung eines grenzübergreifenden Artenschutzes von Wisent und Elch, der im Einklang mit wirtschaftlichen, politischen und sozialen Interessen der Gesellschaft steht.
Wissenschaft – Monitoring und Forschung für den Artenschutz
Zunächst wird eine solide Wissensbasis über Verbreitung, Wanderrouten und Lebensraumnutzung der Tiere in beiden Ländern des Projektgebiets geschaffen. Dafür werden mögliche Lebensräume von Wisent und Elch analysiert, freilebende Tiere mit GPS-Sendehalsbändern ausgestattet, Kamerafallen im Grenzgebiet aufgestellt und Sichtungsmeldungen durch Anwohner gesammelt.
Die Bevölkerung im Projektgebiet kann über die App iMammalia sogar selbst aktiv werden und zur Erforschung beider Tierarten beitragen. In den identifizierten Regionen wo Wisent und Elch zurück oder hindurchwandern, können so gezielt Maßnahmen für ein konfliktarmes Nebeneinander von Tier und Mensch entwickelt werden.
Wildtiermanagement – Lösungen für ein konfliktarmes Zusammenleben
Diese sogenannten Wildtiermanagement-Maßnahmen werden im Projekt gemeinsam mit gesellschaftlichen Gruppen erarbeitet, deren Lebens- und Wirtschaftsweisen mit den Tieren in Berührung und eventuell in Konflikt kommen könnten. Dazu zählen z.B. Förster:innen, Landwirt:innen, Weidetierhalter:innen, Autofaher:innen oder Anwohner:innen aus beiden Ländern.
Eine grenzübergreifende und koordinierte Kooperation und Weiterbildung von Natur- und Artenschutzbeauftragten sichern die erfolgreiche Umsetzung der erarbeiteten Maßnahmen.
Darüber hinaus soll eine Wisent-Elch-Einsatzgruppe konzipiert werden, die den Menschen vor Ort bei problematischen Situationen mit den Tieren Unterstützung bietet. Wir arbeiten auch mit lokalen Fernseh-, Zeitungs- und Radioredaktionen zusammen, um Informationen und Verkehrswarnungen schnell zu verbreiten und Unfällen vorzubeugen.
Öffentlichkeit und Politik – Wisent und Elch auf der Agenda
Die Rückkehr von Wisent und Elch kann nur durch gesellschaftliche Unterstützung gelingen. Dafür muss bei der Bevölkerung vor Ort Akzeptanz für die Großsäuger und das Zusammenleben mit ihnen geschaffen werden. Dies gelingt, wenn die Menschen die Tiere und ihr Verhalten kennen- und verstehen lernen. Ausstellungen, Unterrichtsmaterialien sowie digitale und gedruckte Bildungsmaterialien für Kinder und Erwachsene stellen beide Großsäuger vor und geben Verhaltenstipps für Begegnungen mit den faszinierenden Tieren.
Die Projektpartner von „LosBonasus – Crossing!“
Die Verantwortung und Fürsorge für gefährdete Wildtiere wie Wisente oder bei uns selten vorkommende Elche endete bisher an nationalen Grenzen. Das Projekt „ŁośBonasus – Crossing!“ verfolgt deshalb eine länderübergreifende Herangehensweise, um diesen Schwächen im Wildtiermanagement von Wisent und Elch entgegenzuwirken. Im Vordergrund steht die grenzübergreifende Zusammenarbeit in Forschung, Management und Öffentlichkeitsarbeit, um eine friedliche Koexistenz von Mensch und Tier zu unterstützen. Durch das internationale Vorgehen sollen Ereignisse wie der Abschuss des aus Polen stammenden Wisentbullen im brandenburgischen Lebus 2017 verhindert werden.
In dem Projekt sind polnische Partner wie die Westpommersche Naturgesellschaft (Zachodniopomorskie Towarzystwo Przyrodnicze, kurz ZTP) vertreten, die einen großen Erfahrungsschatz im Umgang mit freilebenden Wisenten und Elchen haben. Aber auch deutsche Partner wie das Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung e.V. (ZALF), der WWF oder die Humboldt-Universität zu Berlin (HU) tragen mit ihrem wissenschaftlichen Ansatz und politischen Verständnis zum Projekterfolg bei.
Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e.V.
Aufgaben im Projekt:
Projektkoordination / lead Partner
Entwicklung von Strategien zur Minimierung von Mensch-Wildtier-Konflikten
Bewertung von Managementoptionen (impact assessment)
Entwicklung von Citizen-Science-Ansätzen
Wildtiermonitoring
Das ZALF ist eine national und international führende wissenschaftliche Forschungseinrichtung im Bereich Landnutzung und Umwelt, insbesondere Landwirtschaft. Die im Projekt beteiligte Forschergruppe “Mensch-Wildtierkonflikte in Agrarlandschaften” untersucht Ursachen von Mensch-Wildtierkonflikten und Lösungen von Koexistenzstrategien. Es bestehen gute Kontakte zu Behörden und Landnutzern in der Programmregion, inklusive der polnischen Seite. Das ZALF übernimmt als Projektleiter die Gesamtkoordination des Projektes. Gleichzeitig erarbeitet das Zentrum Grundlagen für ein systematisches Wildtier-Monitoring und Management der Tiere.
Aufbau einer Online-Karte zur Verbreitung der besenderten Wisente und Elche
Bereitstellung einer Eingreiftruppe zur Unterstützung bei Mensch-Wildtier-Konflikten in Polen
Die ZTP, zu Deutsch: Westpommersche Naturgesellschaft, ist eine polnische Nichtregierungsorganisation, die seit 1994 für den Wisent und dessen Wiederansiedlung in Westpommern tätig ist. Sie schützt und überwacht die Population der freien Wisente in der polnischen Woiwodschaft. Im Projekt ist die ZTP für die praktische Arbeit vor Ort verantwortlich, u.a. die Besenderung der Tiere. Aufgrund ihrer über zwei Jahrzehnte reichenden Erfahrung mit den Tieren berät sie die deutschen Partner darüber hinaus in der Erarbeitung von Maßnahmen für den direkten Umgang und Lösungsansätzen für ein friedliches Zusammenleben mit den Tieren.
Kulturzentrum Mirosławiec (Ośrodek Kultury w Mirosławcu)
Aufgaben im Projekt:
Ausrichtung des internationalen Wisent-Festivals
Erfahrungsaustausch: Bereitstellung von Lösungsansätzen für das Zusammenleben
Das Kulturzentrum in Mirosławiec bietet eine Plattform für den Erfahrungsaustausch innerhalb der Gemeinde Mirosławiec und der Region Westpommern. Hier leben Wisente schon seit einigen Jahren und es hat sich gezeigt, dass ein Zusammenleben mit den großen Tieren möglich ist. Die Gemeinde nutzt die Anwesenheit der Wisente, um die touristische Attraktivität der Region zu stärken. Außerdem findet hier jährlich das Wisent-Festival statt, eine Musik- und Informationsveranstaltung zum Schutz der Wisente.
Analyse möglicher Lebensräume für Wisent & Elch in der Projektregion
Identifikation möglicher Verbreitungskorridore der Arten zwischen Deutschland und Polen
Monitoring insb. der Elche in Deutschland durch Fotofallen
Die HU ist eine der führenden Universitäten Deutschlands, mit einem der größten und forschungsstärksten geografischen Institute. Die am Projekt beteiligte Arbeitsgruppe zu Biogeographie und Naturschutz bringt ihre große Expertise und Erfahrung zu Habitat- und Populationsmodellierungen, der Analyse von Konfliktpotentialen zwischen Großsäugern und Landnutzung, sowie der Naturschutzplanung ein. Sie wird u.a. eine Analyse möglicher Lebensräume und Verbreitungskorridore von Wisent und Elch im Projektgebiet durchführen. So soll herausgefunden werden, wo es passende Lebensräume und Wanderrouten für die Tiere geben könnte.
Politische Arbeit mit dem Ziel einer grenzübergreifenden Absichtserklärung zum Management und Schutz beider Arten
Einbindung von Interessensgruppen durch Workshops, Trainings und grenzübergreifenden Austausch
Öffentlichkeitsarbeit durch die Entwicklung und Bereitstellung von Informations- und Bildungsmaterialien
Der WWF beschäftigt sich weltweit mit dem Schutz von gefährdeten Arten und setzt sich intensiv mit den menschlichen und sozialen Dimensionen des Wildtiermanagements auseinander. Seit seiner Gründung setzt er sich für grenzüberschreitende Zusammenarbeit für den nachhaltigen Schutz von Wildtieren wie Wisent und Elch ein. Im Projekt ŁośBonasus - Crossing! setzt sich der WWF deshalb für die Initiierung eines grenzüberschreitenden Managements zum Schutz der Tiere sowie die frühzeitige Einbindung von beteiligten Interessensgruppen aus Forst- und Landwirtschaft, Verkehr, Medien und Bevölkerung ein. Des Weiteren wird mit Hilfe von Umweltbildung und Öffentlichkeitsarbeit die Akzeptanz gegenüber den beiden Wildtierarten positiv verstärkt.
Das Projekt „ŁośBonasus – Crossing!“ wird durch die Europäische Union aus Mitteln des Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) im Rahmen der Gemeinschaftsinitiative „Interreg VA Mecklenburg-Vorpommern / Brandenburg / Polen“ kofinanziert. Ziel der Initiative ist die Förderung der territorialen Zusammenarbeit zwischen EU-Mitgliedstaaten und benachbarten Nicht-EU-Ländern. Das Programm fördert grenzübergreifende Maßnahmen der Zusammenarbeit u.a. im Bereich des Umweltschutzes.
Die Aktivitäten des WWF im Rahmen des Projektes werden darüber hinaus unterstützt durch die Teilnehmer:innen der Deutschen Postcode Lotterie.
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