Seit 2009 arbeitet der WWF Deutschland ununterbrochen im Amazonas. Angefangen hat alles im Putumayo-Dreiländereck zwischen Ecuador, Kolumbien und Peru. Roberto Maldonado, Südamerika-Referent beim WWF Deutschland, hat diese Entwicklung von Anfang an begleitet. Seine Aufgabe ist es, die Schutzbemühungen in der Amazonas-Region weiterzuentwickeln. Der WWF unterstützt die indigenen Achuar bei der Ausweisung des ersten indigenen Schutzgebiets Ecuadors, genannt SACRE (Sistema Achuar de Conservación y Reservas Ecológicas).

Der WWF ist im nordwestlichen Amazonas mit einem großen Naturschutzprogramm aktiv. Worum geht es da genau?

Roberto Maldonado: „Das Programm im nordwestlichen Amazonas ist eines der wichtigsten Langzeitengagements des WWF in Südamerika. Wir können dabei helfen, ein mehr als zehn Millionen Hektar großes Mosaik aus Schutzgebieten und indigenen Territorien zu erhalten und vor der Entwaldung zu schützen.

Die Artenvielfalt zwischen den Anden und dem Amazonas-Tieflandregenwald ist atemberaubend. In der Region leben auch zahlreiche indigene Völker – einige davon noch in freiwilliger Isolation – sowie Kleinbauern und Fischer.

Das Gebiet wird allerdings zunehmend von der globalisierten Welt eingeholt: Vor Ort gibt es Öl- und Gasfelder, Palmöl-Plantagen werden angelegt, Rinderzüchter entwalden große Teile des Regenwaldes und Fernstraßen werden gebaut. Dies führt dazu, dass wir es dort mit einer der größten Entwaldungsfronten der Welt zu tun haben.“

Der WWF unterstützt die Achuar in Ecuador bei der Ausweisung des indigenen Schutzgebietssystems SACRE. Was genau ist SACRE, welche Idee steckt dahinter und welche Aufgabe übernimmt der WWF?

Roberto Maldonado © Harko Koster / WWF Niederlande
Roberto Maldonado © Harko Koster / WWF Niederlande

Roberto Maldonado:SACRE ist ein sehr innovatives Projekt, das von den Achuar selbst vorangetrieben wird. SACRE wird das erste indigene Schutzgebiet Ecuadors sein und soll das gesamte Territorium der Achuar umfassen – das sind rund 600.000 Hektar. Die Achuar möchten ihr Gebiet vor allem vor Öl-Bohrungen schützen, sie wollen verhindern, dass das Wasser verschmutzt und der Wald abgeholzt wird. In Ecuador ist es nämlich erlaubt, in indigenen Territorien Öl-Konzessionen zu vergeben.

Der WWF unterstützt zusammen mit Conservation International die Ausweisung von Beginn an. Der Prozess ist sehr komplex, insgesamt 19 Indigenen-Gemeinden sind daran beteiligt. In jeder einzelnen Gemeinde müssen die Indigenen befragt werden, darauf aufbauend muss ein Dossier verfasst werden. Diese Dossiers sind Teil des Antrags, der dann dem Umweltministerium vorgelegt werden muss.

Für die Anträge kartieren die Indigenen ihr Territorium und legen Zonen fest, in denen gejagt werden kann, wo Wanderfeldbau betrieben werden darf und wo sich das Wild erholen kann. Der WWF unterstützt die Indigenen bei allen drei Schritten, hilft beim Formulieren der Dossiers und der Anträge, damit der Staat Ecuador SACRE formell anerkennen kann.“

Das klingt nach einem komplexen Prozess. Gibt es Anhaltspunkte, wie lange es dauern kann, bis SACRE anerkannt ist?

Roberto Maldonado: „Von insgesamt 600.000 Hektar geplanter Schutzgebietsfläche konnten wir dem Umweltministerium bisher Anträge für 120.000 Hektar vorlegen. Wie lange der Prozess noch dauern wird, lässt sich nicht so leicht beantworten.

Die Indigenen arbeiten nach ihrem eigenen Rhythmus und diskutieren parallel auch andere für sie wichtige Fragen. Auf der anderen Seite braucht das Umweltministerium zum Teil sehr lange, um die Anträge zu prüfen.

Zum Vergleich: Im Rahmen unseres Programms im nordwestlichen Amazonas konnten wir in Peru dabei helfen, ein Schutzgebiet und zwei indigene Territorien auszuweisen. Dieser Prozess erstreckte sich über zwölf Jahre.“

Wie leben die Achuar?

Versammlung der Achuar in Ecuador © WWF Ecuador
Versammlung der Achuar in Ecuador © WWF Ecuador

Roberto Maldonado: „Die Achuar leben traditionell in kleinen Dörfern direkt im Urwald. Viele dieser Siedlungen lassen sich nur mit einem kleinen Flugzeug erreichen. Für diesen Zweck betreiben die Indigenen sogar ihre eigene Fluggesellschaft. Die Achuar sprechen noch ihre eigene Sprache, viele können aber auch Spanisch.

Man darf das traditionelle Leben der Achuar nicht romantisieren – sie haben zum Beispiel Handys und spielen Fußball. Vor allem die jungen Männer verlassen zum Teil ihre Gemeinde und suchen in den Städten Arbeit. Traditionell bestreiten die Achuar ihren Lebensunterhalt mit Landwirtschaft, Fischerei und Jagd.

Unter Landwirtschaft verstehen sie eine traditionelle Form des Wanderfeldbaus: die Chagras. Das sind agroforstliche Flächen oder Waldgärten. Herrlich unübersichtlich und dem tropischen Boden viel besser angepasst als etwa europäische Felder, die de facto Monokulturen sind. Geld verdienen sie außerdem zum Beispiel durch den Betrieb von Lodges für Tourist:innen.“

Du bist selbst vor Ort gewesen. Was hast Du dort gemacht, und welche Eindrücke hat dein Aufenthalt bei dir hinterlassen?

Roberto Maldonado: „Die Achuar sind in Ecuador gut organisiert. Sie haben eine offizielle Vertretung, die „Nation der Achuar von Ecuador“ (NAE). Sie vertritt die Interessen der Indigenen und geht Partnerschaften wie die mit dem WWF ein. Auf diesem Kongress wurde auch das SACRE-Projekt vorgestellt und diskutiert. Ich war auch dazu eingeladen und durfte über den WWF und unsere Arbeit sprechen – eine große Ehre für mich.

Besonders in Erinnerung geblieben ist mir von meiner Zeit bei den Achuar die Zeit vor dem Sonnenaufgang. Es ist sehr ruhig, die Familien versammeln sich in der Küche, es wird Feuer gemacht. In dieser Phase des Tages bekommt man sehr viel mit. Und der Kaffee oder andere Getränke schmecken dann noch besser als sonst.

Einmal durfte ich einen Achuar auf die Jagd begleiten. Er hat ein Tapir erlegt, dieser musste dann über Stunden direkt im Urwald zerlegt werden und über den Pastaza Fluss ins Dorf gebracht werden. Das Fleisch haben wir Abends beim Kongress gegessen.“

Wenn du dir etwas für die indigenen Gemeinschaften im Amazonas (der Achuar, aber auch aller anderen indigenen Gruppen) wünschen könntest, was wäre das?

Roberto Maldonado: „Ich wünsche mir, dass man ihnen so viel Land wie möglich zurückgibt und dass sie nicht mehr so stark unter Rassismus leiden müssen.“

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