Experten haben es bereits kommen sehen, nun ist es offiziell: Das brasilianische Amazonasgebiet verzeichnet die meisten Brände im Monat Mai seit 2004. Und als wäre das nicht schlimm genug, meldet die angrenzende Cerrado-Savannenregion die verheerendsten Brände im Mai seit Beginn der Aufzeichnungen.

Die Satellitendaten des brasilianischen Instituts für Weltraumforschung (INPE) zeigen es deutlich – insgesamt 2.287 Brände wüteten im Mai im brasilianischen Amazonasbecken. Das ist nicht nur ein Anstieg von 96 Prozent gegenüber dem Mai des Vorjahres, sondern generell die zweithöchste Zahl, die für diesen Monat aufgezeichnet wurde. Nur im Jahr 2004 war es noch schlimmer – da wurden 3.131 Brände gezählt.

Diese Entwicklung verheißt nichts Gutes. Denn in der Regel gibt es im Mai weniger Brände als auf dem Höhepunkt der Trockenzeit im August und September. Aufgrund der außergewöhnlich hohen Werte zu Beginn des Jahres befürchten Naturschützer:innen, dass das Jahr 2022 besonders zerstörerisch sein wird.

Höchste Entwaldungsrate seit 2016

Brandrodung für Sojaanbau im Cerrado © Andre Dib / WWF Brazil
Brandrodung für Sojaanbau im Cerrado © Andre Dib / WWF Brazil

Die enorme Zahl an Bränden lässt auch einen anderen Wert rasant nach oben schnellen: So war die Entwaldung im Amazonasgebiet in den ersten fünf Monaten des Jahres so hoch wie seit 2016 nicht mehr. Zwischen Januar und Mai gingen 2.867 Quadratkilometer verloren. Allein im Monat Mai wurden unglaubliche 900 Quadratkilometer abgeholzt – eine Fläche, so groß wie die Insel Rügen.

Die Brände im Amazonasgebiet werden fast alle absichtlich gelegt, um Land für Aktivitäten wie Landwirtschaft und Viehzucht zu roden. „Die Verantwortung dafür liegt nicht nur in Brasilien, denn das auf den gerodeten Flächen produzierte Soja geht in den Export. Auch für unsere maßlose Fleischproduktion in Deutschland und Europa werden lebenswichtige Ökosysteme nach und nach vernichtet. Das heizt die Klimakatastrophe und den Artenschwund weiter an“, sagt Roberto Maldonado, Brasilien-Referent vom WWF Deutschland.

Brandrodungen im Cerrado auf dem Höhepunkt

Ein Stück Regenwald, umgeben von Ackerfläche, verbrennt © Days Edge Productions / WWF-US
Ein Stück Regenwald, umgeben von Ackerfläche, verbrennt © Days Edge Productions / WWF-US

Die schlechten Nachrichten gehen leider weiter. In der angrenzenden Savannenregion Cerrado gipfelte die Zerstörung laut INPE-Zahlen in 3.578 Bränden – so viele wie noch nie zuvor im Mai seit Beginn der Aufzeichnungen und ein Anstieg von 35 Prozent gegenüber Mai 2021.

Auch hier gibt es wieder einen direkten Zusammenhang zur Entwaldungsrate: Im Laufe der ersten fünf Monate des Jahres wurden 2.613 Quadratkilometer Fläche im Cerrado abgeholzt. Dies ist ein Anstieg von knapp 30 Prozent im Vergleich zu dem gleichen Zeitraum des Vorjahres.

Cerrado, Brasilien © David Bebber / WWF-UK
Cerrado, Brasilien © David Bebber / WWF-UK

Cerrado – ein Wald steht Kopf

Der Cerrado liegt in der Zentralhochebene Brasiliens und erstreckt sich über mehrere brasilianische Bundesstaaten. Er grenzt an den Amazonas-Regenwald und ist mit seinen über zwei Millionen Quadratkilometern Fläche fast sechsmal so groß wie Deutschland. Der Cerrado wird oft als "auf dem Kopf stehender Wald" bezeichnet, weil seine Pflanzen tiefe Wurzeln in den Boden schlagen, um saisonale Dürren und Brände zu überstehen. Oft nimmt das Wurzelwerk der Bäume zwei Drittel der eigentlichen Größe ein und ist damit auch ein bedeutender Kohlenstoffspeicher.

Die tropische Savannenregion gilt mit etwa 200 Säugetier- und 10.000 Pflanzenarten als die biologisch reichste Savanne der Welt. Großkatzen wie Jaguar und Puma sind hier zu Hause, ebenso Arten wie Tapir, Gürteltier und Ameisenbär. 10 Vogel- und 14 Säugetierarten sind sogar endemisch, das heißt, sie kommen nur in diesem Gebiet vor.

Eine weitreichende Bedrohung

Soja-Anbau in Brasilien © Peter Caton / WWF UK
Soja-Anbau in Brasilien © Peter Caton / WWF UK

Nur die Hälfte der ursprünglichen Vegetation des Cerrado ist noch erhalten. Soja macht mehr als 80 Prozent der Anbauflächen aus und ist für die Zerstörung von etwa 100.000 Hektar pro Jahr verantwortlich. Die Vernichtung der Bäume, Gräser und anderer Pflanzen im Cerrado ist eine große Quelle für Brasiliens Treibhausgas-Emissionen – und das, obwohl die Savannenregion weit weniger dicht bewaldet ist als beispielsweise der Amazonas-Regenwald.

Hinzu kommt, dass der Cerrado auch ein bedeutender Wasserspeicher für die Region ist. Wird er also weiter zerstört, ist auch die Energie- und Nahrungsmittelversorgung des südamerikanischen Staates in Gefahr.

Der WWF kämpft seit Jahrzehnten auf vielen verschiedenen Ebenen für den Erhalt des Amazonas-Regenwaldes und des Cerrados. Zu den Maßnahmen gehören unter anderem die Ausweisung und der Erhalt von Schutzgebieten, die Förderung von nachhaltiger Landwirtschaft sowie das Ausüben von politischem Druck auf Regierung und Unternehmen, damit Lieferketten systematisch überprüft werden.

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