In der Provinz Napo leben viele Menschen von Viehzucht, Aquakultur und Landwirtschaft. Hierbei ist der Anbau von Kakao, Kaffee und Mais von besonderer Relevanz. Die Auswirkungen des Klimawandels in diesen Sektoren ist schon jetzt spürbar. Aussaat- und Erntezyklen verschieben sich, extreme Regenfälle sowie steigende Temperaturen haben direkten Einfluss auf die Kakaoernte. Deshalb liegt die Zukunft in resilienteren Agroforstsystemen, die diversifizierte Einkommensquellen ermöglichen und Ernährungssicherheit gewährleisten können. Hierbei lohnt sich ein besonderer Blick auf die Rolle der Frau, denn die Klimakrise betrifft nicht alle gleich: 80 Prozent der durch die Klimakrise vertriebenen Menschen sind Frauen. Gleichzeitig tragen Frauen deutlich weniger zur Klimakrise bei als Männer, da ihnen global betrachtet schlichtweg die finanziellen Ressourcen fehlen. Die reichsten 22 Männer der Welt verfügen über mehr Vermögen als alle Frauen in Afrika zusammen.
Kakaolieferketten zeichnen sich bis heute durch strukturelle Ungleichheit aus. Grundbesitzverhältnisse, Zugang zu Krediten und landwirtschaftlichen Schulungen sind nur wenige von vielen Möglichkeiten, die Frauen weniger haben. Gleichzeitig spielen sie eine entscheidende Rolle in der Ernährungssicherheit ihrer Familien und Gemeinschaften.
Hüterinnen des Waldes
In der ecuadorianischen Amazonasregion Napo spielen indigene Frauen eine sehr wichtige Rolle in der landwirtschaftlichen Produktion. (56 Prozent der Bevölkerung Napos identifiziert sich als Indigen).
Im Kakaosektor sind sie oft verantwortlich für das Hüten der „Waldgärten“, auch Chakras genannt, in denen bis zu hundert Pflanzenarten nebeneinander vorkommen. Auch wenn die Chakras kulturell als „weibliche Räume“ gesehen werden, gehört ihnen das Land nur in Ausnahmefällen der Vererbung. In der Amazonasregion sind laut nationaler Landwirtschaftszählung 88% der Landwirt:innen männliche und nur 12% weibliche Eingentümer:innen. Gemeinsames Eigentum ist nicht bekannt. Dieser ungleiche Ausgangswert schafft Abhängigkeitsstrukturen.
Mehr Arbeit durch unbezahlte Care-Arbeit
Eine neuste Studie des WWF Ecuador zur Geschlechtergerechtigkeit in drei Kakaokooperativen im Napo kommt zu interessanten Ergebnissen: Ungefähr gleich viele Frauen wie Männer arbeiten in der Region in der Landwirtschaft (je zu 30 Prozent). Gleichzeitig arbeiten die Frauen der Region laut einer speziellen Zeiterhebungsstudie jedoch 16 Stunden pro Woche mehr als Männer. Dies lässt sich auf unbezahlte Care-Arbeit zurückführen. Bezogen auf die Arbeitsstunden, die sich Männer und Frauen landwirtschaftlichen Tätigkeiten widmen, ist festzustellen, dass Frauen doppelt so viele Stunden mit Aktivitäten der Selbstversorgung verbringen. Kichwa-Frauen fokussieren sich hierbei insbesondere auf den Anbau von Yuca und Banane.
Fortschritte für die Gleichstellung
Ecuador hat bedeutende Fortschritte in der Gleichstellung der Geschlechter erzielt: Als erstes lateinamerikanisches Land hat es 1929 das Frauenwahlrecht eingeführt. Die ecuadorianische Regierung hat außerdem wichtige Menschenrechtsabkommen ratifiziert – darunter das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW). Diese Abkommen legen klare Rahmenbedingungen fest, die als Basis für die nationale Politik dienen, um die Gleichstellung der Geschlechter zu fördern.
Warum das noch lange nicht reicht
Trotz dieser Fortschritte sind ecuadorianische Frauen, insbesondere in ländlichen und indigenen Gemeinschaften, mit signifikanten Ungleichheiten und Gewalt konfrontiert. 65 Prozent aller Frauen in Ecuador sind von geschlechtsbasierter Gewalt betroffen. Drei von vier Frauen sind arbeitslos oder unterbeschäftigt und in vielen Sektoren herrscht ein geschlechtsspezifisches Lohngefälle. Dafür verrichten sie 76 Prozent der unbezahlten häuslichen Pflegearbeit, was aufgrund von finanziellen und zeitlichen Einschränkungen ihre soziale und wirtschaftliche Beteiligung erheblich begrenzt.
Bittere Schokolade, zumindest für Frauen
Kakao gilt in vielen Anbauländern als „männliche" Kulturpflanze. Das bedeutet, dass in der Kakaoproduktion überwiegend Männer arbeiten. Die geringe Mechanisierung und der hohe Bedarf an körperlicher Arbeit verstärken diesen Effekt.
Auch in Ecuador, dem zurzeit drittgrößten Kakaoproduzenten der Welt, sind Frauen in diesem Sektor oft von Entscheidungsprozessen ausgeschlossen und bekommen zu selten Zugang zu Landkrediten oder Fortbildungen. Dies führt zu erheblicher Chancenungleichheit zwischen Frauen und Männern und großen Einkommensunterschieden.
Maßnahmen zur Förderungen von Frauen
Bei einem vom BMZ initiierten und von der GIZ unterstützten Projekt arbeitet der WWF mit drei Kooperativen im Amazonas zusammen und fördert dort den nachhaltigen Anbau von Kakao in Agroforstsystemen. Obwohl hier ein Großteil der Belegschaft bereits weiblich ist, bleiben Führungspositionen, Landbesitz und internationale Geschäftsreisen überwiegend in männlicher Hand.
Um diese Ungleichheiten anzugehen, führte der WWF im Jahre 2024 eine Analyse der Geschlechterdynamiken in den indigenen Kakao-Erzeugergemeinschaften Kallari, Wiñak und Tsatsayaku durch. Basierend auf den Daten wurde eine gezielte Strategie zur Förderung der Gleichstellung von Mann und Frau im WWF-Projekt formuliert. Ziel ist es, die geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der Beteiligung und dem Zugang zu Entscheidungsrollen in den drei Verbänden zu reduzieren.
Soziale Barrieren und Stereotypen limitieren die Partizipation von Frauen in Führungsposition genauso wie den direkten Zugang zu natürlichen Ressourcen. Allerdings ist der Zugang zu gesundheitlicher Versorgung für Männer und Frauen gleich schlecht und unbefriedigend. Dies kann bei einer körperlicher Arbeit wie im Kakaosektor gefährlich da sein, da eine schnelle Versorgung nicht gewährleistet ist.
Konkrete Maßnahmen des WWF zur Stärkung der Rolle der Frauen
Innerhalb des Projektes führt der WWF konkrete Maßnahmen für die Förderung und Stärkung der Frauen innerhalb der Kooperativen durch. Zum Beispiel können die Frauen Soft Skills wie Führungsqualitäten, Teamarbeit und Projektplanung vermittelt bekommen. Mit diesen können die Frauen dann Zugang und Unterstützung zu Führungs- und Managementfunktionen - sofern sie danach streben - in den drei Verbänden erhalten, um diese erfolgreich ausüben zu können.
Damit Frauen uneingeschränkt an Workshops und Versammlungen teilnehmen können, wird die Einrichtung von mobilen Kinderkrippen gefördert. Um klassische Geschlechterstereotypen und patriarchalische Strukturen aufzubrechen, werden außerdem Workshops zur Sexualerziehung für Jugendliche veranstaltet.
Ziele dieser Angebote des WWF sind die Förderung der aktiven Beteiligung von Frauen an der Entscheidungsfindung in den Erzeuger:innen-Gemeinschaften. Zudem sollen sie die Basis für die Entwicklung gesunder und geschlechtergerechter Organisationen entlang der gesamten Kakao-Lieferkette bilden. Außerdem achtet der WWF sehr darauf, dass auch junge, indigene Mütter die Möglichkeit erhalten, an Unternehmens- oder Messebesuchen in Europa teilzunehmen.
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