Dass intakte Wälder eine natürliche Barriere gegen Zoonosen bilden, wissen wir spätestens seit der Covid-19-Pandemie. Wir wissen auch, dass Wälder und Ökosysteme in indigenen Territorien besonders intakt sind. Die Bedeutung dieser Gebiete für die menschliche Gesundheit ist bisher kaum erforscht. Eine aktuelle Studie aus Brasilien schließt diese Lücke und zeigt: Indigene Territorien sind lebendiger Gesundheitsschutz, von dem auch Menschen profitieren, die außerhalb dieser Gebiete leben.

Überall dort, wo indigene Gemeinschaften leben, zeigt sich ein ähnliches Bild: Die Natur ist widerstandsfähiger, die Wälder dichter und die Tierwelt artenreicher. Indigene Völker gelten nicht ohne Grund als Hüter des Waldes. Ihre Lebensweise ist eng mit der Natur verwoben, die indigenen Gemeinschaften bewahren Wissen, das über Generationen weitergegeben wurde.

Indigene Territorien für gesunde Wälder

Illegale Entwaldung im Gebiet der Uru-Eu-Wau-Wau in Brasilien © Marizilda Cruppe / WWF-UK
Illegale Entwaldung im Gebiet der Uru-Eu-Wau-Wau in Brasilien © Marizilda Cruppe / WWF-UK

Studien zeigen: Nirgendwo wirken Schutzgebiete so gut wie in indigenen Territorien. Diese Gebiete schneiden sogar besser ab als viele Nationalparks.

In Brasilien fielen zwischen 1990 und 2020 lediglich rund 1,2 Prozent der indigenen Flächen der Abholzung zum Opfer – ein beeindruckender Wert angesichts der massiven Entwaldungsfront, die den Amazonas bedroht.

Heute sichern rund 6.500 indigene Territorien fast ein Drittel des gesamten Regenwaldes. Ohne sie wäre der größte tropische Waldkomplex unseres Planeten wohl längst verloren. Die indigenen Gemeinschaften sind entscheidende Akteure im Kampf gegen die schlimmste Entwaldungsfront weltweit.

Der One-Health-Ansatz

Gruppe Waldschützer:innen in Kolumbien © Luis Barreto / WWF UK
Gruppe Waldschützer:innen in Kolumbien © Luis Barreto / WWF UK

Gesunde Wälder sind wichtig für die Gesundheit der Menschen, die in ihnen leben. Sie liefern saubere Luft, sauberes Wasser, Nahrung und regulieren das Klima.

Zudem schützen sie vor Krankheiten: Spätestens mit der Covid-19-Pandemie wurde die untrennbare Verbindung von Mensch, Umwelt und Gesundheit mehr als deutlich. Wenn Wälder gerodet werden und immer mehr Menschen in abgelegene Gebiete vordringen, finden Viren leichter einen Weg zu neuen Wirten und es entstehen Zoonosen. Der One-Health-Ansatz beschreibt diese Abhängigkeit von Mensch, Umwelt und Gesundheit.

Wir wissen also, dass intakte Wälder die Gesundheit der Menschen stärken. Wir wissen auch, dass indigene Territorien zu den intaktesten Waldgebieten der Erde zählen. Doch wie hoch ist die Bedeutung dieser Territorien genau?

Dieser Frage ging Julia Barreto von der Universität Sao Paulo zusammen mit ihrem Team in einer aktuellen Studie nach. Die Ergebnisse sind eindeutig: Indigene Territorien schützen vor Krankheiten. Und zwar auch Menschen, die außerhalb dieser Territorien auf gerodeten Flächen leben. Ganz konkret: In Regionen nahe indigener Schutzgebiete treten deutlich weniger Fälle von Malaria und anderen Krankheiten auf, als in stark abgeholzten Gebieten.

Indigene Territorien halten gesund

Die Ureinwohner der Nawa unternehmen einen Ausflug, um das Territorium zu überwachen und sich selbst abzugrenzen © Monitoringteam Nawa
Die Ureinwohner der Nawa unternehmen einen Ausflug, um das Territorium zu überwachen und sich selbst abzugrenzen © Monitoringteam Nawa

Für ihre Untersuchung analysierte das Team um Julia Barreto Daten aus fast zwei Jahrzehnten, darunter Statistiken zu 21 verschiedenen Krankheiten wie Malaria und Hantavirus-Infektionen sowie Daten zur Anzahl der Waldbrände, zum Waldanteil, zum Zustand der Wälder und zum Flächenanteil indigener Reservate.

Das Ergebnis war eindeutig: In Regionen, in denen mehr als 45 Prozent der Fläche bewaldet ist und ein Reservat existiert, sinken die Fallzahlen sowohl von feuerbegünstigten Atemwegserkrankungen wie Lungenentzündung als auch von Infektionskrankheiten wie Malaria. In Regionen mit stark degradierten oder fragmentierten Wäldern war dieser Effekt abgeschwächt oder sogar umgekehrt.

Intakte indigene Territorien wirken somit wie ein natürlicher Schutzschild – nicht nur gegen Entwaldung, sondern auch gegen die Ausbreitung von Krankheiten. Dichte Wälder filtern Schadstoffe aus der Luft und fördern stabile Ökosysteme, während eine hohe Artenvielfalt verhindert, dass Krankheitsüberträger wie Malariamücken überhandnehmen. Abholzung hingegen schafft ideale Bedingungen für ihre Ausbreitung – mit Folgen für Mensch und Umwelt gleichermaßen.

Gemeinsam für intakte Wälder

Der WWF arbeitet weltweit eng mit indigenen Gemeinschaften zusammen – von Südamerika über Afrika bis Asien – um ihren kulturellen und natürlichen Reichtum zu schützen und ihre Rechte zu stärken. Dazu gehört auch die Unterstützung bei der offiziellen Anerkennung ihrer Territorien – ein entscheidender Schritt, um ihre Lebensräume langfristig zu sichern. Denn die Indigenen wissen, wie man das Gleichgewicht der Natur bewahrt – und was es braucht, damit Wälder, Flüsse und Artenvielfalt gesund bleiben.

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