Der Zug der Vögel verbindet Kontinente. Auch die meisten Wat- und Wasservögel sind Zugvögel, aber mit speziellen Ansprüchen. Sie müssen mitunter tausende Kilometer im „Non-Stop-Flug“ zurücklegen, um den Abstand zwischen für sie geeigneten Brut-, Rast- und Wintergebieten zu überbrücken. Dazu müssen sie bis an ihre Grenze gehen und sich vor dem Zug große Vorräte Fett als Treibstoff anfressen. Auf dem langen Weg orientieren sich die Vögel bei Tag und bei Nacht mit verschiedenen „Kompass“-Systemen und finden ihr Ziel mit unvorstellbarer Genauigkeit.

Für ziehende Wat- und Wasservögel ist das Wattenmeer die Drehscheibe schlechthin entlang des Ostatlantischen ZugwegesGut 10 Millionen Watvögel, Gänse, Enten, Möwen und Seeschwalben nutzen den einmaligen Naturraum an der Nordseeküste. Auch wegen dieser Bedeutung für die Vögel ist das Wattenmeer einzigartig auf der Welt und als Nationalpark und Weltnaturerbe geschützt.

Von mindestens 52 Populationen aus 41 Arten dieser Vögel kommen so viele Individuen, dass das Wattenmeer für diese Arten eine internationale Bedeutung hat. Von manchen Arten oder Populationen kommen sogar fast alle Individuen, die es gibt. Beispiele für derart stark auf das Wattenmeer angewiesene Arten sind die Dunkelbäuchige Ringelgans, Knutt, Kiebitzregenpfeifer, Pfuhlschnepfe und Alpenstrandläufer.

Herkunft aus dem Norden

Alpenstrandläufer im Brutgebiet in der arktischen Tundra ©Hans-Ulrich Rösner / WWF
Alpenstrandläufer im Brutgebiet in der arktischen Tundra ©Hans-Ulrich Rösner / WWF

Rund 10 Prozent der Vögel des Wattenmeeres brüten auch an der Nordseeküste. Austernfischer, Möwen und Seeschwalben sind dafür bekannte Beispiele. Die anderen 90 Prozent brüten im Norden. Sie kommen aus einem Einzugsgebiet, das die halbe Arktis umfasst: Es reicht von Nordost-Kanada über Grönland und Skandinavien bis nach Nord-Sibirien. Im kurzen arktischen Sommer ohne Sonnenuntergang und durchgehender Helligkeit profitieren die Vögel dort von reichlich Nahrung und wenig Feinden. So können sie erfolgreich ihren Nachwuchs großziehen.

Höhepunkte im Frühjahr und Herbst

Rastende Alpenstrandläufer im August im Wattenmeer © Hans-Ulrich Rösner / WWF
Rastende Alpenstrandläufer im August im Wattenmeer © Hans-Ulrich Rösner / WWF

Die 10 Millionen Wattenmeervögel sind nicht alle gleichzeitig da: Manche bleiben nur wenige Tage, doch die meisten einige Wochen oder Monate, andere sogar den größten Teil des Jahres. Zu jeder Jahreszeit sind jedoch viele Vögel im Wattenmeer, ziehen ab oder kommen neu hinzu.

Doch gibt es auch jahreszeitliche Höhepunkte des gefiederten Geschehens: Der eine liegt im April und Mai, wenn sich Millionen von Vögeln im Wattenmeer auf den Abzug in die arktischen Brutgebiete vorbereiten und Fettreserven anfressen. Die am weitesten im Norden brütenden Vögel warten sogar bis Ende Mai/Anfang Juni mit dem Abzug, um möglichst erst dann in der Arktis anzukommen, wenn dort genügend schneefreie Stellen zum Brüten entstanden sind. Die im Wattenmeer selbst brütenden Vögel sind in dieser Zeit schon längst mit ihrem Nachwuchs beschäftigt.

Viele Küstenseeschwalben brüten im Wattenmeer, und ziehen danach bis in die Antarktis © Hans-Ulrich Rösner / WWF
Viele Küstenseeschwalben brüten im Wattenmeer, und ziehen danach bis in die Antarktis © Hans-Ulrich Rösner / WWF

Der zweite Höhepunkt des Vogelzuges ist der Spätsommer und Herbst, wenn die Vögel aus der Arktis wieder ins Wattenmeer kommen. Viele mausern dann, wechseln also einen Teil ihres Gefieders. Manche überwintern auch im Watt, doch die meisten Vögel ziehen nach einiger Zeit weiter zu südlicheren Küsten. Ein sehr wichtiges Überwinterungsgebiet für sie ist der Nationalpark Banc d‘Arguin an der westafrikanischen Küste in Mauretanien. Einige unsere Wattenmeervögel ziehen sogar bis Südafrika zum Überwintern, und Küstenseeschwalben sogar bis zur Antarktis.

Gut gezählt im Watt

Vogelzähler im Wattenmeer © Hans-Ulrich Rösner / WWF
Vogelzähler im Wattenmeer © Hans-Ulrich Rösner / WWF

Die oben genannten Zahlen sind nicht erraten: Seit gut 50 Jahren werden die Vögel im Wattenmeer auch gezählt. Zunächst wurde nur der Gesamtbestand zu wenigen Zeiten des Jahres erfasst. Auch auf Initiative des WWF wurde gegen Ende der 80er Jahre dann eine intensivere Überwachung begonnen. Seitdem werden die Bestände auf vielen Rastplätzen in etwa 15-tägigem Abstand gezählt.

Seit die Zählungen der Wattenmeervögel begannen, gab es deutliche Veränderungen: So gibt es über die letzten 30 Jahre gesehen mehr Arten mit abnehmenden als mit zunehmenden Beständen. Zu den abnehmenden Arten zählen Austernfischer, Säbelschnäbler, Alpenstrandläufer und Dunkler Wasserläufer, zu den zunehmenden Löffler, Nonnengans, Löffelente und Sanderling. Die Gründe für solche Entwicklungen liegen nicht immer im Wattenmeer. Beim Austernfischer vermutet man aber z.B. einen Zusammenhang des Rückgangs mit einer zu intensiven Muschelfischerei, der Ausbreitung von Bodenprädatoren sowie vermehrten Überflutungen der Brutplätze im Wattenmeer.

Schutz nur entlang des ganzen Zugweges möglich

Will man Wat- und Wasservögel schützen, muss man weltweit vernetzt arbeiten, denn solche Vögel brauchen überall auf dem Zugweg Plätze mit ganz speziellen Lebensräumen (Feuchtgebieten), in denen sie rasten, fressen, mausern und überwintern können. Ohne das Wattenmeer könnten so manche Populationen arktischer Vögel nicht existieren. Doch ohne die Brutgebiete in der 

Arktis

 wäre auch das Wattenmeer viel ärmer an Vögeln!

Viele Staaten, darunter auch Deutschland, haben deshalb die „Bonner Konvention zur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten“ unterzeichnet. Mit einem Abkommen innerhalb dieser Konvention, dem „African-Eurasian Waterbird Agreement“, sollen speziell die Wat- und Wasservögel des Ostatlantischen Zugweges geschützt werden. Die drei Wattenmeerstaaaten, unterstützt von vielen Organisationen, darunter dem WWF, gründeten 2012 die 

Wadden Sea Flyway Initiative

, um mit konkreten Projekten entlang des Zugweges den Schutz der Wattenmeervögel z.B. in Afrika zu verbessern.

So können Sie unsere Arbeit im Wattenmeer unterstützen

  • Sanderling-Rastplatz im Wattenmeer © Hans-Ulrich Rösner / WWF Wattenmeer

    An der Nordseeküste der Niederlande, Deutschlands und Dänemarks liegt das größte Wattenmeer der Welt. Seit 1977 setzt sich der WWF intensiv für diese einmalige Natur ein. Weiterlesen...

  • Wattexpedition Carolinensiel-Harlesiel © Hans-Ulrich Rösner WWF-Erlebnistour: Wattexpedition Carolinensiel-Harlesiel

    Erleben Sie nur zwei Kilometer vor der Küste die einzigartige Natur des Nationalparks Wattenmeer. Auf dieser Tour begegnen Sie mit einem Nationalpark-Guide einer dynamischen wie artenreichen Wildnis. Weiterlesen...

  • Wattwanderung auf Baltrum © Hans-Ulrich Rösner WWF-Erlebnistour: Zugvogel-Exkursion nach Baltrum

    Die Tagestour mit dem WWF beginnt mit einer drei-stündigen Wattwanderung vom Festland zur Insel - eine gute Gelegenheit, zu sehen und zu erfahren, warum das Wattenmeer so bedeutsam für Zugvögel auf dem Ostatlantischen Zugweg ist. Weiterlesen...

  • Wattwanderung Minsener Oog © H.-U. Rösner / WWF WWF-Erlebnistour: Wattwanderung zur Insel Minsener Oog

    Auf unserer Tour erleben wir eine einzigartige, wilde und geschützte Naturlandschaft unmittelbar an der Grenze zur durch den Menschen intensiv geprägten und genutzten Küste. Weiterlesen...