Mit Kamerafallen ist es während einer achtmonatigen Studie gelungen, Pallaskatzen und weitere seltene und vom Aussterben bedrohte Wildkatzen im Himalaya im Nordosten Indiens nachzuweisen. Das logistisch herausfordernde Projekt in der schwer zugänglichen hochalpinen Region wurde ermöglicht durch die Zusammenarbeit mit lokalen Gemeinden.
Es sind bahnbrechende Aufnahmen, die dem WWF Indien gelungen sind: Erstmals konnte eine Pallaskatze fotografisch im nordöstlichen Bundesstaat Arunachal Pradesh nachgewiesen werden. Die an kalte Lebensbedingungen angepasste Wildkatze mit dem wissenschaftlichen Namen Otocolobus manul gilt zwar als „nicht gefährdet“, doch ist sie extrem scheu und zählt deshalb zu den am wenigsten erforschten Katzenarten weltweit.
Die dokumentierte Sichtung in Arunachal Pradesh erweitert das bekannte Verbreitungsgebiet der Art im östlichen Himalaya erheblich und ergänzt frühere bestätigte Nachweise aus Sikkim in Indien, Bhutan und dem östlichen Nepal.
Seltene Bilder aus fragiler und noch kaum erforschter Landschaft
Neben der scheuen Pallaskatze konnten fünf weitere Wildkatzenarten in großer Höhe nachgewiesen werden: Schneeleoparden, Leoparden, Nebelparder, Leopardkatzen und Marmorkatzen.
Einige der Aufnahmen, die mithilfe der Kamerafallen gelungen sind, dokumentieren darüber hinaus Höhenrekorde für Indien und könnten sogar bisher bekannte weltweite Höhenrekorde überschreiten. So wurden Nebelparder auf 4.650 Metern nachgewiesen, Leoparden auf 4.600 Metern, Marmorkatzen auf 4.326 Metern, der Himalaya-Waldkauz auf 4.194 Metern und das Graukopf-Riesengleithörnchen auf 4.506 Metern.
Logistische Herausforderungen für Wildtierbeobachtung im Hochgebirge
Vorangegangen ist diesem Meilenstein der Wildtierforschung im östlichen Himalaya eine aufwändige logistische Planung. Mithilfe von Mitgliedern lokaler Gemeinden und ortskundiger Guides wurden in den Bezirken Tawang und West Kameng im Bundesstaat Arunachal Pradesh auf einer Fläche von 2.000 Quadratkilometern und auf bis zu 5.000 Metern Höhe 136 Kameras an 83 Standorten installiert.
Tagelanges Trekking durch hochalpines Gelände, tief in die abgelegene und schwer zugängliche Landschaft hinein und bei zum Teil extremen Wetterverhältnissen, war dafür nötig. Acht Monate lang blieben die Kameras für die groß angelegte Studie aktiviert.
Eindrücke aus dem Himalaja
Kamerafallen belegen reiche Artenvielfalt der Region
Die außergewöhnlichen Aufnahmen der Kamerafallen ermöglichen den Forscher:innen seltene Verhaltensbeobachtungen der Wildkatzen und neue Einblicke in das Miteinander verschiedener Arten in diesem fragilen alpinen Lebensraum. Videoaufnahmen zeigen beispielsweise einen Schneeleoparden und einen Leoparden, die nacheinander an derselben Stelle ihre Markierung hinterlassen.
Die Kameras hielten auch die Brokpa-Hirt:innen und ihre Herden fest, welche halbnomadisch auf den Hochlandweiden im Himalaya leben. Die Aufnahmen sind ein lebendiges Zeugnis jahrhundertealter Weidekultur, die in diesen Hochlagen das Miteinander von Mensch und Wildtier bis heute prägt.
Und sie unterstreichen, warum zukunftsweisender Natur- und Artenschutz sowohl auf wissenschaftlichen Erkenntnissen als auch auf dem überlieferten Wissen lokaler Gemeinschaften basieren muss.
Jahrhundertelanges Miteinander von nomadischen Hirten und Wildkatzen
„Die Entdeckung der Pallaskatze auf nahezu 5.000 Metern Höhe ist eine kraftvolle Erinnerung daran, wie wenig wir noch über das Leben im Hochhimalaya wissen“, sagt Dr. Rishi Kumar Sharma, Leiter Wissenschaft und Naturschutz im Himalaya-Programm des WWF Indien.
„Dass eine Landschaft Schneeleoparden, Nebelparder, Marmorkatzen und Pallaskatzen Lebensraum bietet in direkter Nachbarschaft zu einer bis heute lebendigen Hirtentradition, zeugt von ihrem außergewöhnlichen Reichtum und auch von ihrer Widerstandsfähigkeit.“
„Die aktive Beteiligung von Hirt:innen und Dorfbewohner:innen zeigt, dass Naturschutz, traditionelles Wissen und die Sicherung von Lebensgrundlagen Hand in Hand gehen können, um unser sensibles Bergökosysteme zu schützen.“
Ngilyang Tam, Leiter der Abteilung für Wildtiere und Biodiversität bei der Forstbehörde von Arunachal Pradesh
Naturschutz und traditionelles Wissen gehen Hand in Hand
Shri Ngilyang Tam, Leiter der Abteilung für Wildtiere und Biodiversität bei der Forstbehörde von Arunachal Pradesh, betont: „Die Ergebnisse bestätigen erneut die Bedeutung des Bundesstaates als globalem Biodiversitäts-Hotspot und unterstreichen die Notwendigkeit weiterer Investitionen in wissenschaftliches Monitoring und Naturschutz.“ Ermöglicht wurde die Studie durch eine enge Zusammenarbeit der Forstbehörde, des WWF Indien und lokaler Gemeinden.
Das Projekt fügt sich ein in die umfassenden Naturschutzbemühungen des WWF Indien in der Western Arunachal Landschaft. Diese umfassen unter anderem den Schutz von Schneeleoparden und Roten Pandas, die Bewahrung hochgelegener Feuchtgebiete sowie das wegweisende Modell der Gemeindeschutzgebiete (Community Conserved Areas, CCAs), welches seit 2004 gemeinsam mit indigenen Monpa-Gemeinschaften entwickelt wurde. Es ist ein integrierter Ansatz, der erfolgreich zeigt, wie ein sensibles Ökosystem geschützt und gleichzeitig die Widerstandsfähigkeit sowie die Lebensgrundlagen der Menschen in den Bergen gestärkt werden.
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