Izac Francisco Theobald ist Naturschutztechniker des WWF in Brasilien. Von Dezember bis in den Frühling war er im Auftrag des WWF und seiner Partnerorganisationen tief im Amazonasgebiet unterwegs, um Hilfspakete zu verteilen. Im Gespräch erzählt er von Pannen und seiner Arbeit, von der Schönheit des Amazonas und dem Kummer der Menschen. Doch was ihm von der Aktion bleibt: Das Glück in den Gesichtern der Menschen und viele Danksagungen.

Hallo Izac. Würdest du dich kurz vorstellen?

Mein Name ist Izac Francisco Theobald. Auf der weiterführenden Schule habe ich eine Ausbildung in den Bereichen Landwirtschaft, Forsttechnik und Geoverarbeitung absolviert. Derzeit studiere ich Umweltmanagement. Gleichzeitig arbeite ich als Conservation Technician beim WWF Brasilien und unterstütze die Umsetzung von Feldprojekten im Süden des Amazonas, indem ich Mitarbeiter der Organisation selbst, Partner und Dienstleister unterstütze und mit Partnern aus dem öffentlichen und privaten Netzwerken kommuniziere.

Wie bist du zum WWF gekommen und wie lange arbeitest du schon für den WWF?

Offiziell kam ich im Mai 2018 mit einem Beratervertrag zur technischen und logistischen Unterstützung zum WWF-Brasilien. Ich half den Mitarbeiter:innen bei einem Projekt zur Einkommensgenerierung mit Schwerpunkt auf gemeindebasiertem Tourismus in Barra de São Manoel, einer Gemeinde in der Nähe der Stadt Apuí, im Süden des Bundesstaates Amazonas. Aber eigentlich bin ich mit dem WWF-Brasilien schon seit 2006 vertraut, als die Juruena-Apuí-Expedition durchgeführt wurde. Damals wollten wir Druck auf die brasilianische Regierung ausüben, endlich die Schaffung des Juruena-Nationalparks in die Wege zu leiten. Es folgten mehrere andere Expeditionen im Süden von Amazonas, im Norden des Bundesstaates Mato Grosso und im Mosaik des südlichen Amazonas (MAM). Als sich die Gelegenheit ergab, für den WWF im Süden des Amazonas beratend zu arbeiten, schickte ich einen Vorschlag, der auch angenommen wurde. Nach ein paar Monaten wurde mir eine feste Stelle angeboten. Es macht mich stolz und ich freue mich hier zu sein.

Woran arbeitest Du im Moment haupsächlich?

Paranuss Ernte im Wald © Adriano Gambarini / WWF Living Amazon Initiative
Paranuss Ernte im Wald © Adriano Gambarini / WWF Living Amazon Initiative

Ich arbeite daran, die Umsetzung des Projekts zur Einkommensgenerierung in der Gemeinde Barra de São Manoel abzuschließen, wobei ich mich auf die Verbesserung der Paranuss-Ernte, die Fertigstellung der Renovierung einiger Einrichtungen in der Schule und das Bohren eines Brunnens konzentriere, damit die Bewohner eine bessere Wasserqualität für den Verbrauch haben.

Warum ist deine Arbeit wichtig für dich?

Diese Arbeit ist wichtig für mich, weil sie meine Verbindung zum Süden des Amazonas aufrechterhält. Einer Region, der ich mich seit 17 Jahren, seit der Konzeption des Apuí-Mosaiks verschrieben habe. Die Idee des gemeindebasierten Projekts zur Einkommensgenerierung in Barra de São Manoel, in dem ich arbeite, kam 2013 während der WWF-Brasilien-Expedition entlang des Juruena-Flusses auf. Heute ist es dank der Gründung des Mosaiks des südlichen Amazonas (MAM), das die Arbeit mehrerer Organisationen zur Verwaltung eines Gebiets von mehr als 7,5 Millionen Hektar vereint, Realität geworden. Aus diesem Grund fühle ich mich von Anfang an als Teil des Projekts zur Einkommensgenerierung. In jüngerer Zeit hat mich meine Arbeit auch mit der Allianz für die Entwicklung des Südens des Amazonas verbunden, die Führungskräfte aus dem öffentlichen und privaten Sektor zusammenbringt, um öffentliche Maßnahmen zu diskutieren. Diese Maßnahmen sollen die ökologischen und sozialen Auswirkungen an der Entwaldungsfront minimieren. Trotz aller Herausforderungen und Schwierigkeiten fühle ich mich erfüllt, wenn ich eine so relevante Arbeit mache, die hilft, den Wald zu erhalten.

Was waren die größten Herausforderungen in dem Notfallprojekt gegen Covid-19?

Was das BENGO-Notfallprojekt gegen Covid-19 betrifft, waren die überwundenen Herausforderungen angesichts der Ergebnisse unbedeutend. Alle Hindernisse wurden auf natürliche Weise aus dem Weg geräumt. Es schien, als würden sich Türen öffnen, wo immer wir vorbeikamen. Wir hatten zum Beispiel eine Panne am Fahrzeug eines Partners, was aber schnell behoben wurde. Wir brauchten zusätzliche logistische Unterstützung, um Lebensmittel und Hygienesets in die am weitesten entfernten Gemeinden zu bringen, da die verfügbaren Fahrzeuge das übermäßige Gewicht nicht tragen konnten. Aber auch hier bekamen wir durch gute Absprachen schnelle Lösungen. Trotz aller unvorhergesehenen Ereignisse gelang es uns, die Aktivitäten planmäßig durchzuführen. Lokale Kontakte und Partnerschaften erleichtern die Durchführung von Notfallprojekten wie diesem erheblich.

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Du warst für die Verteilung von mehr als 7.000 Lebensmittel- und Hygienekits in neun Gemeinden im Süden von Amazonas verantwortlich - das scheint eine große organisatorische Aufgabe zu sein. Erzähle uns, wie dies erreicht wurde!

Es ist unmöglich, eine Aufgabe dieser Größenordnung alleine zu bewältigen. In Anbetracht der Dringlichkeit, des riesigen Gebiets, der Anzahl an beteiligten Personen ... und all das inmitten einer Pandemie, mit strengen sozialen Isolationsregeln und Reisebeschränkungen: Der Aufwand im Team war enorm. Wir hatten Leute aus vier Bundesstaaten: Amazonas, Acre, Brasília und São Paulo. Verträge mit Partnern wurden zum Beispiel in Brasília aufgesetzt und analysiert. Ein Teil des Kommunikationsteams, das sich in São Paulo befand, stand in ständigem Kontakt, um die Berichterstattung zu realisieren. Henrique Santiago Alberto Carlos, ein leitender Naturschutzexperte des WWF-Brasilien mit Sitz in Manaus, der maßgeblich an der Leitung des Projekts beteiligt war, musste alle Kontakte zu Partnern wie Gewerkschaften und Verbänden knüpfen, da die Verkehrsanbindung im Süden des Amazonasgebiets sehr prekär ist. Mehrere andere Bereiche des WWF-Brasilien waren involviert und haben sich ebenfalls bemüht, alles zu realisieren. Es gab eine Task Force, die unglaublich synchron gearbeitet hat. Ohne die lokalen Organisationen wären wir niemals in der Lage gewesen, all diese Lebensmittel und Hygieneartikel in so kurzer Zeit in die Hände derer zu bringen, die sie wirklich brauchen. Auch die Solidarität der Händler ist erwähnenswert: Die Lebensmittel im Süden des Amazonas sind sehr teuer, viel teurer als in anderen Regionen des Landes. Aber die meisten lokalen Händler haben die Produktpreise gesenkt. So erhielten die Warenkörbe der Grundversorgung sozusagen ein Upgrade und wurden recht "prall".

Übergabe der Hilfspakete © Andre Dib / WWF Brasil
Übergabe der Hilfspakete © Andre Dib / WWF Brasil

Die Stärkung von lokalen und basisnahen Organisationen ist essentiell, um den Bedürfnissen und Forderungen der Völker des Amazonasgebietes eine Stimme zu geben. Ohne diese Partnerschaften wäre die Arbeit von Organisationen wie dem WWF-Brasilien sehr viel schwieriger und wir wären zweifellos nicht in der Lage, viele der Orte zu erreichen, an denen wir heute tätig sind. Auf diesem Weg können wir mehr Menschen helfen und gleichzeitig Naturschutzprojekte voranzutreiben. Wegen des Mangels an öffentlicher Politik in Brasilien können die ärmsten Bevölkerungsschichten oft nur auf die Aktionen von Organisationen der Zivilgesellschaft zählen.

Kannst Du uns eine positive und eine negative Anekdote erzählen?

Das Glück in den Gesichtern der Menschen zu sehen, die die Lebensmittel mit den Grundgütern erhalten haben, ist unbezahlbar. Es gab viele Danksagungen und das hat mich berührt. Der Amazonas-Winter mit starkem Regen ist nicht so gut für diejenigen, die vom Fischfang oder der Familienlandwirtschaft leben. Der Fischfang wird schwieriger, da sich die Flüsse füllen und die Fische abwandern. Der Regen verhindert auch die Arbeit in den kleinen Farmen. Aufgrund der Pandemie und der exorbitant gestiegenen Lebensmittelpreise trauen sich viele Menschen nicht in die Städte, um die wenigen Produkte, die sie anbauen konnten, zu verkaufen.

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Viele Familien berichteten, dass die Lebensmittel genau im richtigen Moment auf ihren Tischen ankamen. Der Fall einer Frau aus der Gemeinde Conceição zum Beispiel hat mich sehr bewegt: Sie ist Mutter von neun Kindern und hat im Oktober 2020 ihren Mann verloren, dessen klinischer Zustand aus viel Husten und starken Kopfschmerzen bestand. Aber sie kennt die Todesursache nicht sicher. Diese Familie lebt weit entfernt von den Zentren der beiden Gemeinden Apuí und Novo Aripuanã. Unsere Hilfsgüter kamen inmitten einer finanziellen Krise, zu einer Zeit, als diese Frau orientierungslos war und nicht wusste, wohin sie gehen und an wen sie sich wenden sollte. Sie hatte nicht die Möglichkeit zu studieren und erhielt von niemandem, von keiner Organisation, eine Beratung, damit sie eine Rente, eine Nothilfe oder Bolsa Família (das wichtigste nationale Sozialhilfeprogramm) beantragen konnte. Wir haben ihr zwei Pakete mit Grundnahrungsmitteln mitgegeben, damit die Familie wenigstens bis Anfang des Jahres etwas zu essen hat.

Andererseits war es auch sehr traurig, den Kummer der Menschen aufgrund der Vernachlässigung durch die Regierung zu sehen. In den Orten, die am weitesten vom städtischen Ballungsraum entfernt sind, hatte man das Gefühl, in einer Region zu sein, die nicht zu dem Gebiet gehört, zu dem wir gehören. Es ist eine andere Welt, eine Realität, die dem widerspricht, was wir für den Amazonas erwarten. In den Augen von Außenstehenden ist der Amazonas schön, großartig, poetisch, sogar ein Märchen. Aber dort zu leben und den Amazonas in seiner Wesensart zu erleben, ist eine andere Geschichte.

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