Querbauwerke in unseren Bächen und Flüssen, wie Wehre, Schwellen oder Sohlabstürze, sind nicht nur Barrieren für wandernde Fischarten – sie haben auch weitreichende ökologische Folgen für das gesamte Gewässersystem. Viele dieser Bauwerke stauen das Wasser auf. Dadurch erwärmt sich das Wasser schneller, Sauerstoff kann schlechter aufgenommen werden, und feine Sedimente lagern sich am Gewässergrund ab. Das wiederum verändert die Lebensbedingungen für weitere Organismen – insbesondere für Arten, die auf kühle, sauerstoffreiche und strukturreiche Gewässerabschnitte angewiesen sind.
Viele unserer Gewässer sind begradigt, verbaut oder hinter Dämmen verschwunden. Dabei ist ein intaktes Fließgewässer viel mehr als nur ein durchströmtes Gerinne. Es ist ein lebendiges System, das Lebensräume verbindet, Stoffflüsse reguliert, Hochwasser puffert – und überdies: Wanderkorridor für Fische und andere Wasserorganismen. Doch in der Realität gleichen unsere Gewässer in Bayern oft einem zerstückelten Netzwerk. Querbauwerke wie Wehre, Schwellen, Abstürze oder Durchlässe unterbrechen die lineare Durchgängigkeit. Für wandernde Fischarten kann das existenzbedrohend sein.
Zerschnittene Gewässer in Bayern
Bayern ist mit rund 100.000 Kilometern Fließgewässer eines der wasserreichsten Bundesländer.
Doch:
- Über 56.000 Querbauwerke durchschneiden die Gewässer
- Davon 14.400 Durchlässe und Verrohrungen
- 35.600 Sohlabstürze und Schwellen
- 6.600 Wehre (Quelle: Bayerisches Landesamt für Umwelt, 2023)
Nur etwa 12 Prozent dieser Bauwerke gelten als ökologisch durchgängig. Das bedeutet: Nahezu alle Bäche und Flüsse in Bayern sind in ihrer natürlichen Funktion gestört.
Fische brauchen freie Bahn

Fische gehören zu den am stärksten von der Zerschneidung der Lebensräume betroffenen Organismengruppen in unseren Bächen und Flüssen. Anders als Vögel oder Insekten können sie Wanderhindernisse wie Wehre oder Schwellen nicht einfach umgehen. Dabei ist das Wandern für viele Fischarten überlebenswichtig– aus mehreren Gründen:
Im Frühjahr ziehen beispielsweise Arten wie Nase oder Barbe flussaufwärts zu ihren Laichplätzen in flachen, kiesigen Gewässerabschnitten.

Kleinere Jungfische, etwa von Äsche oder Huchen, werden dagegen häufig mit der Strömung flussabwärts verdriftet – also unkontrolliert mitgerissen und von ihren Lebensräumen entfernt. Um geeignete Lebensräume zu erreichen und nicht dauerhaft aus ihren angestammten Gebieten verdrängt zu werden, wandern sie später aus eigener Kraft wieder stromaufwärts.
Auch der Wechsel zwischen unterschiedlichen Lebensräumen – etwa von Nahrungs- zu Schutzbereichen oder zwischen Sommer- und Winterhabitaten – erfordert freie Wege im Gewässer.
Und nicht zuletzt brauchen Fische Ausweichmöglichkeiten in Stresssituationen: Bei extremen Bedingungen wie Sauerstoffmangel, Hitze oder Hochwasser sind sie auf Rückzugsräume angewiesen – und müssen diese auch erreichen können.
Querbauwerke – mehr als nur Wanderhindernisse

Auch unterhalb der Querbauwerke zeigen sich Folgen: Der natürliche Geschiebetransport, also der Transport von Kies und Sand, wird unterbrochen. In der Folge fehlt es flussabwärts an geeignetem Substrat – also lockerem Bodenmaterial wie Kies, das viele Fischarten zum Laichen benötigen. Und auch die Sohlstruktur, also die Beschaffenheit des Flussgrunds, verarmt: Statt vielfältiger Untergründe aus Steinen, Kies, Sand und Wurzelwerk herrschen monotone, oftmals verschlammte Bereiche vor.
Die Vielfalt der Gewässerstruktur nimmt ab, dynamische Prozesse wie Seitenerosion oder die Bildung von Kiesbänken bleiben aus – und mit ihnen verschwinden auch die Arten, die diese Strukturen brauchen. Libellenlarven, Flusskrebse, Muscheln oder kieslaichende Fischarten wie die Äsche finden keine geeigneten Bedingungen mehr.
Die Konsequenz
Querbauwerke beeinträchtigen nicht nur die Mobilität einzelner Arten, sondern schwächen die gesamte ökologische Dynamik eines Gewässers – von der Wasserqualität über die Strukturvielfalt bis hin zur Artenzusammensetzung.
Technische Barrieren – auch mit Verletzungsrisiko
Neben der ökologischen Zerschneidung bergen viele Querbauwerke – insbesondere Wasserkraftanlagen – zusätzliche Risiken für Fische. Beim Versuch, solche Bauwerke zu passieren, können Tiere schwer verletzt werden.
Besonders junge Fische sind gefährdet: Sie passen durch die schmalen Gitter vor den Turbinen, die eigentlich als Schutz dienen sollen – und werden so mit dem Wasserstrom in die Anlagen gezogen. Dort kann es zu schwerwiegenden Verletzungen kommen, etwa durch Druckunterschiede, starke Strömung oder Kollisionen mit den Turbinenrädern. Die Folge: Flossenschäden, innere Verletzungen oder sogar tödliche Quetschungen. Manche Querbauwerke sind damit nicht nur ein Hindernis – sondern eine direkte Gefahr für wandernde Fischarten.
Was wir tun können: Lösungen für durchgängige Gewässer
Das Projekt Fluss.Frei.Raum

Das Projekt Fluss.Frei.Raum wird gemeinsam von WWF Deutschland, BUND Naturschutz in Bayern, Landesfischereiverband Bayern, Bayerischer Kanu-Verband und Landschaftspflegeverband Rhön-Grabfeld umgesetzt. Die Organisationen bündeln ihre Expertise und ihr Engagement, um gemeinsam mit weiteren Partnern für eine ökologische Zukunft der Bäche und Flüsse zu kämpfen.
Unser Ziel ist es, möglichst viele Barrieren zu beseitigen und Flüsse wieder in Bewegung zu bringen. Dabei brauchen wir Ihre Hilfe!
- Informieren Sie sich und andere: Schauen Sie genauer hin – Erkunden Sie Ihre Umgebung und fragen Sie sich: „Kann das weg?“
- Unterstützen Sie die Projekte des WWF: Mit Ihrer Spende helfen Sie uns, den Flüssen ihren Raum zurückzugeben und so nicht nur Erholungsräume für Menschen zu erhalten, sondern vor allem Lebensraum für unzählige Arten an und in unseren Flüssen!
Jede entfernte Barriere bringt uns einen Schritt näher an natürliche, lebendige Flüsse – für uns, für die Natur, für die Zukunft! Gemeinsam können wir etwas bewegen!
Weitere Informationen
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Fluss.Frei.Raum – Gemeinsam für lebendige, frei fließende Bäche und Flüsse
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