Das mehrtägige „Freies-Land“-Protestcamp der Indigenen in Brasiliens Hauptstadt endet mit einem Erfolg: Präsident Luiz Inácio Lula da Silva unterzeichnete Dekrete zur Ausweisung von sechs neuen Indigenen Territorien, zwei davon liegen im Amazonasgebiet. Außerdem begrüßt der WWF weitere politische Erfolge der Indigene.

Die Ankündigung von Präsident Lula da Silva, sechs neue Indigene Territorien anzuerkennen und damit unter staatlichen Schutz stellen zu wollen, ist ein Grund zum Feiern. Am Freitag, den 28. April 2023 hat Lula da Silva seine Ankündigung dann in die Tat umgesetzt und Dekrete zur Schaffung von sechs neuen Indigenen Territorien unterzeichnet. Damit sind diese Areale den Indigenen vorbehalten. Es sind die ersten neuen Territorien, die seit 2018 formal anerkannt wurden. Die Ausweisung der Gebiete ist ein erster wichtiger Schritt in Richtung Naturschutz, Bewältigung der Klimakrise und sozialer Gerechtigkeit in Brasilien.

Denn Studien zeigen, dass ausgewiesene und ordnungsgemäß geschützte indigene Gebiete gleichbedeutend sind mit gesundem Wald und einem Rückgang der Entwaldung. Die Lebensweise der indigenen Gemeinschaften und ihr überliefertes Wissen tragen zum Erhalt des Ökosystems bei und sind von grundlegender Bedeutung für die Eindämmung des fortschreitenden Klimawandels. Die Abgrenzung dieser Gebiete ist daher ein Schlüsselelement im Kampf gegen die weltweite Klimakrise.

Zwei wichtige Gremien nehmen Arbeit wieder auf

Ein großer Erfolg für die Indigenen in Brasilien: Die Anerkennung ihrer Territorien © Naiara Jinknss / WWF Brasilien
Ein großer Erfolg für die Indigenen in Brasilien: Die Anerkennung ihrer Territorien © Naiara Jinknss / WWF Brasilien

Neben der Ausweisung der sechs Indigenen Territorien, mit einer Fläche von über 6.000 Quadratkilometern, wurde während des „Freies Land“-Camps auch beschlossen, dass der Nationale Rat für Indigenenpolitik (CNPI) und der Verwaltungsausschusses der Nationalen Politik für das Territorial- und Umweltmanagement Indigener Gebiete (PNGATI) ihre Arbeit wieder aufnehmen. Die Arbeit des PNGATI ruhte seit 2017.

Das Ziel des PNGATI ist es, den Schutz, die Wiederherstellung, den Erhalt und die nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen der Indigenen Territorien zu gewährleisten und zu fördern. Der CNPI ist ein Gremium, an dem die Indigenen direkt beteiligt sind und das die Interessen der Indigenen bei politischen Entscheidungen wahren soll.

Der WWF Brasilien zeigt sich erfreut über die Wiederaufnahme der beiden wichtigen Gremien. Sie seien nicht nur die Erfüllung des Wahlversprechens, die Regierung wieder für die Beteiligung der Zivilgesellschaft zu öffnen, sondern vielmehr ein ganz grundlegender Schritt zur Verbesserung der Politik in Brasilien.

„Der Kampf um den Schutz des Territoriums ist nicht einfach. Aber wir werden immer Widerstand leisten. Wir überwachen weiter, denn sie greifen uns immer wieder an. Sie dachten, wir würden aufgeben. Aber wie kann eine Mutter den Kampf um die Zukunft ihrer Kinder aufgeben?“

Maria Leusa Kaba Munduruku

Indigene behalten die Hauptrolle bei der Gebietsverwaltung

Während des Protestcamps bekräftigten führende Persönlichkeiten die Rolle der indigenen Völker als Wächter des Waldes. Deshalb wollen die Indigenen ihre Territorien auch weiterhin selbst verwalten. „Wir kontrollieren und überwachen unsere Territorien selbst“, erklärt Maria Leusa Kaba Munduruku, die seit Jahren gegen den illegalen Goldabbau am Oberlauf des Tapajós-Flusses in Pará kämpft. „Es ist unsere Aufgabe und wir wissen, dass wir auf unsere Gebiete aufpassen müssen – genauso wie wir auf unsere Kinder aufpassen.

Maria Leusa erzählt, dass die sieben Territorien, in denen rund 14.000 Munduruku-Indigene leben, ständigen Übergriffen ausgesetzt seien und ihr Volk die Freiheit verloren habe, sich frei zu bewegen. Sie selbst werde mit dem Tod bedroht.

Indigene Völker kämpfen schon lange für ihre Territorien. Ein Grund, warum ihre Gebiete dem wachsenden Druck der Abholzung bisher standhalten konnten. Nach Angaben von MapBiomas entfielen nur 1,6 Prozent des Verlusts an Wäldern und einheimischer Vegetation in Brasilien zwischen 1985 und 2020 auf indigenes Land. Und da der Großteil der Treibhausgasemissionen in Brasilien aus der Abholzung stammt, ist der Schutz der indigenen Gebiete auch für die Bekämpfung der Klimakrise von entscheidender Bedeutung.

Eine Frage des Respekts

Zahlreiche Vorträge begleiteten das Protest-Camp © WWF Brasilien
Zahlreiche Vorträge begleiteten das Protest-Camp © WWF Brasilien

Thamyres Mesquita, Koordinatorin des Kanindé-Schulungsprogramms sagt, es sei auch eine Frage des Respekts, die Rolle der indigenen Völker beim Schutz ihrer Territorien sicherzustellen. „Jedes indigene Volk hat eine andere Dynamik und einen einzigartigen Blick auf seine eigenen Gebiete. Man muss ihnen zuhören und sie respektieren, indem man Maßnahmen entsprechend den Bedürfnissen und der Lebensweise der einzelnen Völker entwickelt. Dazu ist es wichtig, in Ausbildung und Ausrüstung zu investieren, die zur Autonomie dieser Völker beitragen und die Wirksamkeit der Überwachungsmaßnahmen verbessern", sagte sie.

„Der Schutz der Territorien wird seit jeher von den indigenen Völkern selbst wahrgenommen. In den letzten Jahren haben die Bedrohungen so stark zugenommen, dass die Überwachung durch indigene Beobachter:innen noch mehr an Bedeutung gewonnen hat. Ihre Aktivitäten unterstützen die Kontrolltätigkeit des brasilianischen Staates"

Vera Olinda Sena de Paiva, leitende Koordinatorin der Pro-Indigenen-Kommission des Bundesstaates Acre (CPI-Acre)

Management braucht Investitionen

Indigene aus ganz Brasilien kamen zur Indigenen Woche zusammen © WWF Brasilien
Indigene aus ganz Brasilien kamen zur Indigenen Woche zusammen © WWF Brasilien

Die indigenen Völker ergreifen nicht nur die Initiative bei der Überwachung ihrer Gebiete und bei der Ausweisung neuer Territorien, sie übernehmen in Gremien wie dem CNPI und dem PNGATI auch eine führende Rolle bei der Gestaltung der öffentlichen Politik.

„Wir Indigenen setzen die Politik in unseren Gebieten bereits in die Praxis um“, erzählt Sinéia do Vale Wapichana, Koordinatorin der Umweltabteilung des Indigenen Rates des Bundesstaates Roraima. „Wir sprechen von PNGATI und territorialen Managementplänen, aber das sind nur neue Namen für das, was wir schon immer getan haben. In Roraima haben wir fast alle territorialen Bewirtschaftungspläne erstellt und sie werden auf unsere Initiative hin und mit Unterstützung unserer Partner aus der Zivilgesellschaft umgesetzt", fügt Sinéia hinzu.

„Das Umweltmanagement ist etwas, das die indigenen Völker seit Jahrhunderten betreiben und sie müssen ermutigt werden, diese Arbeit fortzusetzen“, sag Ceiça Pitaguary, Sekretärin für Indigenes Umwelt- und Territorialmanagement des Ministeriums für indigene Völker (MPI) „Dieses Umweltmanagement erfordert hohe Investitionssummen und diese müssen Teil des Haushalts der Bundesregierung sein.“

Es bleibt noch viel zu tun

Nach Jahren eskalierender Angriffe auf indigene Gemeinschaften sind die Schaffung des neuen Ministeriums für indigene Völker unter der Leitung von Sonia Guajajara am 1. Januar 2023 und die Abgrenzung von sechs neuen Indigenen Territorien Gebieten wirksame Maßnahmen zur Gewährleistung der Rechte dieser Völker und zur Aufrechterhaltung der brasilianischen Demokratie.

Doch all das bleibt ein wichtiger erster Schritt. Es gibt noch viel zu tun, um den Regenwald zu erhalten und die Rechte der Indigenen zu wahren: Weitere Indigene Territorien müssen ausgewiesen und geschützt werden. Von diesen Gebieten hängt nicht nur das Leben der Indigenen ab, sondern die Gesundheit des Planeten – denn Regenwaldschutz ist Klimaschutz.

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