Wer das Wort „Rügen“ hört, denkt vermutlich automatisch an weiße Kreidefelsen, dahinter Buchenwälder und nach vorne der Blick in die weite Ostsee. Das alles findet man im kleinsten Nationalpark Deutschlands, dem Nationalpark Jasmund. Mittendrin liegt das einmalige Informationszentrum am Königsstuhl, das der WWF 2004 zusammen mit der Stadt Sassnitz und dem Land Mecklenburg-Vorpommern gegründet hat und bis heute als Gesellschafter unterstützt.

Neue Aussichtsplattform: der Skywalk Königsstuhl

Visualisierung des Königswegs inkl. Skywalk © NZK-Liebnau

Seit 22. April 2023 wartet eine neue Attraktion auf die Besucher:innen des Nationalparks am Königsstuhl: Nach 23 Monaten Bauzeit wurde die neue schwebende und barrierefreie Aussichtsplattform – der Skywalk Königsstuhl – im Rahmen eines zweitägigen Festprogramms feierlich eröffnet. Unterstrichen von festlichen Klängen des Orchester des Wandels verfolgten mehr als 1.000 Gäste die feierliche Eröffnung. Die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern Manuela Schwesig und die Minister Till Backhaus, Reinhard Meyer sowie weitere Ehrengäste gaben das imposante Bauwerk frei. Im Anschluss konnten die Besucher:innen den Skywalk erstmalig erkunden und die Aussicht über Deutschlands bekanntesten Kreidefelsen genießen.

Die neue Aussichtsplattform ist notwendig geworden, da der Übergang zum Königsstuhl immer schmaler und damit unsicherer für alle Besucher:innen wurde. Der neue Skywalk Königsstuhl bietet eine sichere und von Erosionen unbetroffene, dauerhafte Lösung der landseitigen Aussicht von diesem berühmten Ort im Nationalpark Jasmund.

Darüber hinaus wurde auch die modernisierte Erlebnisausstellung wiedereröffnet. Vier Ausstellungsräume, die die Themenvielfalt der Kreideküste, Artenschutz und Artenvielfalt sowie Einzigartigkeiten der deutschen und internationalen Nationalparke abbilden, wurden komplett neu gestaltet. In Zusammenarbeit mit dem WWF sind neue Stationen entstanden, an denen aktuelle Umwelt- und Klimaschutzthemen mit Bezug zum Alltag nähergebracht werden.

Ein Nationalpark mit Geschichte

Der Nationalpark Jasmund wurde am 12. September 1990, kurz vor dem offiziellen Ende der DDR, gegründet. Der Nationalpark Jasmund beherbergt die grandiose Kreideküste der Insel Rügen und die vom Meer umbrandete Halbinsel Jasmund mit ihrer hügeligen Hochfläche. Buchenwälder, Kreidefelsen und Meer bilden eine faszinierende Kulisse.

Die Sorge, diese beeindruckende Landschaft könnte zerstört werden, führte bereits 1929 zur ersten Unterschutzstellung des Gebietes. Weitere Schutzverordnungen folgten 1935 und 1954, bis es schließlich 1990 zur Ausweisung des Nationalparks kam. Seit diesem Zeitpunkt wird der Wald seiner natürlichen Entwicklung überlassen.

Unversehrte Buchenwälder sind selten

Kreideküste auf Rügen © Annika Magdorf / WWF
Kreideküste auf Rügen © Annika Magdorf / WWF

In dem 3.072 Hektar großen Schutzgebiet steht auf etwa 2.200 Hektar der größte zusammenhängende Buchenwald an der Ostseeküste. Er gehört zu den letzten alten unversehrten Wäldern Europas und wurden 2011 von der UNESCO zum Weltnaturerbe erklärt.

Vorherrschender Waldtyp ist der baltische Waldgersten-Buchenwald. Als weitere Waldtypen begleiten ihn Orchideen-Kalkbuchenwald auf Kreidesteilhängen, Eschen-Buchenwald in Bachtälern, Erlen-Bruchwälder in Quellsümpfen und Mooren.

Der Buchenwald löst sich an den Kreidefelsen der Kliffhänge auf in ein dynamisches Mosaik aus offenen Bereichen und Gebüsch. Aufgrund der Steilheit und Unzugänglichkeit wurden die Wälder an den Kliffhängen forstlich nie genutzt und gleichen deshalb echten Urwäldern.

Vielfältige Lebensräume

Der Nationalpark Jasmund weist durch die komplexe Wirkung von Klima, Relief und Boden ein außergewöhnlich breites Spektrum an Lebensräumen auf. Allein die Buchenwälder besiedeln in unterschiedlichen Varianten nährstoffarme bis nährstoffreiche und trockene bis frische Standorte auf Kreide sowie Gletscherablagerungen.

Mosaikartig sind unterschiedliche Moortypen in den Wald eingebettet und die Kreidehochfläche ist von einem Netz aus Bachläufen durchzogen. Der Kreideblock von Jasmund wurde im Eiszeitalter mehrfach von Gletschern überfahren, aufgestaucht und gepresst. Mit Entwicklung der Ostsee entstand in der Nacheiszeit die von außerordentlicher Dynamik geprägte Kreideküste der steil aus dem Meer aufragenden Waldlandschaft.

So können Sie helfen

Großer Artenreichtum

Seeadler © Ralph Frank / WWF
Seeadler © Ralph Frank / WWF

Diese Vielfalt von Lebensräumen ist Grundlage für einen großen Reichtum an Tier- und Pflanzenarten. Bemerkenswert sind der seltene Frauenschuh, der Riesenschachtelhalm und die Zwiebelzahnwurz. An den Hängen des Kreidekliffs brütet unter anderem der Wanderfalke und die Mehlschwalbe siedelt in mehreren Kolonien. Auch der Seeadler ist regelmäßiger Brutvogel.

Zwar sind Buchenwälder schattig und wirken im Sommer dunkel und erscheinen im Vergleich zu manchen Laubmischwäldern in der Tat auch artenarm. Ein naturbelassener Buchenwald ist dies aber keineswegs. Buchenwälder mit einem hohen Anteil an alten Bäumen, stehendem sowie liegendem Totholz bieten einen idealen Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten. Die Zahl der Tierarten in Buchenwäldern wird auf bis zu 10.000 Arten geschätzt.

In einem solchen Wald sind viele natürliche Höhlen vorhanden, in denen Höhlenbrüter, Fledermäuse und viele andere Lebewesen Brutraum und Unterschlupf finden. Ein wesentlicher Teil der Artenvielfalt in Buchenwäldern kommt zudem erst in den Altersphasen zur ganzen Entfaltung. Der gesamte Regenerationszyklus von Buchenwäldern, das heißt die Zeit in der eine Buche heranwächst, Früchte trägt, altert, stirbt und vergeht, umfasst 250 bis 300 Jahre, mitunter sogar noch mehr.

Aufgrund seiner Bedeutung für viele, teilweise vom Aussterben bedrohte Arten wurde der Buchenwald bereits 1995 in Deutschland zum Biotop des Jahres gewählt.

Buchenwälder sind bedroht

Alte Buchenwälder zählen weltweit zu den stark bedrohten Lebensräumen. Anders als in vielen Stätten des UNESCO-Weltkulturerbes, wo es darum geht, konservierend einzugreifen, lautet das Prinzip zum Schutz der Buchenwälder: Nichts tun. Nur so lässt sich dieses großartige Erbe auch für zukünftige Generationen der Menschheit bewahren. Der Mensch schaut zu, wie die Natur sich Zeit nimmt und stetig verändert, ganz nach ihren eigenen Regeln.

Weitere Informationen

  • Ostseeküste bei Warnemünde © Ralph Frank / WWF Ostsee

    Bereits seit 1990 ist der WWF an der Ostsee aktiv, um die vielfältigen Lebensräume zwischen Land und Meer, zwischen Süß- und Salzwasser, zu schützen. Weiterlesen...

  • Nationalpark Jasmund auf Rügen © RicoK69 / iStock / GettyImages WWF-Erlebnistour: Wildes Rügen

    Besuchen Sie das vom WWF zusammen mit der Stadt Sassnitz errichtete Nationalpark-Zentrum KÖNIGSSTUHL. Weiterlesen...