Mühsam kämpfen sich mehrere Pickups über staubige Pisten und schmale Brücken immer tiefer in den Amazonas. Sie bringen das Nötigste dorthin, wo die Not groß ist: Zu den abgeschiedenen, ländlichen und indigenen Gemeinden inmitten des brasilianischen Regenwaldes, deren Zugang zur Gesundheitsversorgung schwer ist und deren Nahrung seit Beginn der Corona-Pandemie immer knapper wird.

Corona im Staat Amazonas

Corona hat Brasilien fest im Griff und den nördlichen Bundesstaat Amazonas trifft es besonders hart. Über 300.000 Fälle von Covid-19 wurden dort bis Anfang März 2021 registriert. Doch Krankenhäuser mit Intensivbetten gibt es nur in der Hauptstadt Manaus und diese sind längst mehr als überlastet. Aufgrund des Mangels an Sauerstoffflaschen sind in den letzten Wochen hier Dutzende Patient:innen gestorben.

Schwerkranke aus dem Landesinneren müssen nach Manaus gebracht werden, will man sie retten. Für die Menschen in den traditionellen Flussufergemeinden des Regenwaldes besteht allerdings kaum eine Chance, rechtzeitig ins Krankenhaus zu gelangen.

„Hier gibt es nur Gott“

Luzmarina Cardoso de Souza (rechts) © Andre Dib / WWF-Brazil
Luzmarina Cardoso de Souza (rechts) © Andre Dib / WWF-Brazil

„Hier gibt es keinen Gesundheitsdienst, hier gibt es nur Gott. Zum nächsten Arzt fährt man zwei Tage mit dem Boot.“ Bäuerin Luzmarina Cardoso de Souza lebt am Fluss Aripuanã etwa 500 Kilometer südlich von Manaus. In den Gemeinden der Region mangelt es nicht an Berichten über Bewohner:innen mit klassischen Corona-Symptomen. Die Menschen können sich kaum schützen. Es fehlt an Masken, an Desinfektionsmitteln und an einfachster medizinischer Versorgung. Aber es fehlt mit dem Andauern der Pandemie auch zunehmend an Nahrungsmitteln und dem Nötigsten zum Leben.

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Hilfe kommt vom WWF

Mehr als 170 Tonnen Lebensmittel, Masken und Hygiene-Artikel konnte der WWF seit Anfang Dezember 2020 an mehr als 7.000 bedürftige Familien in Dörfern wie dem von Luzmarina Cardoso de Souza verteilen. Darunter auch indigene Gemeinden. Verschiedene Gesundheitsposten innerhalb indigener Territorien werden darüber hinaus mit dringend benötigter medizinischer Ausrüstung wie Masken, Alkoholgels, Overalls, Tragen, Pulsoximetern und digitalen Thermometern ausgestattet. Die Lieferungen führen die Indigenen selbst durch, da zum Schutz vor Corona momentan niemand die indigenen Territorien betreten kann.

Die aktuelle Nothilfe ist die jüngste Aktion von vielen. Seit die Pandemie das Land erreicht hat, arbeitet der WWF in Brasilien daran, das Leiden der am meisten gefährdeten Bevölkerungsgruppen zu verringern.

Land im Regenwald

Mit mehr als 1,5 Millionen Quadratkilometern, einer Fläche wie der von Spanien, Frankreich und Deutschland zusammen, ist Amazonas der größte brasilianische Bundesstaat. Er beherbergt einen Großteil der indigenen Bevölkerung des Landes und ist fast vollständig vom Amazonas-Regenwald bedeckt. Amazonas ist auch der Bundesstaat mit dem höchsten Anteil an Indigenen, die durch Covid-19 starben. Dazu kommen dramatische wirtschaftliche Auswirkungen der Krise, mit denen die ländlichen und indigenen Gemeinden hier zu kämpfen haben.

„Wir wurden immer vergessen“

Cleonice da Silva Pinheiro © Andre Dib / WWF-Brazil
Cleonice da Silva Pinheiro © Andre Dib / WWF-Brazil

„Während der ganzen Zeit dieser Pandemie war niemand hier. Die Zufahrtsstraßen zur Stadt wurden gesperrt. Wir wurden immer vergessen", erzählt die 34-jährige Bäuerin Cleonice da Silva Pinheiro dem Hilfsteam des WWF. Sie lebt im Dorf Santa Rita am Fluss Tapajós bei Apuí und nahe der Grenze zum Bundesstaat Pará. „Ich habe vier kleine Kinder. Diese Lebensmittel zu erhalten, macht den Tag heute zu einem sehr glücklichen Tag!“

Die Corona-Krise hat die ohnehin historisch hohen Lebensmittel- und Kraftstoffpreise der Region weiter in die Höhe getrieben. Gleichzeitig können die Bauern das wenige, was sie anbauen, nur zu unverhältnismäßig geringem Erlös verkaufen. Immer wieder hörte das Team des WWF, dass die humanitäre Hilfe gerade zur rechten Zeit eintraf. Doch der Weg dorthin war nicht leicht.

Hilfe für eine stark betroffene Region

WWF-Mitarbeiter Izac Theobald © Andre Dib / WWF-Brazil
WWF-Mitarbeiter Izac Theobald © Andre Dib / WWF-Brazil

Der Süden des Bundesstaates Amazonas, wo die WWF-Hilfsgüter verteilt werden, ist von Umweltverbrechen gezeichnet. Mehr als 90 Prozent der Entwaldung des gesamten Bundesstaates und über zwei Drittel der Brände konzentrierten sich 2020 auf diese Region. In den Wäldern, von denen die Menschen hier leben, klaffen riesige Löcher. Die Gemeinden sind durch Landraub bedroht, verarmt und von Gesundheits- wie Bildungspolitik im Stich gelassen.

„Der Amazonas mit seiner Vielfalt an Menschen, Wäldern und Flüssen ist unendlich schön, wunderschön, geradezu poetisch. Aber den Amazonas vor Ort zu erleben, ist eine andere Geschichte.“ Izac Theobald ist als Naturschutztechniker des WWF Brasilien an Planung und Durchführung der Hilfsaktion beteiligt. „Täglich dort zu sein und die Schwierigkeiten zu erleben, die die Menschen täglich durchmachen. Dazu den Mangel an Unterstützung und eine Politik, die nicht ankommt. Das ist wirklich hart.“

Die Krise verstärkt die Ungleichheiten und verschärft gleichzeitig die Gefahr von noch mehr Raubbau an der Natur. Langfristigen Schutz der Wälder kann es nur gemeinsam mit den Menschen vor Ort geben. Und diese brauchen jetzt Hilfe.

Die Nothilfemaßnahmen finden im Rahmen eines vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung geförderten Projektes statt. Der WWF setzt diese zusammen mit der Allianz für nachhaltige Entwicklung im Süden des Amazonas und der Koordination der indigenen Organisationen des brasilianischen Amazonasgebietes (COIAB) um.

Update: Vielen Dank für die großartige Unterstützung

Viele Menschen sind durch die Ausbreitung des Covid-19-Virus in existenzielle Not geraten. Und sehr viele WWF-Unterstützer:innen haben geholfen. Herzlichen Dank an alle! Mit Ihrer Spende haben Sie zahlreiche Communities in den WWF-Projektgebieten weltweit unterstützt und dafür gesorgt, dass jahrzehntelange Naturschutzarbeit zusammen mit den Menschen dort nicht durch Corona zunichte gemacht wurde. Der WWF setzt sich dafür ein, dass zukünftige Pandemien verhindert werden. Arten- und Naturschutzarbeit schützt vor Zoonosen.

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