Der Klimawandel kann zu einer Zerstörung des Nationalparks und Weltnaturerbes Wattenmeer führen, wenn wir diese Entwicklung nicht durch globalen Klimaschutz und zugleich durch Anpassungsmaßnahmen gegen den beschleunigt steigenden Meeresspiegel aufhalten. Dies ist die entscheidende Botschaft der schleswig-holsteinischen Strategie für das Wattenmeer 2100, die 2015 von der Landesregierung beschlossen worden ist. Der WWF hat bei der Erarbeitung der Strategie intensiv mitgewirkt und setzt sich nun weiter für ihre Umsetzung ein. Damit das Wattenmeer auch im Jahr 2100 noch so groß und mindestens so wertvoll ist wie heute!

Die Szenarien

Die „Wattenmeer-Strategie 2100“ legt in zwei Szenarien für die Zeit bis 2050 und bis 2100 dar, wie sich das schleswig-holsteinische Wattenmeer infolge des Klimawandels künftig entwickeln könnte. Grundlage ist der fünfte Weltklimabericht der UNO:

  • In einem gemäßigten Szenario, unter der Annahme einer weltweiten Reduzierung der Treibhausgasemissionen, wird projiziert, dass sich der Meeresspiegel vor Ort bis zur Mitte des Jahrhunderts um 0,2 und bis zum Ende um 0,5 Meter erhöhen würde. 
  • Im zweiten Szenario, unter der Annahme von unverändert hohen Treibhausgasemissionen, würde der Meeresspiegel noch in diesem Jahrhundert um 0,8 Meter steigen.

Neuere Prognosen deuten auf einen sogar noch stärkeren Meeresspiegelanstieg hin. Aber auch die für die Strategie verwendeten Szenarien zeigen bereits erhebliche negative Veränderungen: Für den Küstenschutz infolge erhöhter hydrologischer Belastungen der Deiche, für den Naturschutz durch Abnahme und Veränderungen der das Wattenmeer prägenden Strukturen, Funktionen und seiner biologischen Vielfalt. Wichtig ist jedoch: Die Szenarien beschreiben Entwicklungen, wie sie ohne Maßnahmen zur Klimaanpassung eintreten würden.

Sandaufspülungen für die Klimaanpassung des Wattenmeeres

Sandbank im dänischen Wattenmeer im Bereich der verschwundenen Hallig Jordsand © Martin Stock
Sandbank im dänischen Wattenmeer im Bereich der verschwundenen Hallig Jordsand © Martin Stock

Die wichtigste Anpassungsoption für das Wattenmeer heißt „Wachsen mit dem Meer“ (neben dem globalem Klimaschutz!). Denn das Wattenmeer kann mit einem moderaten Meeresspiegelanstieg „mitwachsen“, indem sich Sand und Schlick auf Salzwiesen, Stränden, Wattflächen sowie im Unterwasserbereich absetzen.

Bei dem durch den Klimawandel beschleunigten Meeresspiegelanstieg kann die Natur jedoch nicht mehr mithalten und braucht Unterstützung durch naturverträgliche Anpassungsmaßnahmen. Zusätzliche Sandaufspülungen mit Sedimenten aus der vorgelagerten Nordsee sind nach heutigen Erkenntnissen die entscheidende großräumige Anpassungsoption, um den durch den Klimawandel beschleunigten Meeresspiegelanstieg einigermaßen zu kompensieren.

Die Entnahme der Sedimente in der Nordsee muss aber vorher sorgfältig untersucht werden und möglichst naturverträglich erfolgen. In dem als Nationalpark geschützten Wattenmeer müssen sich Sandaufspülungen gut in die natürlichen Abläufe einfügen, z.B. indem die Verteilung des Sandes den Naturkräften überlassen wird. Vor einer Umsetzung werden deshalb stets sorgfältige Umweltprüfungen erforderlich sein. Pilotprojekte müssen zudem zeigen, ob dem Wattenmeer durch solche Maßnahmen tatsächlich geholfen werden kann.

Zusätzliche Sedimentaufspülungen können auch helfen, lokale Küstenschutzmaßnahmen wie Deiche naturnäher zu gestalten. Zukünftig sollten „weiche“ Maßnahmen aus Sand vermehrt „harte“ Maßnahmen aus Beton und Steinen ersetzen (vgl. Konzeptstudie "Weiche Kante“ – Beitrag zu einem naturfreundlichen Küstenschutz").

Miteinander statt Gegeneinander

Die gemeinsame Erarbeitung der „Strategie für das Wattenmeer 2100“ hat gezeigt, dass Küstenschutz und Naturschutz an der Nordseeküste Schleswig-Holsteins heute gut zusammenarbeiten und frühere Konflikte überwunden wurden. Heute haben beide ein gemeinsames Ziel: die Abwehr der Folgen des Klimawandels für die Erhaltung des Nationalparks und Weltnaturerbes Wattenmeer und für die Sicherheit der Menschen an der Küste.

Wie weiter?

Naturschutz und Küstenschutz im schleswig-holsteinischen Wattenmeer müssen bei ihrer Arbeit die „Strategie für das Wattenmeer 2100“ berücksichtigen. Für die Umsetzung der Strategie müssen konkrete Pilotprojekte und Experimente auf den Weg gebracht werden werden.

Als Pilotprojekt setzt der WWF gemeinsam mit Partnern z. B. von 2020 bis 2026 das Vorhaben „Sandküste St. Peter-Ording“ um, gefördert im Bundesprogramm Biologische Vielfalt. Das Projekt verstärkt die Anstrengungen zum Erhalt der Küstenlebensräume von St. Peter-Ording. Ziel ist es, den Zustand der Küstenlandschaft durch umfangreiche Naturschutzmaßnahmen zu verbessern und wichtige Voraussetzungen für eine Anpassung an den zukünftig beschleunigten Meeresspiegelanstieg zu schaffen.

Die „Strategie für das Wattenmeer 2100“ beschränkt sich in ihren Aussagen auf das Wattenmeer außerhalb der Festlandsdeiche. Sie trifft keine Aussagen über die ebenfalls bedrohten und bewohnten Marschgebiete hinter den Deichen. In der Zukunft wird es sicher erforderlich, auch dort gemeinsam die Weichen für eine Klimaanpassung zu stellen. 

Aus Sicht des WWF müssen ähnliche Strategien nun auch für das Wattenmeer in Niedersachsen und Hamburg entwickelt werden. Auf der Ebene der drei Wattenmeerstaaten Dänemark, Deutschland und Niederlande ist zudem ein ständiger Austausch von Ideen erforderlich, wie Klimaanpassung so naturverträglich wie nur möglich gestaltet werden kann. Nur so können die drei Staaten der Verpflichtung zur Bewahrung des „Außergewöhnlichen Universellen Wertes“ des gemeinsamen Weltnaturerbes Wattenmeer gerecht werden.

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