Vietnam ist ein wunderschönes, tropisches Land mit atemberaubender Natur und einzigartigen Pflanzen- und Tierarten. Und es gehört gleichzeitig zu den fünf Ländern, von denen weltweit am meisten stinkender und gefährlicher Plastikmüll ins Meer gelangt. Der WWF geht dieses gewaltige Problem an. Mit einem maßgeschneiderten Modellprojekt für die Provinz Long An im Mekong-Delta. Wenn das Projekt gelingt, kann es Vorbild sein. Und so langfristig helfen, das gigantische Müllproblem von ganz Vietnam zu lösen.

Kompost ist der Schlüssel zum Erfolg

Und das war der Plan: In Long An hat der WWF 2018 ein genau auf die Region und ihre Probleme zugeschnittenes Abfallwirtschaftskonzept entwickeln lassen. In einem Teil der Stadt Tan An wurde in einem Modellvorhaben mit zunächst 430 Haushalten die getrennte Müllsammlung erprobt. Mit Erfolg: Fast die Hälfte des getrennten Mülls (45 Prozent) war separierter Biomüll, aus dem wertvoller Kompost hergestellt werden konnte. Außerdem konnte durch die bessere Trennung der Anteil recyclebaren Mülls erhöht und entsprechend die Menge des Restmülls, der schließlich auf einer Deponie landet, reduziert werden.

Motiviert durch die guten Erfolge wurden inzwischen 4.800 Familien in die Aktivitäten einbezogen. Sie alle sind aufgeklärt und darin geschult worden, ihren Müll schon zu Hause sorgfältig zu sortieren. Denn: Recycling kann nur funktionieren, wenn die Wertstoffe von Anfang, an jeden Tag, in jedem einzelnen Haus penibel getrennt werden. Aus dem Biomüll – also z.B. Bananenschalen, Kaffeesatz, Obst- und Gemüseresten und allen anderen Küchen- und Gartenabfällen (immerhin bis zu 60 Prozent der privaten Müllmenge) entsteht hochwertiger Kompost. Und der Restmüll wird deponiert oder verbrannt.

Erfolge durch Spendengelder

Bisherige Müllentsorgung im Projektgebiet in Vietnam © WWF
Bisherige Müllentsorgung im Projektgebiet in Vietnam © WWF

Mit Spendengeldern konnten inzwischen 80 spezielle Müllkarren mit je 660 Liter Fassungsvolumen angeschafft werden. Sie haben getrennte Fächer für Wertstoffe (Plastik, Glas, Papier), Biomüll und Restmüll. Die Karren sind klein und wendig und können deshalb gut durch die engen, teilweise unbefestigten, bei Regen oft matschigen Straßen der Stadt gezogen werden. Weiterhin beschaffte der WWF zwei Fahrzeuge mit einer Ladekapazität von jeweils 5,6 Tonnen zum Transport der Handkarren und drei mobile Waagen.

Außerdem finanziert der WWF anteilig Gehälter für insgesamt 19 Mitarbeiter der Müllabfuhr über den Zeitraum des Pilotvorhabens. Die Sammler:innen sollen streng darauf achten, dass der Müll auch wirklich richtig getrennt wird. Haushalte, bei denen das nicht klappt, bekommen Besuch von der Frauenunion – und die hat im sozialistischen Vietnam einiges zu sagen.

Während der Covid-19-Lockdown auch die Projektmitarbeiter:innen in Vietnam betraf und Projektaktivitäten gestoppt oder stark eingeschränkt werden mussten, konnte im Juli 2020 die Auswahl und Ausbildung der neu rekrutierten Müllsammler:innen abgeschlossen werden. Ein besonderes Augenmerk wurde daraufgelegt, die Sortenreinheit der gesammelten Abfallfraktionen zu überprüfen und eine geeignete Sammelroute für die zahlreichen verwinkelten kleinen Gassen des Pilotprojektgebiets zu definieren.

Biomüll – das grüne Gold für Vietnams Abfallwirtschaft

Die sorgfältige private Trennung – vor allem des organischen Abfalls – ist entscheidend für den Erfolg des gesamten Modellprojekts. Denn: „Unser Abfallwirtschaftskonzept zeigt, dass für hochwertigen Kompost in Vietnam gutes Geld gezahlt wird“, sagt WWF-Experte Bernhard Bauske. Durch die Erlöse, die mit Kompost erzielt werden, kann sogar ein großer Teil der anfallenden Müllsammel- und Entsorgungskosten finanziert werden! Das wäre ein großartiger Erfolg.

Aber dazu muss der Müll eben äußerst penibel und sauber getrennt werden, damit keine hochgiftigen Schadstoffe in den Kompost geraten. Etwa durch auslaufende Batterien oder das Quecksilber und die Scherben kaputter Glühbirnen. Derart verunreinigt ist Kompost kaum zu gebrauchen. Tatsächlich gibt es in Vietnam einen hohen Bedarf an Kompost und Kompostprodukten. Er wird verkauft an Farmer:innen, Landschaftsgärtner:innen und Gärtnereien. Je höher die Kompostqualität ist, umso größer wird die Nachfrage und damit der erzielbare Gewinn. Kompost ist also ein wichtiger Baustein des Modellprojekts, er trägt entscheidend zur Finanzierung des Abfallwirtschaftskonzepts bei.

Es gibt aber noch einen weiteren wichtigen Grund, warum der Kompost gründlich vom Rest des Mülls getrennt werden muss: Die Verbrennung des Restmülls funktioniert nur bei halbwegs trockenem Müll gut. Also Müll mit wenig nassen organischen Anteilen. Sonst ist die Verbrennungstemperatur zu niedrig und hochgiftige Dioxine und Furane werden durch die Schornsteine in die Luft geblasen. Durch die strenge private Mülltrennung können übrigens auch Plastik und andere Wertstoffe sortenreiner gewonnen werden. Das wiederum erhöht die Einnahmen aus der Verwertung der jeweiligen Abfallteile. Und es reduziert die Plastikanteile im Restmüll. Am Ende gelangt auch weniger Plastikmüll in die Meere.

Bis vor kurzem wurde noch wenig recycelt, gar nicht getrennt

Offene Müllablagerungen in Kien Tuong © Bernhard Bauske
Offene Müllablagerungen in Kien Tuong © Bernhard Bauske

Es gab in Vietnam bereits einige Projekte mit getrennter Müllsammlung, die jedoch schnell wieder aufgegeben wurden. Für eine funktionierende Entsorgungs- und Recyclingwirtschaft fehlte es bislang sowohl an politischem Willen und Problembewusstsein als auch an Know-how, Infrastruktur und finanziellen Mitteln. „Aktuell sind unsere Mitarbeiter:innen in Long An deshalb kontinuierlich dabei, die Qualität der Abfallsammlung zu verfolgen und nach zu justieren“, sagt WWF-Experte Bauske. „Das ist ein zentrales Element unseres Projektes.“

Und da es ein Modellprojekt ist, muss alles darangesetzt werden, dass es gelingt. Nur so werden andere Städte und Provinzen überzeugt und machen mit. Ein Leuchtturm sein unter vielen gescheiterten Anläufen – das wird eine wahrlich schwere Aufgabe. Denn generell – auch das hat das Abfallwirtschaftskonzept ergeben – sind die technischen und ökologischen Standards der Abfallbehandlung in Vietnam bisher äußerst schlecht.

In ländlichen Gegenden wird der Müll oft gar nicht eingesammelt. Die Menschen vergraben oder verbrennen ihren Plastikmüll im Garten. Überall, in Hinterhöfen, am Wegesrand oder im Feld, kokeln giftig-stinkende Müllfeuer vor sich hin. Oder der Müll wird einfach säckeweise in den Fluss geworfen und gelangt über das weit verzweigte Mekong-Delta ins Meer. Wichtig ist deshalb, dass das Müllprojekt für die Mekong-Region dringend auf die abgelegenen Dörfer und schwer erreichbaren ländlichen Regionen erweitert wird. Doch hier warten andere Probleme, denn die Transportkosten schnellen in die Höhe da die Wege weiter werden.

Erste Schritte auf einem langen Weg

Bei einem Treffen im Februar 2019 mit Entscheidungsträger:innen in der Provinzhauptstadt Tan An erläuterten vom WWF beauftragte Abfall-Expert:innen und Vertreter:innen des WWF weitere Details der Umsetzung. Etwa 50 Personen waren gekommen: Die Umweltbehörde, das regionale Volkskomitee, Vertreter der Frauenunion und Einwohner:innen der Stadt – sie alle waren neugierig und wollten mehr über ihr neues Abfallwirtschaftskonzept erfahren.

Auch wenn auf der Versammlung skeptische Töne zu hören waren – das Volkskomitee will das Müll-Projekt für den Mekong weiter unterstützen. Mit Hilfe des WWF konnte schon vieles detailliert geplant werden: Der genaue Weg der Müll-Sammelfahrzeuge ist bereits festgelegt, so dass möglichst viele Haushalte erreicht werden. Zentral gelegene Sammelstellen sind geplant und zahlende Abnehmer gefunden für den Kompost und für das recycelbare Plastik.

Im Rahmen der WWF „Plastic Smart Cities – No Plastic in Nature“ Initiative hat sich die Stadt Tan An ebenfalls die Selbstverpflichtung gegeben, bis zum Jahr 2030 die Natur nicht mehr mit dem Eintrag von Plastikabfällen zu belasten. Mit Unterstützung des WWF ist nun vorgesehen, das Modellvorhaben auf die gesamte Stadt mit ca. 200.000 Einwohner:innen auszuweiten. Die Ergebnisse und Erfahrungen aus dem erstellten Abfallwirtschaftskonzept für die Provinz Long An wurden an andere Provinzen wie Thua Thien The Provinz und Ha Tinh weitergegeben, die sich ebenfalls z.B. an der Plastic Smart Cities-Initative des WWF beteiligen.

Vietnam treibt den Kampf gegen die Plastikflut voran

Natürlicher Mekong © GettyImages
Natürlicher Mekong © GettyImages

Aufgrund der Notwendigkeit und der erfolgsversprechenden Ergebnisse des WWF-Projekts hat die vietnamesische Regierung Ende 2020 entschieden, die Trennung von Haushaltsmüll ab 01.01.2022 verbindlich in Kraft zu setzen. Der stellvertretende Minister des vietnamesischen Ministeriums für natürliche Ressourcen & Umwelt bestätigte außerdem den entschlossenen Willen und das Engagement Vietnams, gegen Plastikmüll vorzugehen und ein entsprechendes globales Abkommen voranzutreiben.

Es handelt sich dabei um eine Art Selbstverpflichtung Vietnams, eine aktive Rolle im internationalen Kampf gegen den Eintrag von Plastik in die Meere einzunehmen. Eines ist sicher: Wenn die Menschen Vietnams überzeugt werden, dass niemand anderes als sie selbst das Problem lösen können, wird ihre Motivation steigen, sich aktiv im Kampf gegen das Plastik zu beteiligen.

Unterstützen Sie den WWF im Kampf gegen die Plastikflut

  • Phu Quoc (Vietnam) © Elizabeth Kemf / WWF Projekt Phu Quoc

    Ein WWF-Projekt zur Reduzierung des von Touristen verursachten Mülleintrags auf der Insel Phu Quoc. Weiterlesen ...