Meliponen heißen die stachellosen Bienen, deren Honig bereits bei den Maya eine besondere Rolle spielte. Wegen seiner heilenden Eigenschaften wird er bis heute als „Wundersaft“ bezeichnet. Fast wäre dieses Wissen verloren gegangen. Heute hilft das wertvolle Naturprodukt den indigenen Gemeinden im Amazonas, ihren Wald und ihre Traditionen zu bewahren.

Vorsichtig gießt Joelma Lopes goldflüssigen Honig durch ein feines Metallsieb. Die Nachmittagssonne steht heiß über dem Fluss Tapajós, tief im brasilianischen Amazonasgebiet. 

Joelma hält Meliponen: Stachellose, hochsoziale Tropenbienen, die in Baum- oder Erdhöhlen der Wälder nisten. Ihr Honig ist selten, dünnflüssiger und säuerlicher als der, den wir aus Europa kennen und wird für seine medizinische Wirkung geschätzt.

Das Tapajós-Flussbecken, Heimat von Joelma Lopes, erstreckt sich über fast 50 Millionen Hektar Land im Norden Brasiliens. In den letzten 20 Jahren hat die Region mehr als ein Fünftel ihrer Waldfläche verloren.

Landraub, illegaler Holzeinschlag, Bergbau und immer neue Straßen fressen sich in die grüne Lunge Südamerikas. Geschützte Gebiete werden überfallen, traditionelle Gemeinschaften bedroht und ihre Mitglieder durch schnelles Geld verführt, sich an der Waldzerstörung zu beteiligen.

„Manche Menschen lassen sich auf diese ausbeuterischen und teils illegalen Aktivitäten ein, weil es an nachhaltigen wirtschaftlichen Alternativen fehlt“, sagt Leo Ferreira, Naturschutzexperte des WWF-Brasilien. „Der Druck wächst ständig.“

„Meine Arbeit hier ist nicht nur für mich, für meine Kinder oder Enkelkinder. Sie ist für die ganze Menschheit. So kann ich helfen, diesen Wald für uns alle zu bewahren.“

Joelma Lopes, Imkerin im Amazonas

Stachellose Bienen als große Hoffnung für die Wälder

Engelsbienen Melipona Bienen © Carlos Davila / iStock GettyImages
Engelsbienen Melipona Bienen © Carlos Davila / iStock GettyImages

Schon lange bevor die Europäische Honigbiene nach Südamerika gelangte, lebten hier die wahren Ur-Bienen des Kontinents: stachellose Meliponini-Bienen. 

Bereits die Maya hielten diese Bienen und wussten um die heilsame Wirkung ihres Honigs. Er ist aromatischer als europäischer Honig, enthält mehr Alkaloide und Flavonoide, wirkt antibakteriell, entzündungshemmend und wird traditionell zur Behandlung von Infektionen, Hautbeschwerden und Augenerkrankungen genutzt.

Doch Meliponini-Bienen sind empfindlich. Sie produzieren nur geringe Mengen an Honig und benötigen intakte Wälder, vielfältige Blüten und alte Bäume. Der Wald wiederum braucht sie: Meliponen sind oft die effizientesten und wichtigsten Bestäuber für viele einheimische Pflanzen.

Meliponikultur: Bienenzucht im Amazonas

Joelma Lopes und ihre Bienenkästen.
Joelma Lopes und ihre Bienenkästen © James Rawles

Für indigene und traditionelle Gemeinschaften schafft der Melipona-Honig ein Einkommen, das direkt an die intakte Natur gebunden ist. Die Bienenzucht ermöglicht einen nachhaltigen Weg aus wirtschaftlicher Abhängigkeit und Waldzerstörung.

„Als ich zum ersten Mal die Honiggläser mit meinem Namen auf dem Etikett sah, war ich so glücklich“, erinnert sich Joelma Lopes lächelnd.

Obwohl die Meliponikultur, also die Zucht der stachellosen Bienen, ein Jahrhunderte altes Erbe ihrer Heimat ist, war diese traditionelle Praxis beinahe in Vergessenheit geraten und viele Melipona-Arten gelten als bedroht.

Heute ist Joelma Lopes Teil einer wachsenden Bewegung traditioneller Gemeinschaften, die wieder Meliponen züchten und damit auch ein wertvolles Stück Kultur erhalten. Nicht nur im brasilianischen Amazonas-Gebiet, sondern auch in Peru, Kolumbien oder Bolivien und ebenfalls im Cerrado, der artenreichsten Savanne der Welt, die an den Amazonas angrenzt.

Der WWF und seine Partnerorganisationen unterstützen die Gemeinschaften und Menschen wie Joelma Lopes mit Trainings, Fortbildungen, Ausrüstung, Forschung und bei der Vermarktung des Honigs.

Stärkung der Frauen und der Jugend

Die Meliponen-Bienen sind ein Kulturgut schon in der Maya-Kultur gewesen.
Die Meliponen-Bienen sind ein Kulturgut schon in der Maya-Kultur gewesen © James Rawles

Die Meliponikultur verknüpft Tradition mit Einkommen, Natur mit Zukunft und stärkt insbesondere Frauen in ihren Gemeinden und als lokale Naturschützerinnen. Die neuen Unternehmerinnen beleben altes Wissen – und geben damit auch zukünftigen Generationen wieder eine Perspektive in den Wäldern. Denn viele junge Menschen wandern aus den Dörfern ihrer Heimat ab.

"Wenn es hier keine jungen Menschen mehr gibt, wird niemand da sein, der sich um das kümmert, was wir haben", sagt Maryhellenna de Oliveira Matos, eine Gemeindeleiterin aus der Tapajós-Region. Sie meint damit auch den Wald.

Imkerin Joelma Lopes hat ihren erwachsenen Kindern bereits einige ihrer Bienenkisten übergeben in der Hoffnung, dass sie am Tapajós bleiben. Das würde bedeuten, dass mehr Menschen den Wald vor den ständig eindringenden Bedrohungen schützen, sagt sie, und zeigen, wie er nachhaltig genutzt werden kann.

Es geht um viel mehr als um Honig

Besprechung einer neuen Honig-Abfüllung
Besprechung einer neuen Honig-Abfüllung © James Rawles

Neben der Honigproduktion unterstützt der WWF in den Gemeinden des Amazonasgebiets weitere nachhaltige Einkommensquellen – zum Beispiel den Verkauf von Ölen und Butter aus lokalen Samen und Nüssen sowie handgefertigten Körben und Taschen aus gefärbten Palmblättern.

Viele dieser Produkte erreichen über Kooperativen regionale und weiter entfernte Märkte: Ein Ziel, das Joelma Lopes genau wie vielen anderen Produzent:innen von Waldprodukten im Amazonas lange unerreichbar schien.

So können der Melipona-Honig und die anderen Produkte echte Perspektiven schaffen, die Gemeinden stärken und dazu beitragen, den Regenwald als Lebensgrundlage zu erhalten und zu schützen. Denn wo Wälder brennen und Soyafelder und Rinderweiden sich ausbreiten, verschwinden die stachellosen Wildbienen – und mit ihnen nicht nur ihr heilsamer Honig, sondern ein bedeutendes Stück kultureller und biologischer Vielfalt.

Die Projekte zur nachhaltigen Nutzung des Amazonas unter Bewahrung der indigenen Kultur werden gefördert vom Landscape Resilience Fund (LRF, Fond für widerstandsfähige Naturlandschaften): Der Fond stärkt Wertschöpfungsketten, die auf umweltfreundlicher Nutzung beruhen, traditionelle Lebensweisen bewahren und den Menschen vor Ort –Sammler:innen,Produzent:innen und lokalen Gemeinschaften – ein Einkommen sichern.

Der LRF wurde gemeinsam mit dem WWF aufgebaut, um besonders verletzliche Bevölkerungsgruppen in ausgewählten Regionen des Globalen Südens dabei zu unterstützen, sich wirksam an den Klimawandel anzupassen. Der Fonds mobilisiert dafür gezielt Finanzmittel, die den Handel, lokale Gemeinschaften und Naturschutz stärken.

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