Umweltorganisationen fordern in „Dessauer Elbe-Erklärung“, verkehrliche Maßnahmen zu stoppen, bis das Gesamtkonzept Elbe evaluiert wurde

Anlässlich des 5. Elbe-Symposiums am 7. Oktober fordern die Umweltorganisationen Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), NABU, WWF und die Bürgerinitiative Pro Elbe in der gemeinsamen „Dessauer Elbe-Erklärung“ einen Paradigmenwechsel im Umgang mit der Elbe und ihrer Flusslandschaft. Vorrangig gilt es das Naturerbe Elbe – die Auen und die Flusslandschaft – sowie das Kulturerbe zu sichern. Danach muss sich auch die Nutzung des Flusses ausrichten. Zudem gilt es endlich Maßnahmen zu ergreifen, die den Wasserhaushalt und die Ökologie an der Elbe deutlich verbessern.

Die auf 600 Kilometer frei fließende Elbe und ihre Flusslandschaft ist Naturerbe und Hotspot der biologischen Vielfalt. Ihre Auen speichern ähnlich wie Moore CO2, senken Hochwasserrisiken und sind nicht zuletzt als Erholungsraum wegen ihrer ursprünglichen Natur von unschätzbarem Wert. Doch bislang sind die Elbe und ihre Flusslandschaft in einem besorgniserregenden Zustand. In ihrem Thesenpapier, der „Dessauer Elbe-Erklärung“ stellen die Umweltorganisationen fest:

  1. Die Flusslandschaft und Elb-Auen trocknen aus. Durch den Wassernotstand der letzten Jahre ist die Elbe als eine der letzten großen, naturnahen Flusslandschaften Europas in Gefahr. Es besteht daher dringender Handlungsbedarf, um die biologische Vielfalt zu sichern und die ökologischen Funktionen wiederherzustellen.
     
  2. Die Trockenheit, eine Folge der Klimakrise, wird verschärft durch die fortschreitende Tiefenerosion der Elbe und durch fehlenden Wasserrückhalt in der Landschaft. Beides sind Ergebnisse von Flussausbau und Entwässerungsmaßnahmen. Um den natürlichen Wasserspeicher Aue und Landschaft wieder zu reaktivieren, muss vor allem die Tiefenerosion gestoppt und umgekehrt werden.
     
  3. Obwohl der Schutz der Flusslandschaft für die Region entlang des Flusses große Chancen bietet, wurden die notwendigen Anstrengungen dazu bislang nicht angegangen. Auch das Gesamtkonzept Elbe hat bis heute nicht die versprochene Kehrtwende gebracht. Ökologische Maßnahmen müssen jetzt zügig umgesetzt werden. Dabei gilt es geänderte Rahmenbedingungen, wie Klimafolgen, zu beachten und Zielkonflikte zu bearbeiten.
     
  4. Das verkehrspolitische Ziel, mehr Güter auf den Fluss zu bringen, wurde nicht erreicht. Die umfangreichen Baumaßnahmen ermöglichen keine verlässlich planbare Schiffbarkeit des Niedrigwasserflusses Elbe (zwischen deutsch-tschechischer Grenze bis Geesthacht kurz vor Hamburg) und gehen mit einer ökologischen Verschlechterung einher. Daher ist bis zur Evaluierung und anschließenden Neuausrichtung des Gesamtkonzepts Elbe ein Moratorium für Planung und Umsetzung von Maßnahmen zur Verbesserung der Schifffahrtsverhältnisse notwendig.

Das 5. Elbe-Symposium der Evangelischen Landeskirche Anhalts befasst sich unter dem Titel #ElbAuenland mit der Trockenheit und deren Folgen auf die Flusslandschaft und deren biologische Vielfalt. Die Veranstaltung wird von der Evangelischen Akademie Wittenberg, dem BUND und der Bürgerinitiative mitorganisiert.

Hintergrund: Gesamtkonzept Elbe
Das Gesamtkonzept Elbe (GKE) befasst sich mit der Elbe zwischen der deutsch-tschechischen Grenze und Geesthacht kurz vor Hamburg. Es wurde im Januar 2017 von Bundesverkehrs- und Bundesumweltministerium sowie den Anrainer-Ländern Sachsen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Schleswig-Holstein verabschiedet. An der Erarbeitung waren Umweltorganisationen sowie Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft und Kirche beratend einbezogen. Als Grundlage für das Verwaltungshandeln der Landes- und Bundesbehörden in den kommenden 20 bis 30 Jahren soll das GKE die Schifffahrt mit dem Erhalt des wertvollen Naturraums in Einklang bringen. Die unterschiedlichen Interessen sollen dabei gleichrangig behandelt werden. Keine Maßnahme zur Erreichung eines Ziels darf ein anderes Ziel behindern.

Schon vor Verabschiedung des GKE Anfang 2017 äußerten die Umweltverbände Zweifel daran, ob die unterschiedlichen GKE-Ziele gleichzeitig erreichbar sind. Durch die aktuellen Entwicklungen sehen sie ihre Zweifel zunehmend bestätigt. Bis Ende 2018 sollten laut Gesamtkonzept Elbe erste Vorschläge und erste Ergebnisse erarbeitet werden. Trotz dringenden Handlungsbedarfs kommen die angekündigten ökologischen Maßnahmen kaum voran. Dazu gehört auch die wichtige ökologische Aufgabe wie „Stopp und der Umkehr der Sohlerosion“.

Hintergrund: Ökologischer Zustand der Elbe
Das derzeit größte ökologische Problem der Elbe ist die vom Menschen verursachte Tiefenerosion. Unter anderem aufgrund von Laufverkürzungen und der Festlegung des Flussbettes gräbt die Elbe sich zwangsweise immer tiefer in ihr Bett aus Sand ein. Schon bis zu zwei Meter ist der Wasserspiegel in einigen Abschnitten in den letzten 130 Jahren gesunken. Die Folgen sind fatal für die Umwelt: Mit dem Wasserspiegel des Flusses sinkt auch das Grundwasser in den Elbauen. Das trägt dazu bei, dass sowohl ökologisch wertvolle Auenwälder als auch kulturell bedeutende Flusslandschaften wie das UNESCO Welterbe Dessau-Wörlitzer Gartenreich immer weiter austrocknen. Um weitere Schäden zu verhindern, muss die Tiefenerosion umgehend gestoppt und die Sohle wieder angehoben werden. Dies sieht auch das Gesamtkonzept vor.

Zugleich sind die Gütertransporte auf der Elbe seit Jahrzehnten rückläufig und inzwischen nur noch marginal. Der Transport von Gütern auf dem Fluss brach um über 90 Prozent auf weit unter 0,2 Mio. Tonnen/Jahr ein. 2022 waren es schätzungsweise nur noch ca. 0,1 Mio. Tonnen, die auf der Elbe transportiert wurden. Die zuständige Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes gab an, die Daten personalbedingt nicht mehr erheben zu können.

Kontakt

Roland Gramling

Pressesprecher, Berlin

  • Amur-Tiger © Ola Jennersten / WWF Schweden Bedrohte Arten

    Der Rückgang der biologischen Vielfalt wird maßgeblich durch menschliches Handeln verursacht. Der WWF setzt sich weltweit für den Schutz bedrohter Arten ein. Erfahren Sie mehr zum Artenschutz