In den entlegenen Grenzgebieten zwischen Thailand und Myanmar erstreckt sich eine der letzten großen Waldlandschaften Südostasiens. Hier, im sogenannten Western Forest Complex Thailands finden zahlreiche bedrohte Tierarten – von Tigern, Leoparden und Elefanten bis hin zu seltenen Vögeln und Reptilien – einen geschützten Lebensraum. Südostasiens Tigern bieten Thailands westliche Wälder einen der letzten sicheren Rückzugsorte. Doch eine Art ist ist viel zu selten – die Sambar-Hirsche.
Warum Sambars wichtig für den Regenwald sind
Bis zu 260 Kilogramm schwer kann ein männlicher Sambar-Hirsch werden und ein stattliches Geweih entwickeln. Sambars fressen Blätter und Früchte von Sträuchern und Bäumen. Der dichte Dschungel braucht Pflanzenfresser wie sie als Gärtner seiner Vegetation.
Vor allem aber sind die Sambar-Hirsche selbst wichtiger Teil der Nahrungskette und eine der Hauptnahrungsquellen für Fleischfresser wie den Tiger. Ihr Fehlen hinterlässt eine Lücke, die den Fortbestand der Tiger und die Erholung ihrer Populationen in Südostasien gefährdet. Denn Thailands westliche Wälder waren nicht immer so gut geschützt und frühere Wilderei hat die Sambar-Bestände derart einbrechen lassen, dass sie sich nicht von alleine erholen können.
Tiger brauchen nicht nur ausreichend Beutetiere, sondern auch große Mahlzeiten. Von Beute, die unter 50 Kilogramm wiegt, können sie sich auf Dauer nicht ernähren, denn der energetische Aufwand der Jagd steht in keinem guten Verhältnis zur Nahrungsenergie, den solch kleinere Tiere den Raubkatzen bieten. Und hungrig haben die Bestände der Tiger keine Chance, sich zu erholen.
Video: So werden Sambar-Hirsche ausgewildert
Pionierarbeit Sambar-Auswilderung
Im Sommer 2021 wilderte der WWF in Zusammenarbeit mit den thailändischen Department for National Parks deshalb erstmalig 32 Sambar-Hirsche im Mae-Wong-Nationalpark im Westen Thailands aus. 2022 kam der benachbarte Khlong-Lan-Nationalpark als weiteres Auswilderungsgebiet hinzu. Und im Mai 2025 konnten im Salakpra Wildlife Sanctuary, das ebenfalls im Oberen Westlichen Waldkomplex liegt, erstmals 15 Sambar ausgewildert werden.
Insgesamt wurden in den fünf Jahren seit Beginn der Auswilderungen 149 Sambar-Hirsche in die Freiheit entlassen. Einige der ausgewilderten Weibchen haben bereits Junge bekommen – ein ermutigendes Indiz dafür, dass die in Gefangenschaft geborenen und aufgewachsenen Tiere sich gut an ihren neuen Lebensraum anpassen.
Trotzdem stagniert bislang die Anzahl der Sambars in den Projektgebieten. Der Grund dafür: Den erfolgreichen Auswilderungen und ersten wild geborenen Hirschen steht eine große Anzahl Prädatoren gegenüber. Neben dem Tiger, dessen Population durch die Wiederansiedelung der Sambars gestärkt werden soll, gehören die Hirsche auch zu den Beutetieren von Leoparden und Asiatischen Windhunden, welche ebenfalls im Mae-Wong- und Khlong-Lan-Nationalpark heimisch sind.
Auch Rückschläge liefern wichtige Erkenntnisse
Ab dem kommenden Jahr ist ein deutlicher Anstieg der Anzahl auswilderbarer Sambar-Hirsche zu erwarten, denn die bestehende, erfolgreiche Zusammenarbeit mit der thailändischen Nationalparkbehörde konnte durch weitere Partner verstärkt werden, darunter der thailändischen Zooverband und die Behörde für Viehzuchtentwicklung. Insgesamt unterstützen nun neun Zuchteinrichtungen für Sambar-Hirsche das Programm.
Die Wiederansiedelung der tropischen Hirsche ist wahre Pionierarbeit. Daher sind die Erfahrungen, die seit 2021 gesammelt werden konnten, unverzichtbar für den langfristigen Erfolg. Und es bedarf weiterhin enger wissenschaftlicher Begleitung, um mehr Informationen über das Sozialverhalten der ausgewilderten Hirsche und ihre Überlebensrate zu sammeln.
Wissenschaftliche Begleitung mittels GPS-Halsbänder
Wie viele Sambar-Männchen und -Weibchen können und müssen auf welchem Raum ausgewildert werden, um eine ausreichend stabile Population zu gewährleisten? Welcher Zeitpunkt ist hierfür günstig? Wie passen sich die Tiere ihrem neuen Lebensraum an? Und wie kann dieser weiter optimiert werden – etwa indem verloren gegangenes Grasland ersetzt und neue Salzlecken geschaffen werden?
Um Erkenntnisse für das künftige Auswilderungsprogramm zu gewinnen, sind alle Sambar mit Satellitensendern ausgestattet. Die Sensoren in den GPS-Halsbändern zeichnen die Bewegungen der Hirsche auf, welche von unserem Team in Thailand ausgewertet werden. So konnte beispielsweise festgestellt werden, dass die ausgewilderten Tiere schnell Verhaltensmuster annehmen, die denen ihrer wilden Verwandten ähneln, und es gibt Hinweise darauf, dass Sambar im Alter von zwei Jahren die beste Überlebenschance in der Wildnis haben.
Stabile Sambarpopulation führt zu Anstieg der Tigerzahlen
Diese Art der Naturschutzarbeit ist nicht nur in den großen, geschützten und zusammenhängenden Waldlandschaften in Thailands Westen sehr wichtig, die das Potential haben, Tigern und zahlreichen anderen Lebewesen ein einzigartiges Zuhause zu bieten. Sondern auch grenzübergreifend für die ganze Region ist solch ein Engagement unerlässlich für die Zukunft vieler weiterer Generationen.
Der WWF und seine Partner vor Ort setzen ihr Engagement im Oberen Westlichen Waldkomplex mit verstärkter Kraft fort, um über einen Anstieg der Beutetierpopulationen auch einen Anstieg der Tigerzahlen zu erreichen.
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