Die weite Tundra, die Meereisflächen und die Gewässer des Arktischen Ozeans von Nunavut in der kanadischen Arktis sind Heimat zahlreicher Tierarten – von Narwalen und Eisbären bis hin zu Belugawalen und Karibus. Die Region ist auch die Heimat von rund 35.000 Menschen, die meisten davon Inuit, die kulturell tief verbunden sind mit den Ökosystemen der Arktis.

Narwale in der Arktis © Eric Baccega / naturepl.com / WWF
Narwale in der Arktis © Eric Baccega / naturepl.com / WWF

Den Inuit war und ist – wie allen indigenen Völkern – ein respektvoller und nachhaltiger Umgang mit der Natur und ihren Ressourcen wichtig. Für die Mehrheit von ihnen sind traditionelle Nutzungen wie Jagd, Fischerei und Rentierzucht wichtiger Teil ihrer sozialen und kulturellen Identität und ihres Lebensunterhaltes.

Eine Beziehung, die mit dem Aufkommen territorialer Ansprüche und dem kommerziellen Walfang nicht nur beeinträchtigt, sondern vielerorts fast unmöglich gemacht wurde.

Umweltverschmutzung, Bedrohung durch Öl- und andere Ressourcenförderung, Bergbau, industrielle Erschließung und jüngst die Klimakrise mit einer Erhöhung der mittleren Temperatur, die in der Arktis viermal deutlicher spürbar ist als im Rest der Welt, gehören zu den größten Herausforderungen in der Arktis.

„Die Zusammenarbeit mit den anderen Gemeinschaften beim Schutz der Arktis ist wichtig, weil sie weit in unserer Geschichte zurückreicht. Es geht zurück auf die Lebensweise vor der Kolonialisierung. So haben wir damals gelebt, ganz traditionell und von außen ungestört. So sollte es auch heute noch aussehen.“

Viola Neeveachaek, Taloyoak Umaruliririgut Association

Schutz in Aqviqtuuq

Stoppschild in Taloyoak © Emina Ida / WWF Canada
Stoppschild in Taloyoak © Emina Ida / WWF Canada

In den 1970er Jahren wehrten sich die Ältesten der Inuit-Siedlungen in Aqviqtuuq mit vereinten Kräften gegen die Erschließung der Öl- und Gasvorkommen und den Bau einer Pipeline durch ihr Gebiet.

Seit 2016 unterstützt der WWF Kanada die lokale Organisation Taloyoak Umaruliririgut Association (TUA) dabei, ein 90.000 Quadratkilometer großes Gebiet – das entspricht (entspricht etwa der Fläche von Sachsen und Bayern – als Schutzgebiet anerkennen zu lassen. Die Aqviqtuuq Inuit Protected and Conserved Area (IPCA) soll künftig von den Inuit selbst verwaltet werden.

Begründet in der jahrtausendealten Tradition der Inuit, das Land zu achten und die Natur zu bewahren, war allen Beteiligten von Anfang an klar, dass diese Aufgabe den Inuit zukommen sollte. Zudem ist die Beteiligung indigener Interessengruppen in Kanada seit vielen Jahren gesetzlich verankert und für die Akzeptanz und nachhaltige Wirkung von Schutzgebieten von entscheidender Bedeutung.

Frauen engagieren sich

Lena Neeveacheak, Viola Neeveacheak und Elizabeth Aiyout als Vertreterinnen der Taloyoak Umaruliririgut Association © Elizabeth Aiyout
Lena Neeveacheak, Viola Neeveacheak und Elizabeth Aiyout als Vertreterinnen der Taloyoak Umaruliririgut Association © Elizabeth Aiyout

Besonders vorangetrieben wird das Vorhaben von den Natsilingmiut, was aus dem Inuktitut übersetzt so viel bedeutet wie „Bewohner:innen des Robbenortes“. Vor allem drei Vertreterinnen der TUA – Lena Neeveacheak, Viola Neeveacheak und Elizabeth Aiyout – setzen sich für das Projekt ein.

Dazu gehört auch, in den Nachbargemeinden Kugaaruk und Gjoa Haven für das Projekt zu werben und dort nach Unterstützung und weiteren Ideen zu suchen. Traditionell gab es zwischen den Nachbargemeinden keine Rivalitäten, sondern immer die Bereitschaft, Erfahrungen und auch Ressourcen auszutauschen. Dies zeigt sich auch heute noch in den sogenannten Knowledge Exchanges, die in regelmäßigen Abständen stattfinden.

Da die Reisekosten in diesem Teil der Welt exorbitant hoch sind, unterstützt der WWF diese Treffen auch finanziell, denn der persönliche Erfahrungs- und Wissensaustausch ist besonders wichtig. Die Entwicklung und Umsetzung verschiedener Schutzmodelle soll geplant und diskutiert werden.

Obwohl sowohl Männer als auch Frauen das traditionelle und kulturelle Wissen der Inuit weitergeben, sind die Führungspositionen meist von Männern besetzt, was diese von Frauen geleiteten Treffen außergewöhnlich und sehr effektiv macht! So können weibliche Perspektiven in die Entscheidungsfindung einfließen, was wiederum die Initiativen zum Umweltschutz und zur Bewahrung der Traditionen bereichert und erweitert. Gleichzeitig sind diese Frauen Vorbilder für zukünftige Generationen.

„Das Gebiet ist uns heilig und es bietet uns alles, was wir brauchen, um erfolgreich zu sein.“

Jimmy Ullikatalik, Taloyoak Umaruliririgut Association

Nachhaltige Ziele

Infostand der Taloyoak Umarulirigut Association im Northern Store in Gjoa Haven © Emina Ida / WWF Canada
Infostand der Taloyoak Umarulirigut Association im Northern Store in Gjoa Haven © Emina Ida / WWF Canada

Zentraler Punkt des Projektes Aqviqtuuq IPCA ist, die Verwaltung des Gebietes in die Hände der Inuit zu legen und so einerseits den Naturschutz nach den Werten und Traditionen der Inuit zu gewährleisten und andererseits eine nachhaltige Lebensgrundlage zu schaffen.

So wird eine Übernutzung der natürlichen Ressourcen verhindert, da die Inuit nur so viel jagen, fischen und sammeln, wie sie zum Überleben brauchen. Gleichzeitig wird sichergestellt, dass sich die Inuit weiterhin mit dem traditionellen und auch gesundheitlich wichtigen „Country Food“ versorgen können.

Die westliche Kultur hat durch importierte Lebensmittel nicht nur Zivilisationskrankheiten wie Diabetes mellitus mit sich gebracht, sondern auch zu einer großen Versorgungsunsicherheit geführt. Denn Arbeitsplätze in Aqviqtuuq sind rar und die Lebensmittel aufgrund der langen Transportwege teuer.

„Viele Leute sind arbeitslos und nicht motorisiert, können also nicht selbst Country Food beschaffen. Dabei sind die Kosten für andere Lebensmittel hier im Norden extrem hoch. Das Leben ist sehr teuer.“

Viola Neeveacheak, Taloyoak Umaruliririgut Association

Neue Beschäftigungsfelder

Inuit Guardians bei der Eis-Ernte © Emina Ida / WWF Canada
Inuit Guardians bei der Eis-Ernte © Emina Ida / WWF Canada

Schon jetzt gibt es dank der Aqviqtuuq Inuit Protected and Conserved Area (IPCA) Arbeit. Fünfköpfige Teams – die Inuit Guardians – ernten Nahrungsmittel für ihre Gemeinden, führen Umweltüberwachungsprojekte durch und beteiligen sich an Forschungsarbeiten, indem sie Proben nehmen und Tiere beobachten. Die von ihnen gesammelten Daten unterstützen die Regierung bei ihren Schutzbemühungen.

Darüber hinaus bilden sie die nächste Generation von Guardians aus und geben ihr Inuit-Wissen weiter, das sie selbst „Inuit Qaujimajatuqangit“ oder kurz „IQ“ nennen.

Den Arbeitsplätzen, die der Bergbau für vielleicht zwanzig Jahre schaffen würde, stehen die Arbeitsplätze gegenüber, die dank der IPCA über Generationen erhalten bleiben und darüber hinaus dazu beitragen, das Gebiet zu schützen, statt es zu zerstören.

„Vielleicht wird es in Zukunft auch weibliche Guardians geben, ich kenne ein paar junge und erwachsene Frauen, die sich sehr für diesen Job interessieren.“

Elizabeth Aiyout, Taloyoak Umaruliririgut Association

Wichtige Nebeneffekte

In den Böden von Aqviqtuuq sind mehr als 554 Millionen Tonnen des Klimagases CO2 gespeichert, der Erhalt des Gebietes ist somit auch ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz.

Die IPCA als Schutzgebiet würde die Ernährung der lokalen Bevölkerung durch nachhaltige Fischerei sichern, aber auch zu wirtschaftlicher Entwicklung führen, da Kleinfischereien, Ausrüstungsstützpunkte und Tourismusangebote entstehen könnten.

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