Mit Hilfe der GhostDiver App können sich nun erstmals Taucher:innen an der Vorbereitung von Geisternetz-Bergungsaktionen beteiligen. Die Taucher:innen können die Situation unter Wasser dokumentieren und überprüfen, ob es sich bei einem gemeldeten Objekt wirklich um ein Geisternetz handelt. 

Technik hilft: Geisternetze aufspüren mit Schallbildern des Meeresbodens und der GhostDiver App

GhostDiver App: Preview © WWF

Um die Suche nach Geisternetzen effizienter zu gestalten, arbeitet der WWF seit 2018 mit dem Sonarexperten Crayton Fenn von Fenn Enterprises aus den USA zusammen, der verlorene Fischereigeräte in den USA sucht und birgt. Dank umfangreicher Schulungen ist die Suche mit dem Sonargerät zur erfolgreichsten Methode geworden, Geisternetze zu entdecken. Mit dem Sonar lassen sich bis zu 100 Meter breite Streifen abscannen – so können größere Flächen nach Geisternetzen abgesucht werden als ohne Sonar. Seit 2019 konnte der WWF mit Hilfe der Sonartechnik 20 Tonnen Geisternetze bergen und der Entsorgung zuführen.

Da die Daten vom Meeresboden mit Schallwellen erzeugt werden, sind geringe Sichtweite, wie sie in der Ostsee häufig vorkommen, kein Problem. Die Stellen, an denen ein Verdachtsobjekt auf den Sonarbildern identifiziert wurde, können nun mit der GhostDiver App von Taucher:innen eingesehen, dokumentiert und verifiziert werden. 

Ziel des WWF ist es, dass über die GhostDiver App verifizierte Funde regelmäßig von staatlichen Institutionen geborgen werden. Denn zum einen ist die Bergung von Geisternetzen schwierig und gefährlich. Zum anderen ist dies eine gesellschaftspolitische Aufgabe, die nicht auf den Schultern von Freiwilligen und NGOs lasten darf und soll.

Es gibt bereits staatliche Programme in WWF-Projektgebieten, darunter das Landesprojekt in Mecklenburg-Vorpommern. Dieses Projekt möchte z.B. Möglichkeiten aufzeigen, wie eine geregelte Bergung von Altlasten und verlorenen Fischereigeräten, in Zusammenarbeit mit Fischereien und den zuständigen Landesämtern, ablaufen sollte. Aber auch durch die Fischereiaufsicht organisierte Such- und Bergungsaktionen existieren bereits, beispielsweise in Estland. Bei allen Aktionen gilt jedoch: Je besser und exakter die Positionen der Geisternetze vorbereitet sind, desto effizienter und günstiger kann geborgen werden.

Was sind Geisternetze und welche Probleme generieren Geisternetze?

Geisternetzbergung Prezero Kran mit Netz © Andrea Stolte / WWF
Geisternetzbergung Prezero Kran mit Netz © Andrea Stolte / WWF

Als Geisternetze werden herrenlose Fischernetze bezeichnet. Sie geistern durchs Meer und werden dort zur Gefahr für Meeresbewohner, weil sie unendlich weiter fischen. Neben Fischen werden Geisternetze auch für Robben, Wale, Meeresschildkröten und Tauchvögel zur Falle, wenn diese den Fischen nachjagen, die an Wracks oder kleinen „Plastikinseln“ Schutz suchen. Tauchvögel und Meeressäuger verheddern sich in den Netzen oder gelangen darunter und finden nicht mehr an die Oberfläche zum Atmen.

Auch Netze, die am Meeresgrund liegen, bergen Gefahren: sie lösen sich langsam in winzige Plastikfasern auf und tragen so zur Mikroplastik-Belastung der Meere bei. Die Gründe, warum Netze verloren gehen, sind vielfältig: Netze werden bei Stürmen, Eisgang oder Bootsunfälle losgerissen oder auch illegal auf dem Meer entsorgt. Egal warum sie ins Meer gelangen, eines haben alle Geisternetze gemein: sie ohne exakte Positionsangabe im Meer zu finden ist kaum möglich.

Die Vermüllung der Meere mit Plastik ist ein gewaltiges Problem. Die genauen Mengen, wie viele Netze jedes Jahr in die Meere gelangen, sind nicht bekannt. Etwa 10 Prozent des an europäische Strände gespülten Meeresplastiks besteht aus Geisternetzen und verlorenem Fischereigerät (FAO 2009). Weltweite Studien finden laut der Plastikdatenbank des Alfred-Wegener Instituts in der Wassersäule der Ozeane etwa ein Viertel Plastik und Netze aus der Fischerei (litterbase.org). An der Oberfläche im Pazifischen „Müllstrudel“ ist es sogar fast die Hälfte (The Ocean Cleanup 2018). Man geht davon aus, dass allein in der Ostsee jedes Jahr zwischen 5.000 und 10.000 Netzteile verloren gehen (WWF Polen 2011).

EURENI Projekt

BMUV Logo © BMUV
BMUV Logo © BMUV

Seit Januar 2021 fördert das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) mit der Europäischen Umweltschutzinitiative (EURopean ENvironment Initiative – EURENI) das WWF-Projekt zum innereuropäischen Wissenstransfer und Austausch rund um die Sonartechnik und die GhostDiver App.

Der WWF testet im Rahmen des Projekts zum ersten Mal die Sonarmethode und die Einbindung von Tauchern bei der Suche nach Geisternetzen in Polen, Estland und Frankreich. Hierbei arbeitet der WWF eng mit dem WWF Polen, KEST (Keep Estonian Seas Tidy) und dem WWF Frankreich zusammen, um die jeweiligen regionalen Besonderheiten wie Strömungen, Fischereigeräte etc. kennenzulernen und spezifische Anforderungen an die Technik zur Bergung identifizieren zu können.

In jedem Partnerland werden fünf Sonartage und zwei Verifikationstauchgangstage mit regionalen Tauchern an den erfolgversprechendsten Positionen durchgeführt, um zum einen das Wissen um Geisternetzepositionen in europäischen Meeren zu vergrößern und zum anderen, um Lösungen auch an staatliche Organe zu kommunizieren.

So können Sie den WWF im Kampf gegen Geisternetze unterstützen

  • Bergung von Geisternetzen © Stefan Sauer / Picture Alliance / Getty Images Geisternetze aus der Ostsee bergen

    Seit 2013 engagiert sich der WWF Deutschland mit Bergungsaktionen und der Entwicklung von Recyclingmethoden gegen verlorene Fischereinetze in der Ostsee. Weiterlesen...

  • Ostseeküste bei Warnemünde © Ralph Frank / WWF Ostsee

    Bereits seit 1990 ist der WWF an der Ostsee aktiv, um die vielfältigen Lebensräume zwischen Land und Meer, zwischen Süß- und Salzwasser, zu schützen. Weiterlesen...