Seit Projektbeginn arbeitet der WWF mit Bundes- und Landesbehörden zusammen, um eine Dauerlösung gegen verlorene Fischereigeräte zu ermöglichen. Die Methode zur Suche, Bergung und Verwertung von Geisternetzen wurde mit dem Ziel entwickelt, den Landesämtern vor Ort eine Technik anzubieten, wie Netze wiedergefunden und zeitnah vom Meeresgrund entfernt werden können.

Einsatz eines Sonargeräts zur Suche von Geisternetzen auf dem Ölwehrschiff „Orfe“ des Landes Mecklenburg-Vorpommern. © Christian Howe / WWF
Einsatz eines Sonargeräts zur Suche von Geisternetzen auf dem Ölwehrschiff „Orfe“ des Landes Mecklenburg-Vorpommern. © Christian Howe / WWF

Plastikmüll, auch Kunststoffnetze aus der Fischerei, aus den Meeresgewässern zu entfernen, ist Aufgabe von Bund und Ländern. Die EU hat die „Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie“ entworfen, das Gesetz, das alle europäischen Meere vor negativen Auswirkungen durch den Menschen schützen soll. Die Mitgliedsstaaten sind darin verpflichtet, für einen guten und gesunden Zustand der Meere zu sorgen, die in ihrem Hoheitsgebiet liegen. Das gilt auch für die Verringerung der Belastung mit Meeresmüll vom Land und von See. Zum Plastikmüll gehören auch verlorene Fischereigeräte, die bereits seit den 1960er Jahren aus Kunstfasern wie Nylon oder Polyethylen hergestellt werden. 

Mecklenburg-Vorpommern ist Vorreiter

Als erstes Küstenbundesland hat Mecklenburg-Vorpommern die Verantwortung dafür übernommen, dass verlorene Fischereigeräte aus den Küstengewässern entfernt werden. Mecklenburg-Vorpommern hat von März 2021 bis November 2023 ein Pilotprojekt finanziert, damit der WWF die Such- und Bergungsmethode in Fischereigebieten testen konnte. Das Land hat Mittel aus der Fischereiabgabe zur Verfügung gestellt, also aus den von Fischereibetrieben und Anglern gezahlten Lizenzgebühren.

Besonders wichtig war es dem Ministerium für Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umwelt des Landes Mecklenburg-Vorpommern, dass Fischereibetriebe in das Projekt eingebunden wurden. Die WWF-Methode wurde dafür so angepasst:

Schritt 1: Sonarsuche
  • Definition der Suchgebiete aus den Fischern und Fischerinnen bekannten Verlustgebieten
  • Schwerpunkt der Suche mit Schallwellen (Sonartechnik) auf Ostseeflächen der kleinen Küstenfischerei
  • Die Sonarsuche wurde mit 8- bis 9-Meter-Stellnetzkuttern durchgeführt, deren Kapitäne die Fischereireviere in- und auswendig kennen. Auch Landesschiffe kamen zum Einsatz.
     
Beispiele von Sonarverdachtsstellen und Fotos von der Tauchverifizierung © Tauchgruppe FIUM / WWF
Beispiele von Sonarverdachtsstellen (links) und Fotos von der Tauchverifizierung (rechts) © Tauchgruppe FIUM / WWF
Schritt 2: Verifizierung durch Tauchteams
  • Ein Sonarbild ist kein Foto. Eine lange Struktur kann ein verknäultes Stellnetz oder Schleppnetz oder auch ein knorriger Ast sein. Daher werden alle Verdachtsstellen durch Taucher:innen verifiziert, z.B. durch ein Tauchteam der Tauchbasis Prora, die uns seit Projektbeginn bei der Suche und Bergung unterstützt, oder durch ein Forschungstauchteam.
  • Bei der Verifizierung von Sonar-Verdachtsstellen können sich auch Sporttaucher engagieren, indem sie in der WWF-GhostDiver App Verdachtspositionen bestätigen oder beim Tauchen entdeckte Netze melden.
     
Die Tauchverifizierung der Verdachtsstellen liefert wichtige Hinweise für die Bergung. © Christian Howe / WWF
Die Tauchverifizierung der Verdachtsstellen liefert wichtige Hinweise für die Bergung. © Christian Howe / WWF
Schritt 3: Bergung mit Fischkuttern
  • Für Stellnetze, Taue und Reusen oder Fischfallen haben sich im Pilotprojekt Stellnetzkutter der 9-Meter-Klasse als sehr gut geeignet erwiesen. Stellnetze und Taue von einigen zehn bis mehreren hundert Metern Länge können über die Netzrolle des Kutters unkompliziert an Bord gezogen werden.
  • Für Ballen aus Schleppnetzen, zusammengeballte Stellnetze oder Taue oder größere Metallteile wie die Fanggeschirre, die über den Grund rollen, um Fische aufzuscheuchen, wurden Schleppnetzkutter der 17-Meter-Klasse eingesetzt.
Bergung mit 17-Meter-Schleppkutter „Crampas“ des Fischereibetriebs Erler © Stefan Sauer / WWF
Bergung mit 17-Meter-Schleppkutter „Crampas“ des Fischereibetriebs Erler © Stefan Sauer / WWF
Schritt 4: Fachgerechte Entsorgung der Geisternetze
  • Geisternetze aus der Ostsee sind mit organischem Material und feinem Sand belastet. Stellnetze enthalten zudem Sinkleinen mit Blei. Die Netze sind daher in den allermeisten Fällen für ein Materialrecycling nicht geeignet. 
  • Mit geborgenen Netzen des WWF hat die Firma Brockmann Recycling GmbH in Schleswig-Holstein ein Verfahren entwickelt, um Metallteile, wie z.B. Ketten oder Anker und Blei von dem Plastikmüll zu trennen und die Metalle zu recyceln. Das Plastik muss wegen der Verunreinigungen thermisch verwertet werden, hier gibt es bisher keinen anderen Weg als die Müllverbrennungsanlage. 
Bergung verschiedener Netze mit Schleppkutter „Crampas“ © Andrea Stolte / WWF
Bergung verschiedener Netze mit Schleppkutter „Crampas“ © Andrea Stolte / WWF

Mit diesen vier Schritten ist der gesamte Prozess von der Suche und Bergung bis hin zur fachgerechten Verwertung abgedeckt. Erstmals steht damit eine Methode zur Verfügung, wie nach einer Verlustmeldung die Netze rasch wiedergefunden und entfernt werden können. Daraus können die Küstenbundesländer eine Handlungskette entwickeln und zuständige Stellen schaffen, die die Fischereibetriebe unterstützen, wenn nach einem Verlust nicht klar ist, wo das verlorene Netz am Meeresgrund wiederzufinden ist. Wenn klar ist, wo die Netze liegen, bergen die Fischereibetriebe diese ohnehin eigenständig, auch weil ihnen durch den Verlust ein finanzieller Schaden entsteht.

Lokale Fischer:innen haben sich bei der Sonarsuche und der Netzbergung im Landesprojekt beteiligt. Gerade hat das Land Mecklenburg-Vorpommern eine neue Ausbildung für Fischer:innen ins Leben gerufen, die sogenannten „Sea Ranger“. Diese sollen den Umweltzustand der Küstengewässer überwachen, Proben nehmen und auch die Suche nach Geisternetzen weiterführen. So erschließen sich Fischereibetriebe neue Berufszweige, in die sie ihr Wissen über die Küstengewässer einbringen können.

Schleswig-Holstein macht mit!

Stellnetz-Markierung eines abgerissenen Netzes am Ostseegrund © Christian Howe / WWF
Stellnetz-Markierung eines abgerissenen Netzes am Ostseegrund © Christian Howe / WWF

Nach dem erfolgreichen Pilotprojekt in Mecklenburg-Vorpommern hat Schleswig-Holstein ein auf den Erfahrungen aufbauendes WWF-Projekt genehmigt, das im September 2023 gestartet ist. Hier werden Mittel des Europäischen Meeres-, Fischerei- und Aquakultur-Fonds (EMFAF) und des Umweltministeriums zur Verfügung gestellt, um die Methodik in den schleswig-holsteinischen Ostsee-Küstengewässern zu testen. Das Projekt wird vor Ort durch die Tauchgruppe submaris koordiniert und durchgeführt. Auch hier steht die Zusammenarbeit mit lokalen Fischereibetrieben im Vordergrund. So wird die Fischerei als verursachende Branche in die Behebung des Schadens eingebunden, bringt das Wissen um die Verlustgebiete ein und trägt dazu bei, die Ostseeküste von Plastikmüll zu befreien.

Die Langzeit-Wirkung der Landesprojekte

Häufigste Ursache für Netzverluste in der deutschen Ostsee sind Unfälle mit Sportbooten oder anderen Schiffen, Stürme oder Eis. Dennoch können Fischer:innen sich nicht gegen Netzverlust versichern. Mit den Pilotprojekten wird erstmals Unterstützung bei der Suche und Bergung verlorener Fanggeräte gewährt, wenn die Fischer:innen diese nicht eigenständig wiederfinden und bergen können. Dies erhöht die Motivation, ein verlorenes Netz zu melden.

Bergung eines Rollgeschirrs © Stefan Sauer / WWF
Bergung eines Rollgeschirrs © Stefan Sauer / WWF

Nun müssen Bund und Länder die Verantwortung für die Suche, Bergung und Entsorgung von Geisternetzen übernehmen, in dem zuständige Stellen eingerichtet und die Unterstützung der Bergung als Amtsaufgabe festgelegt wird. Nur dann dürfen auch Landes- und Bundesschiffe mit anpacken.

Neben Landesschiffen ist es auch für private Organisationen wie den WWF notwendig, dass die Küstenbundesländer Häfen ausweisen, in denen geborgene Netze angelandet werden können. Diese Häfen müssen in der Lage sein, geborgene Fischereigeräte in die fachgerechte Verwertung zu geben.

Bei der Abschlusskonferenz des Pilotprojekts Mecklenburg-Vorpommern im Landesministerium in Schwerin am 20. März 2024 hat der WWF die Projektergebnisse und diese Empfehlungen den Bundes- und Landesbehörden vorgestellt. Nun liegt es in der Hand von Bund und  Ländern, die Bergung von Geisternetzen in eine dauerhafte Praxis zu übertragen.

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